
Nordrhein-Westfalen Prozess gegen Aachener Hooligan: Alemannia-Trainer Backhaus wehrt sich
Wegen seiner mutmaßlichen Reaktion auf ein Gewaltvideo gibt es Kritik am Cheftrainer von Alemannia Aachen. Der fühlt sich im Stich gelassen.
Eigentlich sollte es in dem Prozess nur um einen gehen: Kevin P. Der 38-Jährige steht unter anderem wegen versuchten Totschlags vor Gericht. Doch schon vor Prozessbeginn war klar: Es geht um weitaus mehr als die kriminellen Machenschaften des szenebekannten Alemannia-Hooligan.
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hatten aufgedeckt, dass P. ein Video seiner Tat an den Aufsichtsratsvorsitzenden von Alemannia Aachen, Marcel Moberz, geschickt hatte. Und eben auch an den Cheftrainer des Drittligisten: Heiner Backhaus. Der soll mit den Worten "richtig so" auf das Gewaltvideo von P. reagiert haben. Heiner Backhaus bestreitet jedoch, das Gewaltvideo des Hooligans gesehen zu haben.
Backhaus zeigt sich bestürzt über Vorwürfe
Entsprechend groß war die mediale Aufmerksamkeit rund um die Aussage des Trainers an diesem Dienstag. Dem war sich auch Backhaus bewusst. Der zeigte sich vor Gericht sichtlich bestürzt über den Vorwurf und bekräftigte seine Wahrnehmung, lediglich auf den Begleittext des Videos reagiert zu haben.
In dem Begleittext hatte Kevin P. geschrieben, dass er sich um Gerechtigkeit kümmere. Dies habe Backhaus mit "richtig so" kommentiert, weil ihm Alemannia den Hooligan als sozial engagierten Mann vorgestellt habe.
Backhaus: "Wurde schlecht über Fanszene informiert"
P. und Backhaus hatten nach einer Essensausgabe für Obdachlose immer wieder auf verschiedenen Medien miteinander geschrieben und sich gegenseitigen Respekt für ihre Arbeit bekundet. Dabei habe Backhaus nach eigenen Aussagen nichts vom Engagement des Angeklagten in der Hooligan-Gruppierung, die inzwischen aus dem Stadion verbannt wurde, gewusst.

Cheftrainer Heiner Backhaus äußert sich nach Gerichtstermin vor Journalisten
Auch heute wiederholte der Trainer seinen Vorwurf, nach seinem Amtsantritt im September 2023 schlecht über die Fanszene informiert worden zu sein. Dabei legte er auch interne Streitigkeiten bei der Alemannia dazu offen, wie man mit der öffentlichen Berichterstattung rund um den Verein umgehen sollte. Das Verhältnis zum Aufsichtsratsvorsitzenden Marcel Moberz scheint zerrüttet.
Ob Backhaus Darstellungen der Wahrheit entsprechen oder nicht, kann auch nach seiner Aussage nicht endgültig geklärt werden. Fest zu stehen scheint, dass der Ruf des Vereins zum wiederholten Male öffentlich beschädigt ist. Ob die Aussagen des Trainers für weitere personelle Umbrüche am Tivoli sorgen werden, bleibt abzuwarten.
Aufsichtsratsvorsitzender lässt Amt ruhen
Aufsichtsratschef Marcel Moberz hatte bereits vor Prozessbeginn bekannt gegeben, sein Amt ruhen zu lassen. Ihm wird vorgeworfen, das Video nicht nur gesehen, sondern auch weiterverbreitet zu haben. Deshalb wurde bei einer Hausdurchsuchung am vergangenen Freitag sein Handy sichergestellt. Wörtlich habe Moberz laut Anklage zur gezeigten Gewalt geschrieben: "Ich hätte gerne gesehen, wie der weggeht, aber der ist wohl eher gerobbt."
Kevin P. gehörte zur Hooliganszene
Der 38-jährige Angeklagte, Kevin P., gehörte 14 Jahre lang zur Hooliganszene am Aachener Tivoli. Sein Geld verdiente er als Türsteher im Rotlichtmilieu. Dort soll er nicht nur den versuchten Totschlag begangen haben, sondern auch weitere Gewalttaten. Angeklagt ist er darüber hinaus wegen unerlaubten Waffenbesitzes und wegen des Handels mit mehr als drei Kilogramm Amphetamin.
Kevin P. war am ersten Verhandlungstag beim Verlesen seines Statements immer wieder die Stimme weggebrochen. Knapp zwei Stunden schilderte P. im Detail seine Lebensgeschichte. Es ging um die Drogensucht seiner Eltern, Gewaltexzesse, aber auch um seine Verbindungen zur Alemannia.
Der Prozess ist auf elf Verhandlungstage angesetzt.
Unsere Quellen:
- Landgericht Aachen
- Staatsanwaltschaft Aachen
- Reporter vor Ort