
Nordrhein-Westfalen Rahmedetalbrücke: Expertin soll unter Druck gesetzt worden sein
Die Brücke war längst marode, trotzdem soll es Versuche der Autobahn GmbH gegeben haben, sie noch über Jahre weiterzubetreiben. So schildert es eine Ingenieurin im NRW-Landtag.
Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) des Landtags hat eine Zeugin Einblicke in die Abläufe unmittelbar vor der Sperrung der Rahmedetalbrücke 2021 gegeben. Sie war auch bei einem Treffen im September 2021 dabei, in der Fehler der Behörden thematisiert wurden. Wie der WDR berichtet hatte, wurden Berechnungen zur Stabilität der Brücke offenbar nicht nach Vorschrift durchgeführt und Autobahn-Fahrspuren darauf falsch eingerichtet.
"Das ist kein normaler Vorgang"
Die promovierte Bauingenieurin arbeitete im Jahr 2021 bei der zuständigen Autobahn GmbH und zuvor beim Landesbetrieb Straßen.NRW. Sie schilderte am Freitag im Ausschuss, dass 2021 Druck auf sie ausgeübt wurde, die Restnutzungsdauer der Rahmedetalbrücke zu verlängern. Im Sommer 2021 war ihr schon bekannt, dass es enorme Schäden an der Rahmedetalbrücke gab.
Trotzdem gab es laut der Zeugin bei der Projektleitung für die A45 bei der Autobahn GmbH den starken Wunsch, die Restnutzungsdauer der Brücke zu verlängern - damit mehr Zeit für den Ersatzneubau bleibt. "Dass jemand bei mir drängt und verlangt: Du musst jetzt die Restnutzungsdauer verlängern, das ist kein normaler Vorgang", erklärte die Zeugin.
Doch zu dieser Verlängerung der Restnutzungsdauer kam es nicht: Weil es keine Berechnungen zur Stabilität der Brücke nach Nachrechnungsrichtlinie gab, wurde eine Sonderprüfung angeordnet. Unmittelbar nach dieser Sonderprüfung wurde die Rahmedetalbrücke am 02.12.2021 gesperrt, weil sie so kaputt war.
Die Zeugin schilderte, wie sie im Urlaub im Radio von der Sperrung erfuhr. "Ich war sehr froh, als ich das gehört habe, dass die Brücke gesperrt wurde", sagte die Ingenieurin, die Expertin für Stahlbetonbauteile ist.
SPD: "Glück, dass Genua nicht in NRW passiert ist"
"Wir können von Glück sagen, dass Genua nicht in NRW passiert ist", teilte der Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss, Gordan Dudas, nach der Befragung mit. 2018 war die Morandi-Brücke in der italienischen Stadt Genua eingestürzt, im laufenden Verkehrsbetrieb. Damals kamen 43 Menschen ums Leben.
"Die Defizite der Brücke wurden bereits zu Beginn des letzten Jahrzehnts identifiziert, ein Neubau schon 2014 beschlossen. Warum wurde er also verschoben?", fragte Dudas. "Wie der PUA erst in dieser Woche herausgearbeitet hat, soll der damalige Verkehrsminister Wüst über die Verschiebungen informiert gewesen sein. Das hatte die Landesregierung bisher immer anders dargestellt und die Verantwortung auf die rein fachliche Ebene geschoben", meinte der SPD-Mann.
CDU: Infos haben Wüst gar nicht erreicht
CDU-Obmann Jörg Geerlings dagegen blieb nach der Zeugenvernehmung dabei: Die Diskussionen zum Zustand der Brücke hätten "auf der Fachebene" stattgefunden. "Ich glaube, dass das den Minister gar nicht erreicht hat", sagte er. Hendrik Wüst (CDU) war von Juni 2017 bis Oktober 2021 NRW-Verkehrsminister, seitdem ist er Ministerpräsident. Er soll am 07. Juli im Ausschuss als Zeuge gehört werden.
FDP-Obmann Christof Rasche nannte das Vorgehen bei Straßen.NRW und im NRW-Verkehrsministerium ein "organisatorisches Versagen, von vorne bis hinten". Es sei ein "enormes Versäumnis", dass das Planungsverfahren für einen Ersatzneubau der Rahmedetalbrücke in der Amtszeit von Hendrik Wüst "nicht vorangetrieben" worden sei.
Unsere Quellen:
- Aussagen im Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag
- Interview Christof Rasche
- Mitteilung Gordan Dudas
- Interview Jörg Geerlings
- eigene Recherche
Über dieses Thema berichtet der WDR auch im Hörfunk: Um 13:31 Uhr in der Lokalzeit auf WDR2.