Der Blick auf die Internetseite der Kampagne aufklären statt aufhetzen.

Niedersachsen Arzt initiiert vor Bundestagswahl Kampagne gegen Hetze im Netz

Stand: 20.02.2025 13:33 Uhr

Besonders vor der Bundestagswahl gibt es viel Hetze im Netz, es kursieren Falschinformationen. Allgemeinmediziner Jörg Berling aus Adendorf (Landkreis Lüneburg) hat deshalb mit Freunden eine Social-Media-Kampagne ins Leben gerufen.

Politik hat den 66-Jährigen und seine sechs Mitstreiter von "Demokratie bewahren" immer schon interessiert. Die Freunde kennen sich seit 40 Jahren, haben bereits an der Hochschule gemeinsam Politik gemacht - gegen Rechts- und Linksextremismus.

Herr Berling, was ist "aufklären statt aufhetzen" für eine Kampagne? 

Jörg Berling: Das ist eine Kampagne mit dem Ziel, die Demokratie zu bewahren. Wir haben überlegt, irgendetwas für die jungen Leute zu tun. Wir wollten zum Beispiel Seminare und Fortbildungen zu Staatsbürgerkunde veranstalten, kamen aber schnell zu dem Ergebnis, dass heutzutage die jungen Leute nicht Seminare besuchen und sich eine Woche in Klausur begeben, wie wir das damals gemacht haben. Die jungen Leute sind in den sozialen Medien unterwegs. Da kennen wir uns nicht aus. Deswegen haben wir eine Agentur mit ins Boot geholt. Kurz vor Weihnachten, als klar war, dass die Bundestagswahl im Februar stattfindet, haben wir Geld in die Hand genommen und dieser Agentur den Auftrag gegeben, entsprechende Videobotschaften auf TikTok und Instagram, Facebook und YouTube zu setzen.  

Ein Foto von Jörg Berling.

Jörg Berling engagiert sich seit seiner Studienzeit gegen Extremismus.

Welche Botschaft haben Sie? Gegen welche Hetze gehen Sie vor?

Berling: Es geht viel um Migration. Es geht aber auch um das Misstrauen gegenüber unserer parlamentarischen Demokratie. Es geht um andere Themen, die im Moment von jungen Leuten auf Social Media falsch wahrgenommen werden durch gesteuerte Falschinformationen. Dadurch entsteht ein Misstrauen gegenüber unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dem wollen wir durch faktenbasierte Argumente entgegenwirken.

Können Sie ein Beispiel für die Hetze im Netz nennen, gegen die Sie angehen?

Berling: Eine populistische Forderung ist zum Beispiel "Alle Illegalen raus aus Deutschland". Und dann klären wir auf, dass das nicht so einfach ist. Da gibt es viele Fragen zu klären. Wer ist illegal eingewandert? Wer ist überhaupt ein Ausländer? Wer hat einen Asylantrag gestellt? Wer hat einen Duldungsanspruch und so weiter? Da muss man tief Einsteigen in die Migrationsdebatte.

Zum Post bei Instagram

Welches Format haben die Gegenposts - sind es Videos oder Texte? 

Berling: Wir lassen von der Agentur Videos drehen. Hier sind zehn bereits erschienen. Insgesamt werden elf vor der Bundestagswahl veröffentlicht. Die Inhalte geben wir vor, gesprochen werden sie von jungen Leuten, die die Agentur ausgesucht hat. Die Texte sind kurze Kernbotschaften, sozusagen eine Fastfood-Botschaft, die weniger als 30 bis maximal 70, 80 Sekunden dauert. Wer diese Informationen für ausreichend hält, kriegt die dann einen Tag später schriftlich auf Instagram oder TikTok, sodass er sagen kann: "Okay, ich hab' da was Gutes gehört. Und jetzt kann ich es nachlesen. Das will ich mal in meinem Freundeskreis verbreiten." Wer darüber hinaus aber an echten Hintergrundinformationen interessiert ist, der kann sich auf unsere Homepage ausführliche, manchmal sechs, sieben Seiten lange Hintergrundinformationen herunterladen. Die haben wir in Eigenarbeit ausgearbeitet und mit Quellen hinterlegt. Diese Texte liefern gute, differenzierte Informationen für die intellektuelle Argumentation.

Wie ist die Reichweite der Kampagne? Werden die Posts geklickt?   

Berling: Sie wird geklickt und verbreitet. Dafür nehmen wir auch Geld in die Hand für ein Werbebudget, wir zahlen einige Tausend Euro, damit die Videos weiterverbreitet werden. Wir hatten vorige Woche einen Stand von etwa einer halben Million Aufrufen. Heute waren es bereits mehr als eine Million. 

Wie viel Geld investieren Sie und Ihre Mitstreiter in "aufklären statt aufhetzen"? 

Berling: Wir haben das Ganze mit privatem Geld vorfinanziert. Die ganze Kampagne kostet knapp 30.000 Euro. Auf unserer Homepage gibt es auch einen Spendenbutton.

Das Interview führte Katrin Schwier.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Niedersachsen | Regional Lüneburg | 19.02.2025 | 15:00 Uhr