
Hessen Künstliche Intelligenz: Was Hessen zu einem pulsierenden KI-Standort fehlt
Hessen hat alle Voraussetzungen für einen starken KI-Standort: Rechenzentren, Hochschulen, Banken. Sogar eine eigene Ministerin. Doch es fehlt am nötigen Risikokapital für Start-ups. Und an einer Vernetzung der einzelnen Player.
Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU) arbeitet seit 2019 an einem Ziel, wie sie sagt: "Wir wollen das Potenzial heben, zum Silicon Valley Europas zu werden." Klingt vollmundig und ist auch noch ein erhebliches Stück weg davon, Wirklichkeit zu werden.
Schon im bundesweiten Vergleich hinkt der Standort hinterher. Bei der Künstlichen Intelligenz liegen München und Berlin vorne. 2024 flossen in Bayern über 2,3 Milliarden Euro an Investitionen in KI-Start-ups - fast ein Drittel der Gesamtsumme in Deutschland. Berlin lag mit 2,2 Milliarden Euro knapp dahinter.
Hessen kann da nicht mithalten, auch wenn die hiesige Start-up-Szene rasant gewachsen ist. 2024 verdoppelte sich zwar das Finanzierungsvolumen seit dem Vorjahr - aber eben nur auf 343 Millionen Euro. Jeder dritte Gründer bewertet den Standort Hessen als positiv. Bundesweit liegt die Zufriedenheit bei 58 Prozent, wie der PwC-Start-up-Monitor ergab. Dabei fällt auf, dass die Zustimmung zu Frankfurt (32 Prozent) deutlich geringer ausfällt als die zu Darmstadt (56 Prozent).
Zu kleines Netzwerk
Sebastian Heinz hat vor zwei Jahren den AI HUB Frankfurt gegründet. Damit will er den KI-Standort nach vorne bringen. Der Wirtschaftswissenschaftler sagt, Frankfurt habe zwar starke Unternehmen. "Aber auf der Innovationsseite, bei der Gründung von Start-ups spielen wir in Hessen nicht ganz vorn mit."
Das liege nicht nur am zu kleinen Netzwerk, sondern auch am fehlenden Kapital, meint Heinz. Frankfurt sei zwar die Finanzmetropole Europas, dennoch werde zu wenig in innovative Unternehmen investiert.

Sebastian Heinz vom AI Hub Frankfurt.
Dieter Konrad, Portfoliomanager bei Union Investment, findet auch: Die Bereitschaft von Kapitalfonds oder Industrie, in Frankfurt, Darmstadt und der Region zu investieren, sei zu gering.
Zurückhaltende Banken
Marco di Sazio leitet die Abteilung Digitale Innovation beim Bankhaus Metzler, der mit 350 Jahren ältesten deutschen Privatbank. Er räumt ein: "Die Banken sind traditionell zurückhaltend, wenn es darum geht, in junge Unternehmen zu investieren."
Dann nennt er sein eigenes Haus als positives Beispiel für ein Umdenken: Das traditionsreiche Bankhaus Metzler nutze modernste KI-Technologie, um Produktivität und Innovation im Finanzsektor voranzutreiben, und sehe die Notwendigkeit, mehr in junge innovative Unternehmen zu investieren.
Zu viel Unsicherheit
Das Land Hessen bemüht sich seinerseits, etwa um den Fortschritt des KI-Forschungsstandorts. Vor fünf Jahren haben 13 Hochschulen ein gemeinsames Zentrum für Künstliche Intelligenz gegründet, angedockt an der TU Darmstadt. Ziel: Grundlagenforschung mit praxisnaher Entwicklung. Die Landesregierung hat dafür 38 Millionen Euro bereitgestellt. Unter anderem gingen daraus 20 neue Professuren hervor.
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Eine davon hat Kevin Bauer an der Goethe-Uni Frankfurt inne. Auch er spricht von einem "extrem hohen Potenzial". Er lobt die starken Unis, die starken Unternehmen in den Branchen Banken, Logistik- und Pharma. Und er hebt die gute Infrastruktur mit den vielen Rechenzentren gerade im Rhein-Main-Gebiet hervor.
Dann folgen die Aber. Die Regulierung einer so einflussreichen Technologie wie KI sei wichtig, "schafft aber sehr viel Unsicherheit bei Unternehmen", beobachtet Bauer. Und auch er wünscht sich eine bessere Vernetzung von Industrie, Kapitalgebern und Forschung.
Zukünftiger Start-up-Campus
Das hat die Landesregierung offenbar erkannt. Um das hessische Innovations- und Gründungsökosystem weiter zu stärken und aus klugen KI-Ideen erfolgreiche Firmen zu machen, entsteht aktuell in Frankfurt der Start-up-Campus Bertramshof auf rund 2.000 Quadratmetern mit rund 170 Arbeitsplätzen.
hessian.AI und Futury, eine Gründungs- und Innovationsplattform, sollen dort junge Unternehmen unterstützen, vor allem eben im Bereich Künstliche Intelligenz. Ziel ist es, bis 2030 über 1.000 neue Firmen in der Region zu gründen und Frankfurt als Innovationsstandort zu stärken.
Zu viel Abwanderung
Bislang ist es so, dass laut PwC-Start-up-Monitor viele Gründer abwandern in andere Regionen Deutschlands. Auch Gründerin Kseniya Dockhorn schaut kritisch auf den hessischen KI-Standort. Sie hat vor zwei Jahren eine KI-basierte technische Lösung entwickelt, um Online-Shopping einfacher zu gestalten.
Das Feedback auf ihre Anwendung sei gut, berichtet die 37-Jährige, aber das Problem in der Startphase sei häufig, dass Testkunden für innovative Ideen kein Geld bezahlen wollten. Sie wollten zu lange kostenfrei testen. Das könne man ohne Förderung nicht lange durchhalten.
Dockhorn machte nach eigener Auskunft die Erfahrung, "dass es einfacher ist, einen Haarsalon oder eine Bäckerei zu öffnen und dafür Geld von der Bank zu bekommen, als ein Start-up zu gründen". Kapitalgeber bevorzugten offenbar niedrigere Risiken und mehr Sicherheiten, die ein Start-up nicht bieten könne. "Wenn wir so etwas schaffen könnten wie in Berlin oder München, ein Stipendium für KI-Start-ups oder Start-ups generell anzubieten, um diese in der riskanten kostenintensiven Zeit der Frühphase zu sichern", dann würde Hessen nicht so viele kluge Köpfe verlieren, ist Kseniya Dockhorn überzeugt.