Auf einer Auffahrt in einem Dorf stehen mehrere Frauen und Kinder

Hessen Tag der Muttersprache: Diese Kinder in Mittelhessen sprechen noch Mardorfer Platt

Stand: 21.02.2025 14:45 Uhr

Der kleine Ort Amöneburg-Mardorf im Landkreis Marburg-Biedenkopf hat seinen eigenen Dialekt: das Mardorfer Platt. Doch nur wenige Menschen sprechen es noch. Zum internationalen Tag der Muttersprache stellen wir eine Familie vor, die das Mardorfer Platt am Leben hält.

Von Johan Gallwitz und Elisabeth Czech

Wenn Katharina Böttner und ihre zwei Söhne Janne und Johann einen Spaziergang durch ihren Heimatort Amöneburg-Mardorf (Marburg-Biedenkopf) machen, unterhalten sie sich gerne lebhaft. Die 39-Jährige fragt den sechsjährigen Janne, wo er bald zur Schule gehen wird: "Wu gihst du en die Schoul?" - "En Moaderf." Wer daneben steht und nicht aus Mardorf kommt, versteht von dem Gesprochenen wenig.

Janne und sein kleiner Bruder Johann (2) wachsen quasi zweisprachig auf. Mit ihrem Vater und im Kindergarten sprechen sie Hochdeutsch. Mit ihrer Mutter sprechen sie Mardorfer Platt. "Ich habe mir da keine Gedanken gemacht", erklärt Katharina Böttner. "Das ist einfach die Sprache, die ich zuhause rede."

Dieser Sechsjährige ist ein echter Plattschwätzer

Mardorfer Platt ist Familienangelegenheit

Die 39-jährige Katharina Böttner ist mit dem Dialekt aufgewachsen, genau wie ihre Verwandten. Es sei das Natürlichste der Welt, bestätigt Katharinas Cousine Friederike Rhiel, die mit ihrer Tochter Luise ebenfalls Dialekt spricht: "Ich bin mehr ich selbst, wenn ich mit ihr Platt schwätze." Auch schimpfen gehe deutlich besser im Dialekt.

Den Beweis dafür liefert Janne, als sein Bauklotzturm dem Spielzeugauto seines Bruders Johann zum Opfer fällt: "Hör uff! Du Kaputtmeecher!"

Ein zweijähriger Junge sitzt neben einem sechsjährigen Jungen. Dazwischen steht ein Turm aus Legosteinen.

Janne und Johann Böttner sprechen beide Mardorfer Platt.

Dialekt lernen hat viele Vorteile

Wenn Kinder so schön auf Mardorfer Platt schimpfen können, freut sich Brigitte Ganswindt von der Universität Marburg. Sie beschäftigt sich im Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas mit hessischen Dialekten und sieht große Vorteile darin, einen solchen zu sprechen. "Das verbindet Menschen ungemein, es ist ein Teil der Kultur und der Heimat."

In den 1960er und 1970er Jahren seien Dialekte in ganz Deutschland eher verpönt gewesen, erklärt Ganswindt. Sie seien mit Bildungsferne in Verbindung gebracht worden. Heute sei der Ruf ein ganz anderer. Eine Studie habe gezeigt, dass Dialekt sprechende Menschen eine höhere Neuronendichte im Gehirn haben – ähnlich der von Menschen, die mit einer Fremdsprache aufgewachsen sind.

Wann ist ein Dialekt ein Dialekt?
Ein Dialekt ist eine Form des Deutschen, die nur in einem begrenzten Gebiet gesprochen wird. Ein Dialekt hat ein eigenes Lautsystem und eine eigene Grammatik. Es handelt sich also um ein eigenes "sprachliches System", das parallel zur Standard-Sprache funktioniert. Dialekte können extrem regional ausgeprägt sein.
Eine Frau Mitte 40 mit blonden Haaren und einer Brille sitzt zwischen Bücherregalen in einer Uni-Bibliothek

Brigitte Ganswindt vom Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas der Universität Marburg

Überlebt der Dialekt?

Auch wenn der Ruf besser geworden ist: Katharina Böttner macht sich Sorgen um das Mardorfer Platt. Sie kenne außer Janne, Johann und Luise keine Kinder mehr, die mit dem Dialekt aufwachsen. Auch deshalb ist es ihr wichtig, dass ihre Familie die Mundart pflegt. Dafür gebe es im Dorf viele positive Reaktionen: "Vor allem ältere Leute loben das oder grinsen, wenn sie uns an der Supermarktkasse hören."

Für mich war klar, dass ich das weitergebe. Es würde mir komisch vorkommen, wenn ich mit meinen Kindern Hochdeutsch reden soll. Katharina Böttner

Brigitte Ganswindt bestätigt: Sprache verändere sich ständig, lokale Dialekte würden auch teilweise aussterben. Aber: "In der Literatur steht seit 300 Jahren, dass die Dialekte aussterben. Und sie sind immer noch da. Das macht mich verhalten hoffnungsvoll." Mit Blick auf das Mardorfer Platt scheint die Hoffnung berechtigt: Dort ist immerhin schon die nächste Generation "Plattschwätzer" zu hören.

Internationaler Tag der Muttersprache
Am 21. Februar ist der Internationale Tag der Muttersprache, den die UNESCO im Jahr 1999 ins Leben gerufen hat. Mit diesem Aktionstag soll die kulturelle und sprachliche Diversität gefeiert werden. Es geht der UNESCO dabei auch darum, Mehrsprachigkeit zu fördern und das Aussterben von Sprachen zu verhindern.