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Nordrhein-Westfalen Überdosis als Mutprobe? Warnung vor Paracetamol-Challenge auf TikTok
Pharma-Experten warnen derzeit vor einer "Paracetamol-Challenge" bei TikTok. Dabei schluckten User absichtlich eine Überdosis der Schmerztabletten - und dokumentierten das. Die Plattform selbst sieht dafür keine Beweise.
Der Verband Pharma Deutschland warnt in einer Pressemitteilung eindringlich vor einer gefährlichen TikTok-Challenge, bei der angeblich Jugendliche überdurchschnittlich hohe Mengen des Medikaments Paracetamol zu sich nehmen und dies in Sozialen Medien dokumentieren. Ziel des Ganzen laut Verband: "eine möglichst hohe Dosis zu überleben."
Die Schmerztabletten sind in der Regel gut verträglich, doch in hohen Dosen könne das Medikament die Leber irreparabel schädigen und sogar zum Tod führen. Die Gefahr bestehe auch darin, dass erst ein bis zwei Tage nach einer Überdosierung des Arzneimittels Beschwerden aufträten, die auf eine Leberschädigung hinwiesen. Dann könne es für die Anwendung eines Gegenmittels bereits zu spät sein.
TikTok: "Keine Beweise für Challenge"
Die Plattform selber allerdings sagt auf WDR-Anfrage, dass TikTok keine Beweise für eine solche Paracetamol-Challenge gefunden habe und teilt mit: "Wir nehmen die Sicherheit unserer Community sehr ernst, jedoch haben die Sicherheitsexpert*innen von TikTok die mutmaßliche Challenge nicht gefunden."
Pharma-Verband: "Wir rücken davon nicht ab"
Hannes Hönemann, Sprecher des Verbands Pharma Deutschland, berichtet hingegen, dass er selbst solche Videos gesehen habe. "Ich streite mich mit TikTok nicht darum, ob das nun eine Challenge ist oder ein Trend, aber es deutet auf eine Mutprobe hin. Leute geben damit an, wie viel Paracetamol sie eingenommen haben." Auch wenn es keinen Paracetamol-Hashtags gebe, sei die Gefahr doch da. "Wir wollen davor warnen und rücken davon auch nicht ab." Dass eine Plattform wie TikTok jetzt so reagiere, wundere ihn nicht.
Essener Apothekerin: "Lasst den Mist sein"

Warnt per Tik Tok: Apothekerin Janet Olgenmöller
Auch Apothekerin Janet Olgemöller aus Essen hat auf die Nachricht reagiert: Sie veröffentlichte auf TikTok sofort selbst ein Video, in dem sie nicht nur vor der lebensbedrohlichen Challenge warnt, sondern auch Klartext mit den Teilnehmern redet: "Seid ihr noch ganz dicht?"
Die Filialleiterin macht seit drei Jahren Videos zu sämtlichen Gesundheitsthemen. Doch als sie über Warnvideos anderer Apotheken von der Challenge hörte, musste sie sofort reagieren. "Wir müssen wachrütteln. Ei Dutzi hilft da nicht."
Seid ihr noch ganz dicht
Apothekerin Janet Olgemöller
Und so hat sie am Ende des Videos auch noch eine wichtige Botschaft für potenzielle Nachahmer: Der Tod nach eine Paracetamolvergiftung sei weder schnell noch angenehm. "Er zieht sich qualvoll über Tage hin. Wenn ihr also noch alle Latten am Zaun habt, dann lasst den Mist sein." Im Gespräch mit dem WDR wird sie dann noch deutlicher: Sei die Leber einmal irreparabel geschädigt, helfe nur noch eine Spenderleber. "Oder Sie krepieren innerhalb von fünf Tagen."
Wer bekommt was angezeigt?
Vor allem für junge Menschen ist der TikTok-Kanal immer häufiger die wichtigste Informationsquelle, gefolgt von Instagram und YouTube. Was ihnen allerdings angezeigt wird, basiert auf einem sehr effektiven Algorithmus, der Verhalten und Vorlieben der User berücksichtigt. Dabei wird analysiert, was sich Nutzer ansehen, was sie liken, kommentieren, teilen oder auch nicht beachten, indem sie Videos überspringen. Der Algorithmus entscheidet also letztendlich auch, welche Videos wann und auf welcher Position angezeigt werden.
Ein Umstand, den auch TikTok-Userin Janet Olgemöller kennt. Natürlich seien junge Leute nicht unbedingt ihre Zielgruppe. "Aber zumindest erreiche ich so Menschen in meinem Alter - also Eltern und Lehrer." Immerhin knapp 170.000 Aufrufe hat ihr Warn-Video bis dato.
Welche "Mutproben" gab es noch auf der Plattform?
In der Vergangenheit gab es auf TikTok immer wieder mal sogenannte "Herausforderungen". So hatte sich in Hessen eine 13-Jährige bei der Blackout-Challenge in ihrem Zimmer bis zur Bewusstlosigkeit selbst stranguliert und dabei mit dem Handy gefilmt.

Beitrag zu der Deodorant-Challenge auf einem Smartphone
Bei der "Hot Chip Challenge" ging es vor einiger Zeit darum, besonders scharfe Chips zu essen - Verbrennungen, Bauchschmerzen und Erbrechen waren oft die Folge. Bei einer Deo-Challenge sprühten sich Teenager solange Deo auf eine Hautstelle, wie sie es aushielten - Schmerzen und massive Hautschädigungen inklusive. Selbst das Bundesinstitut für Risikobewertung schickte daraufhin eine Warnung raus.
Einen schwer verletzten Schüler gab es kürzlich auch in NRW. Dort hatte ein Schüler die "Superman-Challenge" gemacht, bei der sich Jugendliche mit nach vorn gestreckten Armen in die Arme anderer stürzen, um dann wieder zurückgeworfen zu werden. Doch dabei kann viel schief gehen, berichten Chirurgen. Unterarm- und Handgelenkbrüche sind keine Seltenheit. Die Plattform TikTok reagierte. Wer in der EU nach den Superman-Videos suchte, bekam statt Filmchen einen Warnhinweis anzeigt. Auch Paracetamol-Challenge-Videos waren bei einer stichprobenartigen Suche nicht auffindbar.
Drang nach Aufmerksamkeit
Jugendliche haben schon immer Mutproben veranstaltet. Was sich allerdings ändert, ist, dass heutzutage Tausende andere Kinder über ihr Smartphone zusehen können. Der Drang nach Aufmerksamkeit ist dann häufig größer als die Angst.
Doch auch Influencer mit großer Reichweite greifen bei TikTok das Thema auf, um zu warnen - so wie der Kölner Rettungssanitäter Luis Teichmann, der auf TikTok 1,6 Millionen Follower hat. Unter seinem Warnaufruf haben etliche User kommentiert. Eine von ihnen schreibt: "Ich bin für eine Challenge, wer am längsten ehrenamtlich arbeiten kann oder was für die Allgemeinheit macht." Ein anderer kommentiert zur Paracetamol-Challenge: "Da kann man nur noch den Kopf schütteln."
Unsere Quellen:
Über dieses Thema berichtete der WDR am 08.02.2025 auch im Fernsehen, in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.