
Nordrhein-Westfalen Gewalt gegen Frauen: Rechtsanspruch auf Schutz kommt
Das Gewalthilfegesetz hat im Januar den Bundestag passiert. Jetzt hat auch der Bundesrat zugestimmt.
Die Länderkammer in Berlin hat dem sogenannten Gewaltschutzgesetz zugestimmt. Es war ein langer Prozess, den einige als "zäh" und "holprig" beschreiben: der Weg hin zu einem Gesetz, das Frauen besser vor Gewalt schützen soll. Jahrelang hat es Verhandlungen dazu gegeben, teilweise sollen die schwierig gewesen sein. Denn mit einem Rechtsanspruch auf Schutz gegen Gewalt gehen auch Pflichten einher – und Kosten.
Doch es sei wichtig, etwas zu tun, sagte Lisa Paus in ihrer Bundestagsrede Ende Januar. Als zuständige Ministerin wies sie darauf hin, dass jede dritte Frau mindestens einmal im Leben Opfer von physischer oder sexueller Gewalt werde. 2023 seien 360 Frauen und Mädchen Opfer von Femiziden geworden. Und viele Frauen, die Schutz im Frauenhaus suchten, würden abgewiesen, weil die Plätze begrenzt seien. Nach der Entscheidung im Bundesrat sagte Ministerin Paus, das sei ein "historischer Moment".
Das soll das Gesetz bringen
Mit einem Rechtsanspruch sollen Frauen, die Gewalt erleben, das Recht auf Beratung und Schutz haben, etwa in einem Frauenhaus. Dieser Rechtsanspruch soll ab 2032 greifen, bis dahin sollen aber bereits die Strukturen dafür aufgebaut werden. Das wiederum müssen die Länder erledigen. Finanzielle Unterstützung stellt der Bund in Aussicht, insgesamt 2,6 Milliarden Euro sollen bereitstehen.
Der Bundestag hat das Gesetz Ende Januar verabschiedet und damit bei einigen große Euphorie ausgelöst: Der Deutsche Frauenrat sprach von einer "Sternstunde", Betreiberinnen von Frauenhäusern von einem "Meilenstein". Eigentlich sollte das Gesetz erst im März seinen Weg auf die Tagesordnung der Länderkammer finden, doch dann wurde darum gerungen, noch diesen Freitag darüber abzustimmen. Was für einige Nervosiät sorgte: Wäre es vor der Bundestagswahl nicht mehr auf die Tagesordnung gekommen, hätte das mindestens für Verzögerung gesorgt.
So ist die Situation in NRW
Schätzungen zufolge fehlen in NRW rund 1.200 Frauenhausplätze. Das zuständige grün geführte Ministerium für Gleichstellung begrüßt das "ambitionierte und umfassende Gesetzesvorhaben" in einer Stellungnahme. Konkret werde das Land dann eine Analyse erstellen, um zu ermitteln, wie groß der Bedarf ist und welche Strukturen noch aufgebaut werden müssen.
Bisher müssen Frauen, die Schutz vor Gewalt suchen, für den Platz im Frauenhaus zahlen, sofern sie ein geregeltes Einkommen haben. Auch müssen z.B. Auszubildende, Rentnerinnen oder Asylbewerberinnen die Kosten selbst tragen, berichtet Iris Pallmann vom Paritätischen. Können Frauen das Geld nicht aufbringen, springen oft die Häuser selbst mit Spendengeldern ein. Die öffentliche Förderung reiche oft nicht aus, alle Kosten zu decken.
Das Land fördert derzeit 70 Frauenhäuser mit insgesamt 708 Schutzplätzen für Frauen und bis zu 752 Kinderplätzen. Die Plätze seien in den vergangenen Jahren gestiegen, weil Frauenhäuser in das Förderprogramm aufgenommen wurden, so das Ministerium. Den konkreten Bedarf, auch was die regionale Verteilung angeht, will das Ministerium prüfen, wenn das Gesetz durch ist.
Geht es ums Geld, bleibt jedoch eine Frage: Reichen die 2,6 Milliarden Euro aus, die der Bund langfristig bereitstellen will, um eine neue Struktur aufzubauen? Ab 2027 soll das Geld fließen, wie viel NRW bekommen soll, ist noch nicht klar.
Auch im Landtag wird debattiert
Im Landtag wird derweil über einen SPD-Antrag debattiert und in mehreren Ausschüssen darüber abgestimmt. Der Antrag fordert die Landesregierung zunächst einmal dazu auf, für das Gewalthilfegesetz zu stimmen. Außerdem solle der angekündigte Landesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention erarbeitet werden. Dazu werden mehrere Punkte aufgeführt. An genau diesem Plan arbeite das Ministerium bereits, darauf verweisen u.a. die Grünen.
In zwei Ausschüssen wurde der Antrag nun abgelehnt, obwohl sich die Fraktionen in der Sache einig sind. Dringendes Handeln sei gefragt, so die FDP, doch solle man sich nicht in kleinteiligen Konzepten verlieren. Genau wie die FDP enthielt sich auch die AfD. Sie unterstütze den Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt ausdrücklich. Die "geforderte flächendeckende Umsetzung der Istanbul-Konvention und die Finanzierung weiterer Präventions- und Sensibilisierungsmaßnahmen" gingen aber über das notwendige Maß hinaus.
Bei CDU und Grünen setzt man ganz auf das Gewalthilfegesetz, das jetzt den Bundesrat passiert hat.
Unsere Quellen:
- Gesetzesvorhaben, Bundestagsreden
- Statement Gleichstellungsministerium
- Statements der Landtagsfraktionen
- Gesundheits- und Innenausschuss
- Interviews mit Verbänden
- dpa
- Eigene Recherchen