Eine Polizistin zielt mit einem neuen Taser.

Nordrhein-Westfalen Taser für die Bundespolizei: Welche Erfahrung hat NRW damit gemacht?

Stand: 08.06.2025 17:11 Uhr

Bundesinnenminister Dobrindt will künftig Taser für alle Bundespolizisten. Sie sollen sich mit den Elektroschockgeräten gegen zunehmende Angriffe wehren. Doch das Tasern ist umstritten. Auch in NRW hat man unterschiedliche Erfahrungen gemacht.

Von Katja Goebel

Wenn es nach Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) geht, tragen künftig alle Bundespolizisten einen Taser mit sich. Dieses Elektroschockgerät solle die Beamten vor allem gegen Angreifer schützen. Und das sei zwingend nötig - denn: Die Angriffe auf Polizisten steigen. Allein im Jahr 2023 wurden nach Angaben der Polizei allein in NRW über 4.500 Polizistinnen und Polizisten im Dienst verletzt, 24 davon schwer.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)

Für den Taser: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)

Für Dobrindt ist der Elektroschocker eine Waffen-Ergänzung zum Schlagstock für die kurze Distanz und der Pistole als Fernwaffe. Der Taser soll beispielsweise eingesetzt werden, wenn Bundespolizisten mit Messern angegriffen werden. 

Taser 2021 in NRW eingeführt

Auch in NRW ziehen Polizisten immer wieder einen Taser. Die Elektroschock-Pistole war erst 2021 als Einsatzmittel in einigen Polizeibehörden eingeführt worden. In vielen Kreispolizeibehörden gibt es mittlerweile die Distanz-Elektro-Impulsgeräte, wie sie offiziell heißen.

Die Polizei soll damit die Möglichkeit haben, einen Angreifer aus kurzer Distanz außer Gefecht zu setzen, ohne das Risiko einer tödlichen Verletzung einzugehen. Dabei werden aus einer Entfernung von einigen Metern mit Draht verbundene Pfeile abgeschossen. In der Haut des Aggressors geben sie einen Stromimpuls ab, der Nerven und Muskeln trifft. Für die Dauer von Sekunden bewirkt dies völlige Handlungsunfähigkeit.

Ein medizinisches Gutachten im Auftrag der NRW-Landesregierung kam im November 2024 zu dem Schluss, dass der Taser eine "sinnvolle Ergänzung" für die Polizei sei. Das Gutachten bilanzierte: "Gesundheitliche Folgeschäden sind insgesamt selten und meist weniger schwer als zum Beispiel nach dem Einsatz von Schusswaffen, können aber vorkommen." 

Können Taser lebensgefährlich sein?

Die Taser sind allerdings nicht ganz unumstritten. Wenn Menschen beispielsweise eine Herzerkrankung haben, können sie durch den Elektroschock des Geräts schwer verletzt werden oder sogar sterben.

In Wuppertal gab es erst gestern einen folgenreichen Taser-Einsatz der Polizei. Dabei soll ein 67 Jahre alter Mann durch den Taser eines Polizeibeamten lebensgefährlich verletzt worden sein.

Eigentlich soll durch das Benutzen des Tasers auch der Einsatz von Schusswaffen vermieden werden. In Duisburg versagte 2023 bei einem Einsatz allerdings der Elektroschocker. Als ein Mann die Polizisten trotzdem mit einem Messer angriff, wurde er erschossen.

Auch 2022 konnte ein 16-Jähriger in Dortmund mit dem Taser nicht gestoppt werden, woraufhin Polizisten tödliche Schüsse auf den Jugendlichen abfeuerten. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen.

Menschenrechtsorganisation: Hemmschwelle sinkt durch Elektroschocker

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty warnt noch aus einem anderen Grund vor Tasern. Sie hat untersucht, dass bei Polizisten rund um den Globus die Hemmschwelle beim Taser-Einsatz niedriger ist. Und sie ihn nutzen, auch wenn sie nicht direkt angegriffen werden. In einem im März 2025 veröffentlichten Bericht dokumentiert die Menschenrechtsorganisation internationale Fälle von Misshandlungen mit Elektroschockgeräten. Insgesamt kämen die Waffen bei Demonstrationen ebenso zum Einsatz wie bei der Grenzsicherung, in Auffanglagern für Geflüchtete, in psychiatrischen Kliniken, auf Polizeistationen oder in Gefängnissen.

Laut Amnesty habe es in Deutschland seit 2021 mindestens zehn Todesfälle im Zusammenhang mit dem Einsatz von Tasern durch die Polizei gegeben.

Linke: Aufrüstung statt Deeskalation

Für falsch und gefährlich hält auch Linken-Politikerin Clara Bünger die Pläne Dobrindts. "Das ist keine Maßnahme zur Deeskalation, sondern ein weiterer Schritt in Richtung Aufrüstung der Polizei", sagte die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion. "Wenn selbst Hersteller-Testpersonen Haftungsausschlüsse wegen möglicher Todesfolgen unterschreiben müssen, dann sollten wir uns fragen, ob so ein Gerät wirklich in die Hände von Polizeikräften gehört."

Polizeigewerkschaft: Taser statt der Pistole

Marcus Haider

Einsatztrainer Marcus Haider

Ganz anders sieht das die Deutsche Polizeigewerkschaft. Sie forderte erst im April 2025 nachdrücklich die Einführung des Tasers und findet, dass zahlreiche Bundesländer damit auf dem richtigen Weg sind. Ihr Argument: Taser statt die Pistole. Mit einem Schlagstock müsse man bei einem Angriff sehr nah an sein Gegenüber heran, damit riskiere man selbst Verletzungen. Und das Pfefferspray? Wirke häufig nicht, habe keine "Mannstoppwirkung", so Marcus Haider, Bezirksvorsitzender der Polizeigewerkschaft und Einsatztrainer aus Ravensburg. Häufig bleibe den Beamten zur Eigensicherung nur der Griff zur Dienstwaffe – mit potenziell tödlichen Folgen.

Schon Androhung könne Situation beruhigen

Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei

Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei

Mit vielen Hunderten Geräten wird der Taser derzeit auch schon an Bahnhöfen getestet. "Wir haben bisher positive Erfahrungen gemacht", berichtet Andreas Roßkopf, Chef der Polizeigewerkschaft für die Bundespolizei. Es bedürfe allerdings einer großen Aus- und Weiterbildung. "Wir versprechen uns gerade an den Bahnhöfen einen großen Einsatzmehrwert, denn auch hier haben wir eine steigende Gewaltbereitschaft - oftmals mit Messern. Da wir mit der neuesten Generation auf über 13 Meter zielgenau mit diesen Tasern arbeiten können, ist es für uns ein durchaus gewinnbringendes Einsatzmittel."

Spurensicherung nach Messerangriff

Spurensicherung nach Messerangriff in Hamburg

Am Hamburger Hauptbahnhof hatte vor zwei Wochen eine Frau wahllos um sich gestochen, 18 Menschen wurden bei dem Angriff verletzt. Die laufende Erprobung von Tasern an manchen Bahnhöfen durch die Bundespolizei zeige, dass oft schon die Androhung kritische Situationen beruhige.

Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichtet der WDR am 08.06.2025 auch im Fernsehen, Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.