
Nach Abifeier in Bad Oeynhausen Neun Jahre Jugendstrafe für tödliche Prügelattacke
Philippos Tsanis wurde im Sommer 2024 im Park von Bad Oeynhausen nach einer Abifeier zu Tode geprügelt. Das Landgericht Bielefeld hat am Freitag einen 19-Jährigen zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt.
Das Gericht verurteilte ihn unter anderem wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung. Außerdem wurde der 19-Jährige wegen besonders schweren Diebstahls verurteilt.
Ein Urteil könne niemals Schmerzlinderung bringen, sagte der Vorsitzende Richter Carsten Glashörster am Freitag in Richtung der Angehörigen. Der Angeklagte nahm das Urteil und die gut einstündige Begründung weitgehend reglos auf - mal bewegte er den Kopf, mal schaute er nach unten.
Das Bielefelder Landgericht sah es als erwiesen an, dass der heute 19-Jährige im Juni vergangenen Jahres Philippos Tsanis angegriffen, zu Fall gebracht und auf ihn eingetreten hat. Sowohl der Sturz als auch die Tritte könnten zum Tod geführt haben.
Tat geschah am Rande eines Abiballs
Die Tat hatte sich im Kurpark in Bad Oeynhausen ereignet. Philippos hatte in der Nähe den Abiball seiner kleinen Schwester gefeiert.

Das Urteil fiel am Freitagmittag
Der Richter sagte in seiner Urteilsbegründung, der Täter habe beobachtet, wie Philippos und zwei Freunde Kokain konsumiert hatten. Weil er etwas abhaben wollte, habe er Philippos angegriffen, so das Gericht.
Mit dem Knie gegen den Kopf getreten
Es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen. Philippos sei zurückgewichen. Der Angeklagte sei ihm gefolgt und habe zumindest versucht, ihn zu schlagen oder auf ihn einzutreten.
Ob Philippos gestolpert oder zu Fall gebracht worden ist, sei nicht eindeutig zu klären, sagte der Vorsitzende Richter. Dabei habe sich Philippos aber einen Schädelbruch zugezogen.
Als Philippos am Boden war, habe er abwehrend die Hand gehoben. Der Angeklagte habe dann aber mit dem Knie auf den Kopf gestoßen. Dies habe zu einem weiteren Schädelbruch geführt. Der Richter sagte: Wer auf eine derart hilflose Person eintrete, habe einen bedingten Tötungsvorsatz.
Bundesweite Schlagzeilen
Der gewaltsame Tod von Philippos Tsanis hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Er hatte großes Entsetzen und eine Debatte über Zuwanderung und Abschiebung von ausländischen Straftätern ausgelöst. Denn der Täter ist Syrer und kam als Flüchtling nach Deutschland.

Der Prozess begann im Dezember
Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Raubes mit Todesfolge und wegen versuchten Mordes neun Jahre Jugendstrafe gefordert. Die Verteidigung hatte dagegen beantragt, von einer Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts abzusehen und lediglich eine Verwarnung auszusprechen.
Der Prozess war geprägt von Zeugen, die nicht oder nur zögerlich die Wahrheit sagten. Die Aussagen insbesondere eines Zeugen erschienen dem Gericht aber glaubwürdig. Auch Videos, die später auftauchten, stützten die Annahme des Gerichts, dass nur der Täter auf Philippos eingetreten haben kann.
Keine Einsicht - Urteil nah an der Höchststrafe
Grundsätzlich wollte das Gericht eine so hohe Strafe vermeiden. Der Vorsitzende Richter Carsten Glashörster betonte, dass der Angeklagte immer wieder seine Versionen von der Tatnacht angepasst habe. Hätte sich der Angeklagte zu seinen Taten geäußert, wäre eine geringere Strafe möglich gewesen.
Der Richter sagte, man habe bei dem 19 Jahre alte Syrer Jugendstrafrecht angewandt. Es gebe Reifeverzögerungen, der Angeklagte habe Fluchterfahrungen durchgemacht, sei mit zehn Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen.
Auch der Wechsel nach Bad Oeynhausen im Oktober 2023 sei nicht leicht gewesen. Er habe allerdings in Deutschland bereits kleinere Straftaten begangen.
Verteidiger kündigen Revision an
Eine Revision gegen das Urteil ist innerhalb von einer Woche möglich, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. "Es ist rechtsstaatlich ein Alptraum, wenn man dafür den Falschen verurteilt. Man habe im Zweifel gegen den Angeklagten geurteilt", sagte einer der Verteidiger, Burkhard Benecken. Mit einer Revision habe man eine realistische Chance, dass das Urteil aufgehoben werde.

Die Mutter des getöteten Philippos
Philippos' Mutter Joanna Steinmann Glogowski war Nebenklägerin im Prozess. Sie hofft jetzt, dass der Täter auch nach der Haftstrafe nicht mehr Teil der Gesellschaft wird. Philippos' Mutter hatte für eine gerechte Strafe plädiert - ohne ein Strafmaß zu nennen.
Ich bin mit dem Urteil zufrieden, ich habe dem Tag entgegengefiebert.
Joanna Steinmann Glogowski, Mutter des getöteten Philippos
Mutter verarbeitet Geschehen in Buch
Joanna Steinmann Glogowski war an jedem Verhandlungstag im Gerichtssaal. Für sie ist jetzt ein Schlusspunkt erreicht. Sie verarbeitet die Tat unter anderem, indem sie ein Buch schreibt.
Auszüge liegen dem WDR vor. "Immer wieder kehren die Bilder und Erinnerungen jeder schrecklichen Nacht im Juni zurück", schreibt sie darin. Ihre Familie müsse damit leben, "dass uns das Liebste genommen wurde - unwiederbringlich."
Vater: "Endlich haben wir Gerechtigkeit"

Die Eltern des getöteten Philippos Tsanis
Philippos' Vater Dimitris Tsanis, ebenfalls Nebenkläger, sagte: "Endlich haben wir Gerechtigkeit für unseren Sohn." Er und weitere Angehörige trugen T-Shirts mit der Aufschrift: "Philippos Tsanis Unvergessen".
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter vor Ort
- Landgericht Bielefeld
- Staatsanwalt Christoph Mackel
- Strafverteidiger Burkhard Benecken
- Richter Carsten Glashörster
- Joanna Steinmann Glogowski, Mutter von Philippos Tsanis
Korrekturhinweis:
In einer vorigen Version hatten wir geschrieben, dass die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Totschlags beantragt habe. Richtig ist: Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung wegen Raubes mit Todesfolge und versuchten Mordes gefordert. Wir haben dies korrigiert.