Das Ehepaar Ruth und Hans Stasch im Urlaub in den Bergen

Niedersachsen Jahrhundertliebe: Die Geschichte von Ruth und Hans Stasch

Stand: 09.06.2025 00:00 Uhr

Bei Ruth und Hans Stasch aus Wilhelmshaven funkt es im Strumpfhaus. Sie heiraten Mitte der 1950er-Jahre. Ihr Erfolgsrezept für ihre Jahrhundertliebe: "Liebe, Lachen und das Leben nicht so ernst nehmen."

Von Stefanie Grossmann und Heike Schieder

Als Hans Stasch seine zukünftige Frau Ruth das erste Mal sieht, steht sie nach Ladenschluss im Schaufenster von "Strumpfhaus Elisabeth" in Wilhelmshaven und dekoriert die Auslage. Er ist so fasziniert von der jungen Frau, dass er wartet, bis sie Feierabend hat und sie dann bittet, mit ihr auszugehen. Es ist der Beginn ihrer Jahrhundertliebe. Die ersten Briefe von Hans hat Ruth alle aufgehoben, sie hütet sie wie einen Schatz.

Und jede Woche gibt es einen Blumenstrauß, seit fast 69 Jahren. Ihr Kalender ist noch immer proppenvoll: Sie unternehmen Reisen, spielen Boule oder singen im Shantychor. Langweile kommt nie auf. "Und wir sprechen regelmäßig über unsere Gedanken und Gefühle", erzählt das Paar dem NDR in der Dokumentation "Jahrhundertliebe". Nur so könne eine Beziehung funktionieren.

Weitere Paare der "Jahrhundertliebe" vom 9. Juni 2025:

Ruth Stasch: Züchtigung mit dem Feuerhaken

Ruth Stasch wird am 2. April 1933 in Bad Salzuflen geboren. Sie wächst halbwegs geborgen mit zwei Schwestern und einem Bruder auf. Da ihr Vater Polizist in Wilhelmshaven ist, führen die Eltern eine Wochenendehe. Vom Zweiten Weltkrieg bleibt die Familie weitgehend verschont, sie erlebt keinen Hunger. Auch weil die Familie auf dem Land das anbaut, was sie zum Leben braucht. Aber Ruth erlebt auch eine strenge Kindheit, ihre Mutter züchtigt die Tochter mit einem Schürhaken. Nach Kriegsende zieht die Familie zum Vater um. Ruth wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen. Vergeblich.

Hans Stasch: Ständiger Schulwechsel und kein Zuhause

Johann, genannt Hans, Stasch kommt am 25. November 1931 in Brzezinka (deutsch Birkenau), im heutigen Polen, auf die Welt. Als er fünf Jahre alt ist, wird die Familie nach Emden umgesiedelt. Nach den ersten Bombenangriffe auf die Stadt im Juli 1940, werden der achtjährige Hans und seine beiden Brüder ins Vogtland verschickt. Er wächst getrennt von den Eltern auf, seine Brüder sieht er nur an den Wochenenden. 1944 kehrt die Familie nach Kattowitz zurück. Mit 13 Jahren hat Hans Stasch zehn verschiedene Volksschulen besucht und noch kein richtiges Zuhause gehabt.

Hans Stasch (rechts unten) im Jahr 1939 in Emden.

Hans Stasch (rechts unten) ist als Kind häufig von seinen Eltern getrennt. Das Foto zeigt ihn unter seinen Freunden in Emden.

Anfang 1945: Flucht vor der Roten Armee

Anfang 1945 muss die Familie wieder fliehen, vor der Roten Armee. Hans muss Schreckliches mitansehen: Er erlebt hautnah, wie Überlebende aus Auschwitz auf der Flucht an Schwäche elendig sterben und zum Teil erschossen werden. Im April 1945 muss er wegen des Krieges die Schule verlassen. Das bedauert er bis heute, denn er sei ja noch lange nicht fertig gewesen, beschreibt er die damalige Situation. Schließlich fängt er an, bei einem Bauern zu arbeiten. Sein Neuanfang in Wilhelmshaven.

Es funkt im Wilhelmshavener Strumpfhaus "Elisabeth"

Aller Anfang in Hans' Leben ist schwer, doch die Fortsetzung ist umso schöner, als er Ruth trifft. Sie arbeitet im Strumpfhaus "Elisabeth" in der Marktstraße. Am Abend dekoriert sie die Schaufenster, Blick geschützt hinter einem weißen Tuch. Doch Johann nimmt das Tuch weg, sieht Ruth. Ein erster Blickkontakt. Hans wartet, bis Ruth herauskommt. Er spricht sie an und lädt sie ins Kino ein. Ruth gefallen seine pechschwarzen Haare: "Er sah so toll aus", schwärmt sie in der Rückschau. "Ich habe mich in ihn verliebt." Und Hans grinst: "Es gab nichts Besseres."

Ruth Stasch als junge Frau im Schaufenster des Strumpfhauses "Elisabeth" in Wilhelmshaven

Ruth Stasch arbeitet als junge Frau im Strumpfhaus "Elisabeth" in Wilhelmshaven.

Stehlampe und Fahrrad als Mitgift

Nach dem Kino bringt Hans Ruth nach Hause. Ein erster Kuss im Hauseingang. Näher kommen sie sich im Bombentrichter, damals ein beliebter Treffpunkt für junge Paare. Die Beziehung gestaltet sich anfangs nicht einfach, Hans' Mutter ist eine strenge Katholikin und gegen die Beziehung. Denn Ruth ist Protestantin. Ein Jahr später verloben sie sich dennoch und schließlich heiraten sie 1956. Eigentlich möchten die beiden gar nicht vor den Traualtar, aber sie müssen. Ruth ist schwanger. Ihr Trauspruch: "Da wo du hingehst, da will auch ich sein." Die Mitgift ist spärlich: Stehlampe und Fahrrad bringt Ruth mit in die Ehe. "Ich habe sie trotzdem genommen", erzählt Hans schmunzelnd.

Ruth und Hans Stasch auf ihrer Hochzeit 1956

Ruth und Hans Stasch heiraten 1956, auch weil das erste Kind unterwegs ist.

Die junge Familie Stasch ist häufig getrennt

Drei Monate nach der Hochzeit kommt das erste Kind auf die Welt: Sohn Uwe. Das Baby wird erstmal bei den Großeltern "geparkt". Denn Ruth und Uwe gehen auf Hochzeitsreise, mit dem Motorrad den Rhein entlang. Das Paar bekommt noch zwei Kinder: Andreas und Martina. Ruth bleibt bei den Kindern. Sie will es anders machen als ihre Mutter und erzieht ihre drei Kinder sehr liebevoll. Hans ist mittlerweile als Schlosser für Förderanlagen in ganz Deutschland unterwegs. Keine leichte Zeit für die junge Familie. Hans bleibt bis zu acht Wochen weg. Ruth leidet sehr darunter. Sonntags sitzt sie allein am Frühstückstisch mit den Kindern. Auch sie vermissen den Vater schmerzlich. Hans geht daraufhin nicht mehr auf Montage, er verdient zwar nur halb so viel, ist dafür aber bei der Familie.

Hans Stasch mit seinem Sohn Uwe

Seltene Momente des Glücks: Hans Stasch mit dem Erstgeborenen Uwe. Da der Vater auf Montage arbeitet, sehen ihn die Kinder selten.

Kinder und Enkel wohnen in der näheren Umgebung

1974 erfüllt sich das Paar den Traum vom eigenen Haus im Wilhelmshavener Stadtteil Rüstersiel. Die Familie ist beiden immer das Wichtigste. Dafür haben Ruth und Hans Stasch immer alles getan. Bis heute leben ihre beiden Söhne und ihre Tochter im Umkreis von wenigen Kilometern. "Wenn ich sie eine Woche mal nicht gesehen habe, fühle ich mich krank", sagt Ruth. Auch die sechs Enkel wohnen alle nicht weit entfernt.

Gemeinsame Erlebnisse sind das Geheimnis ihrer Liebe

Neben der Familie verbindet Ruth und Hans Stasch der Sport. Beide sind ihr Leben lang in Sportvereinen aktiv. Beim Boulespielen in Rüstersiel sind sie mit 92 und 93 Jahren die Ältesten, aber noch voll dabei. Der Mittwochnachmittag von 14 bis 16 Uhr ist ein fester Termin im Kalender. Und in der Pause gibt es ein Gläschen Rotwein. Auch zu zweit sind sie gerne draußen. Der Hafen von Rüstersiel ist ihr Lieblingsort, dort sprechen sie regelmäßig über ihre Gedanken und Gefühle. Sie haben sich immer etwas zu erzählen, Langweile kommt nie auf. Miteinander sprechen und dem anderen zuhören, nur so kann eine Beziehung wirklich funktionieren, sind sie überzeugt. Sie sind zufrieden mit ihrem Leben und würden alles wieder genauso machen.

Ruth (92) und Johann „Hans“ Stasch (94) sind seit 69 Jahren verheiratet.

"Liebe, Lachen und das Leben nicht so ernst nehmen": Das Erfolgsrezept für die lange Ehe von Ruth und Hans Stasch.

Bis heute planen sie gemeinsame Erlebnisse - die seien vielleicht das Geheimnis ihrer langen Liebe. Und Humor: "Dass er so eine Frau bekommen hat, da hat er wohl Glück gehabt", erzählt Ruth lachend. "Wehe, Du sagst etwas anderes", fügt sie noch hinzu.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | 09.06.2025 | 18:00 Uhr