Große silberne Metall-Rollen in einer Lagerhalle

Hessen Check zur Bundestagswahl: Harte Zeiten für grünen Stahl aus Hessen

Stand: 21.02.2025 21:03 Uhr

Die Stahlproduktion hat in Mittelhessen eine lange Tradition - aber auch eine Zukunft? Die Transformation hin zu grünem Stahl steht auch in der Region an. Doch bei Unternehmen wie Outokumpu und Buderus ist die Lage angespannt.

Von Rebekka Dieckmann

Das Dröhnen der Maschinen übertönt das leise Seufzen der Branche nicht, auch nicht in der Produktionshalle von Outokumpu in Dillenburg (Lahn-Dill). "Wir sind momentan leider nicht voll ausgelastet", berichtet Henrik Lehnhardt, der Arbeitsdirektor und Geschäftsführer dort. "Und der Markt ist momentan sehr herausfordernd."

Dabei gilt das mittelhessische Werk des finnischen Edelstahl-Unternehmens eigentlich als Vorzeige-Standort: Riesige Edelstahl-Bündel liegen versandbereit, jeweils 25 Tonnen schwer. Es sind Pfannen, Spülmaschinen und Autoteile von morgen. Edelstahl aus Europa - mit deutlich reduziertem CO2-Fußabdruck.

Deutlich geringerer CO2-Fußabdruck

Outokumpu ist mit großen Schritten unterwegs in Richtung grüner Edelstahl, vor allem durch den Einsatz recycelter Materialien und erneuerbarer Energien, wie Lehnhardt darlegt. In Finnland soll dieses Jahr die Umstellung der "Outokumpu Chrommine" auf eine CO2-neutrale Betriebsweise abgeschlossen werden. Dies ist das einzige Chrom-Bergwerk im EU-Wirtschaftsraum.

Rund 1,4 Tonnen Kohlendioxid werden derzeit nach Angaben des Unternehmens pro Tonne Edelstahl bei der Standardproduktion von Outokumpu freigesetzt. Das liege weit unter dem weltweiten Durchschnitt von rund fünf Tonnen, heißt es. Eine neue Produktlinie setzt inzwischen sogar auf 100 Prozent Recycling-Material mit erneuerbaren Energien und ist damit nahe dran an der Klimaneutralität. Outokumpu wirbt für sich, dass es damit derzeit den nachhaltigsten Edelstahl weltweit herstellt.

Mann in gelber Sicherheitskleidung mit Helm in Produktionshalle. Im Hintergrund Stahlbündel

Henrik Lehnhardt: "Klimaschutz und Tranformation schließen sich nicht aus - unter den richtigen Rahmenbedingungen."

Vor allem grüner Strom wird gebraucht

Outokumpu stellt Edelstahl über die Elektrostahlroute her. Der potenzielle Einsatz von Wasserstoff spiele dabei eine geringere Rolle als bei der Produktion im Hochofen mit Koks, erklärt Lehnhardt. Viel wichtiger sei für Outokumpu Zugang zu bezahlbarem grünen Strom. "Auch verfügbare Bio-Gase wären vorteilhaft", sagt der Stahl-Manager.

Die Nachfrage nach grünem Edelstahl steige, etwa von Unternehmen, die selbst ambitionierte Klimaziele verfolgen, berichtet Lehnhardt. Outokumpus besonders nachhaltigen Green Circle Steel findet man zum Beispiel in ökologisch zertifizierten Pfannen und Messern.

Das Unternehmen fordert trotzdem: Es müsse bessere Absatzmöglichkeiten für nachhaltig produzierten Stahl geben. Die Kritik: Unternehmen in Deutschland und der EU müssten zwar viele Auflagen und Zielvorgaben erfüllen. Bei öffentlichen Projekten werde dann aber häufig billigerer - und weniger grüner - Stahl aus Asien gekauft.

Bessere Produktionsbedingungen in Skandinavien

Zur Wahrheit gehört auch, dass die energieintensivsten Prozesse bei Outokumpu derzeit nicht in Deutschland, sondern in Skandinavien stattfinden. Dort sei Strom günstiger und emissionsärmer, auch durch den Einsatz von Atomkraft, erklärt Lehnhardt.

In Dillenburg wird dieses Vormaterial aus Schweden oder Finnland dann weiterverarbeitet. Eine derartig CO2-arme und wirtschaftliche Edelstahlproduktion ausschließlich in Deutschland ist laut Outokumpu derzeit nicht machbar.

Forderungen der Wirtschaft

Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Lahn-Dill teilt das Seufzen der Branche. "Unsere Region ist über Generationen von Stahlverarbeitung und Stahlveredelung geprägt", sagt Hauptgeschäftsführer Dietmar Persch. Dem Standort gehe es aufgrund der politischen Rahmenbedingungen derzeit nicht gut, meint er.

Derzeit registriere man zunehmend Insolvenzen, Verlegungen von Produktionskapazitäten ins Ausland und eine allgemeine Zurückhaltung bei Investitionen, berichtet Persch. Die Unternehmen seien grundsätzlich gewillt, die Transformation voranzutreiben, hätten aber viele Unsicherheiten. "Und wir wollen CO2-Einsparungen in Deutschland natürlich nicht dadurch erreichen, dass hier bei uns einfach weniger produziert wird", sagt der IHK-Regionalchef.

Damit Unternehmen wieder mehr in die Region investieren, fehlt es aus seiner Sicht an der nötigen Infrastruktur und an Freiraum für Innovationen durch Bürokratieabbau. "Man muss Unternehmen unternehmen lassen", meint Persch: "Ihnen wird momentan zu viel verboten durch Überregulierung."

Mann im Anzug vor Werbe-Roll-Up der IHK

Dietmar Persch: "Stahl in der Region hat lange Tradition."

Buderus Edelstahl: Zukunft ungewiss

Mitten im Umbruch steckt noch ein weiteres Edelstahl produzierendes Unternehmen in Mittelhessen: Buderus Edelstahl in Wetzlar. Das Werk wurde erst kürzlich durch das Investment-Unternehmen Mutares übernommen. Wie konkret es in Wetzlar weitergeht, ist derzeit ungewiss. Man befinde sich noch in der Analyse-Phase, um eine tragfähige Strategie zu entwickeln, teilt Mutares auf Anfrage mit.

Hier heißt es: Mit dekarbonisiertem Stahl im internationalen Wettbewerb zu bestehen, sei bei den aktuellen Energiepreisen in Deutschland schwierig. Ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von Buderus und der gesamten Branche sei die Unterstützung durch die Politik. "Insbesondere die hohen Energiekosten in Deutschland stellen einen erheblichen Wettbewerbsnachteil dar."

Weitere Herausforderungen sieht Mutares in drohenden Zöllen der USA, die die Wettbewerbsintensität im europäischen Markt erhöhen würden, sowie in der schwächelnden Automobil- und Bauindustrie. "Ein wichtiger Kunde aus der Automobilbranche hat kürzlich seine Bestellungen signifikant nach unten korrigiert."

Blick in die Zukunft

Outokumpu hält derzeit am Standort Mittelhessen fest. Aufgrund der schwachen Auftragslage wurde jedoch Anfang des Jahres die Arbeitszeit der gesamten Belegschaft auf eine 32-Stunden-Woche reduziert, um Entlassungen zu vermeiden.

Mitarbeiter in Produktionhalle hält Metallplatte hoch mit grüner Verpackung und der Aufschrift Circle Green

Outokumpus Circle Green Stahl ist besonders CO2-arm und wird beispielsweise in Messern verwendet.

Bei Outokumpu ist man weiterhin überzeugt: Klimaschutz und Transformation schließen sich nicht aus. Henrik Lehnhardt sagt: "Wir fordern von der Politik, ob in Berlin oder Brüssel, Rahmenbedingungen für diese Transformation zu schaffen."

Die Belegschaft hoffe vor allem auf eine schnelle Einigung nach der Wahl ohne lange Koalitionsverhandlungen. "Ein bisschen Zuversicht und Planbarkeit würden uns allen gut tun", sagt Lehnhardt.