
Rheinland-Pfalz Barrierefreiheit bei der Bundestagswahl: "Wählen müsste elektronisch möglich sein"
Die schwerbehinderte Heike Zapp aus Bad Kreuznach nimmt regelmäßig an Wahlen teil. Doch das werde ihr unnötig schwer gemacht, findet die 64-jährige Rollstuhlfahrerin.
"Ich werde bei der Bundestagswahl wieder Briefwahl machen", kündigt die seit ihrer Geburt behinderte Heike Zapp im Telefongespräch mit dem SWR an. Alles andere sei für Menschen wie sie fast nicht möglich. Zuletzt stand sie bei der Landratswahl am 10. November 2024 vor einer verschlossenen schweren Tür. Das Wahllokal war im neuen Gebäude des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA untergebracht. Es habe weder eine sich automatisch öffnende Türen noch eine für sie erreichbare Klingel gegeben, ärgert sich Zapp. "Nur durch Zufall hat mich ein Mitarbeiter des Wahlbüros entdeckt."
Wahllokale müssten mindestens Automatik-Türen haben, die selbsttätig öffnen und schließen, um halbwegs barrierefrei zu sein, findet Zapp. Und auch die Wahlkabinen seien meist zu eng für Rollstuhlfahrerinnen und - fahrer. Doch am meisten ärgert es sie, dass auch im Jahr 2025 in Deutschland nicht online gewählt werden kann. Dabei gibt es das sogenannte E-Voting in Estland schon seit mittlerweile 20 Jahren. Hier wählt inzwischen eine Mehrheit der Wahlberechtigten über das Internet. Auch im Ausland lebende Franzosen können online abstimmen, ihre Mitbürger in Frankreich selbst dagegen nicht.
Sicherheitsbedenken verhindern E-Voting
Vor allem rechtliche und sicherheitstechnische Gründe werden gegen das Online-Wählen angeführt: "Insbesondere die Geheimhaltung einer Online-Stimmabgabe, die zwar informationstechnisch möglich erscheint, würde einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern", argumentiert etwa die Bundeswahlleiterin Ruth Brandt. Auch Sicherheitsrisiken wie Hacking, Stimmenkauf und andere Manipulationen werden angeführt.
Exakte Zahlen zu barrierefreien Wahllokalen fehlen
Hoffnung auf die schnelle Einführung des E-Votings brauchen sich Menschen mit Behinderung also nicht zu machen. Wie sieht es in den Wahllokalen aus? Nach einer nicht repräsentativen Umfrage des Sozialverbandes VdK war in Rheinland-Pfalz bei der Bundestagswahl 2016 noch etwa jedes fünfte Wahllokal nicht barrierefrei. Genaue Zahlen gibt es nicht. "Das größte Problem sehen wir darin, dass es seit den beiden vergangenen Bundestagswahlen immer noch keine gesetzliche Verpflichtung zur Barrierefreiheit bei Wahlen gibt", kritisiert VdK-Pressesprecher Michael Finkenzeller.
So findet sich auf der Internetseite der Bundeswahlleiterin auch nur eine Soll-Formulierung: "Der Anteil barrierefreier Wahlräume soll weiter erhöht werden. Sollte der auf der Wahlbenachrichtigung benannte Wahlraum nicht barrierefrei sein, kann durch einen zu beantragenden Wahlschein die Stimme in einem Wahllokal des Wahlkreises mit barrierefreiem Zugang abgegeben werden."
Viele Blinde und Sehbehinderte machen Briefwahl
Mit solchen Problemen haben blinde oder sehbehinderte Menschen nicht zu kämpfen. "Wir sind ja meistens gut zu Fuß", sagt Hans-Peter Engel, der Vorsitzende des Landesblinden- und Sehbehindertenverbandes. Man könne im Wahllokal mit einer speziellen Schablone wählen, erklärt Engel. "Aber die meisten Blinden oder Sehbehinderten, die ich kenne, machen Briefwahl." Zwar seien bei der Bundestagswahl die Fristen für die Briefwahl diesmal ziemlich knapp, doch hätten viele Sehbehinderte in ihrem Umfeld "vertraute Personen", die beim Ausfüllen des Stimmzettels helfen und diese auch beim Wahlamt abgeben würden.
Hilfspersonen ausdrücklich erlaubt
Solche Hilfspersonen sind laut Wahlgesetz für Menschen mit Behinderungen erlaubt. So heißt es auf der Seite der Bundeswahlleiterin: "Wer nicht oder nicht ausreichend lesen kann oder wegen einer körperlichen Beeinträchtigung daran gehindert ist, selbst den Stimmzettel zu kennzeichnen, zu falten oder in die Wahlurne zu werfen, kann sich im Wahllokal oder bei der Briefwahl durch eine andere Person unterstützen lassen." Diese Hilfspersonen dürften frei gewählt werden. Sie können sogar aus den Mitgliedern des Wahlvorstandes bestimmt werden und dürfen "gemeinsam mit der Wählerin oder dem Wähler die Wahlkabine aufsuchen".
Fazit: Die Briefwahl bleibt das wichtigste Mittel, um Menschen mit Behinderung das Wählen zu ermöglichen. Angesichts der diesmal sehr kurzen Abgabefristen für die Briefwahlunterlagen ist das aber auch nicht wirklich barrierefrei. Insgesamt ist in Sachen barrierefrei wählen noch viel Luft nach oben.