
Niedersachsen Handyverbot - für Schule als "Safe Space"
Die schwarz-rote Landesregierung in Hessen hat letzte Woche ihren Gesetzesentwurf für ein landesweites Handyverbot an Schulen auf den Weg gebracht. Eine landesweite Regelung ist in Niedersachsen nicht geplant.
Der hessische Vorstoß sorgt für Diskussionen - auch in Norddeutschland. Viele Schulen wünschen sich ähnlich klare Regeln zur Mediennutzung, statt ihre eigenen Konzepte zu entwickeln. NDR Kultur hat sich in Niedersachsen umgehört und war dafür unter anderem an einer Gesamtschule.
Tablets statt Mobilfunkgeräte im 12. Jahrgang der KGS Hemmingen
Englischunterricht im zwölften Jahrgang der KGS Hemmingen. Die Schüler*innen lösen Aufgaben an Tablets, die hier neuerdings zum Einsatz kommen. Gleichzeitig herrscht seit Beginn des Schuljahres ein konsequentes Handynutzungsverbot.
Eine Umstellung, die nicht allen gefällt. "Das ist jetzt schon relativ streng. Also wenn man das Handy rausholt, dann wird es einem eigentlich schon direkt abgenommen", sagt eine Schülerin. "Ich finde, für die Oberstufe sollte das freigestellt sein, ob man sein Handy benutzt oder nicht, weil ich glaube, dann ist man alt genug, um das selber zu entscheiden", gibt ein Mitschüler zu bedenken.

In der Oberstufe setzt die Gesamtschule auf die Nutzung von Tablets, statt auf Smartphones.
Schulleiter: "Es gibt keinen Grund, Handy in der Schule zu benutzen"
Für Schulleiter Gregor Ceylan war die neue Regelung ein notwendiger Schritt. "Wir haben festgestellt, dass die Kinder, wenn wir in den Pausenhof gucken, zwar im Kreis zusammenstehen oder über das Schulgelände laufen, aber eben immer nur auf ihr Handy gucken. Die ganze Zeit." Das habe das Kollegium ändern wollen und besprochen, die Handyzeit drastisch einschränken: "Denn es gibt eigentlich keinen Grund, sein Handy bei uns in der Schule zu benutzen", so Ceylan.
An der Schule gilt: Gleiche Regeln für alle, Ausnahmen nur im dringenden Notfall. Andere Schulen erlauben die Nutzung in den Pausen oder in "Handyzonen". Jede Schule macht ihr eigenes Konzept, das mit Schülervertretung, Eltern und Lehrkräften abgestimmt werden muss. Das kostet Zeit und Energie. Eine landesweite Regelung, oder zumindest ein entsprechender Gesetzesentwurf, wie ihn Hessen gerade vorgelegt hat, ist in Niedersachsen nicht geplant.
Kultusministerin Julia Willie Hamburg: "Halte wenig von landesweitem Verbot"
Kultusministerin Julia Willie Hamburg beruft sich auf die niedersächsische Schulautonomie: "Ich halte wenig von einem landesweiten Verbot. Denn erfahrungsgemäß werden Regeln am besten eingehalten, wenn sie miteinander entwickelt werden und wenn sie dann auch durch alle getragen werden."

Die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg sagt zur Handynutzung an Schulen in Niedersachsen: "Ich halte wenig von einem landesweitem Verbot".
Handynutzungsverbot versus Handyverbot
Doch den Schulen fehle es an Sicherheit, wenn sie ihre eigenen Handykonzepte entwickeln, sagt Schulleiter Ceylan. "Wir kommen da an rechtliche Grenzen. 'Handy-Nutzungsverbot' und 'Handyverbot' sind unterschiedliche Dinge, das ist völlig klar, dass wir kein Handyverbot aussprechen dürfen. Schulen würden sich sehr unterstützt fühlen, wenn es tatsächlich landesweite Regelungen geben würde."
Silke Müller: Strafen für Eltern, die jungen Kindern Smartphone mitgeben
Silke Müller ist ebenfalls Schulleiterin in Niedersachsen, gleichzeitig Digitalbotschafterin des Landes und Expertin für die Gefahren von Social Media. Auch sie ist für zentrale Regelungen, die Schulen entlasten würden. "Es geht nicht um das technische Gerät. Es geht am Ende um die Inhalte, nach denen die Kinder nicht immer suchen, sondern algorithmisch bedingt finden grausame Inhalte auch die Kinder. Sie erleben Tierquälerei, härteste Pornografie, sie erleben Gewaltszenen. Um Kindern wirklich eine Sicherheit im Netz zu ermöglichen, braucht es staatliche Vorgaben."
Wenn es nach Silke Müller ginge, bräuchte es für jüngere Kinder noch viel strengere Regeln, als ein Handyverbot an der Schule. "Ich meine, dass Eltern, die ihrem Kind in der Grundschule ein Smartphone geben, bestraft werden sollten, und zwar ziemlich hoch. Ich glaube, wir brauchen wirklich Richtlinien, nach denen man sich richten und orientieren kann, für die man auch sanktioniert werden kann, wenn man sich nicht daran hält."

Silke Müller ist Schulleiterin und digitale Botschafterin des Landes Niedersachsen.
Die Schulen nehmen ihre Verantwortung ernst - können den Schutz der Kinder aber nicht alleine stemmen, sagt Schulleiter Ceylan: "Wir dürfen unseren Einfluss nicht überschätzen, wir dürfen uns aber auch nicht überfordern." Etwa würde die Schule ein Kind, das zu Hause seit dem sechsten Lebensjahr ein Handy besitze und die ganze Nacht durchzocken dürfe, nicht "umkrempeln" können. "Wir können aber Impulse setzen und vielleicht trägt das Früchte."
Das Handyverbot ist also eine Art Notlösung: Schule als "Safe Space", in dem die Kinder eine dringend nötige Pause vom Handy bekommen.
Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur | Der Morgen | 31.03.2025 | 07:20 Uhr