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Nordrhein-Westfalen Sorge im Aachener Grenzgebiet: Belgien will Atomkraft ausbauen
Die neue belgische Regierung macht den Atomausstieg rückgängig. Mit Folgen auch für das umstrittene Kraftwerk Tihange.
Die neue belgische Regierung hat angekündigt, den Atomausstieg rückgängig zu machen. Der Regierungschef, Rechtsnationalist Bart De Wever, kündigte an, stärker auf Atomkraft zu setzen. Neue Reaktoren sollen gebaut und die Laufzeit der bestehenden Kraftwerke mit einer Kapazität von acht Gigawatt verlängert werden.
Eine Entscheidung, die viele Menschen in der Aachener Grenzregion besorgt. Denn damit würden auch die Reaktoren Doel 4 und Tihange 3 länger am Netz bleiben. Die Vorgängerregierung hatte die Laufzeit der beiden Reaktoren schon einmal verlängert, sie sollten aber Ende 2025 abgeschaltet werden. Tihange liegt bei Lüttich und nur knapp 60 Kilometer Luftlinie von Aachen entfernt.
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Jörg Schellenberg
"Die Entscheidung ist hochriskant", sagt Jörg Schellenberg vom Aachener Aktionsbündnis gegen Atomkraft. Die Reaktoren seien nur für eine Laufzeit von 30 Jahren ausgelegt. Sie darüber hinaus am Netz zu lassen, gefährde die Gesundheit der Menschen im Aachener Raum.
Auch die meisten Menschen, die wir am Mittwoch auf der Straße in Aachen auf die belgischen Atompläne ansprechen, äußern sich kritisch. Eine Passantin meint: "Ich verstehe die Welt nicht mehr. Das war eigentlich abgeschlossen. Dass man da wieder zurück rudert."
Massenproteste im Aachener Raum gegen Tihange und Doel
Die Reaktoren in Tihange und Doel waren immer wieder wegen Pannen und Mängeln in die Schlagzeilen geraten. Über viele Jahre wuchs im Aachener Raum der Widerstand gegen die störanfälligen Atommeiler Tihange 2 und Doel 3.
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Protest "Kettenreaktion" gegen belgischen Atommeiler
2017 forderten Deutsche, Niederländer und Belgier unter dem Motto "Kettenreaktion Tihange" mit einer riesigen Menschenkette die Abschaltung von zwei Reaktoren. Die Demo reichte vom AKW Tihange bis nach Aachen.
Abschaltung besonders umstrittener Reaktoren
Am 31. Januar 2023 wurde der besonders umstrittene Reaktor Tihange 2 endgültig abgeschaltet. Das wurde im Aachener Raum mit großer Erleichterung aufgenommen. Umso größer ist jetzt die Enttäuschung, dass die Laufzeit der Reaktoren Tihange 3 und Doel 4 um weitere zehn Jahre verlängert werden soll.
"Das ist eine Methusalem-Technologie", sagt Atomkraftgegner Jörg Schellenberg. Er meint, dass die Reaktoren völlig veraltet sind und deshalb trotz einiger Modernisierungen der Anlagen kaum mehr sicher betrieben werden können.
Neue Kernkaftwerke geplant
Mit ihrer Ankündigung, neue Kraftwerke bauen zu lassen, liegt die neue belgische Regierung im Trend. Europaweit ist die Atomkraft wieder auf dem Vormarsch - wegen der Energiekrise durch den Ukrainekrieg und der Klimaziele. In Frankreich und Schweden sollen neue Anlagen gebaut werden. Und auch Italien will erstmals seit Jahrzehnten wieder ein eigenes Kernkraftwerk bauen.
Unsere Quellen:
- dpa
- Aachener Aktionsbündnis gegen Atomkraft
- Straßenumfrage