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Rheinland-Pfalz Bundestagswahl 2025: Für Wohnungslose ist Stimmabgabe ein Problem
Wohnungslose Menschen haben es bei der Bundestagswahl schwerer als andere, ihr Wahlrecht wahrzunehmen. In Trier helfen Einrichtungen für Wohnungslose.
Wer die deutsche Staatsbürgerschaft hat, mindestens 18 Jahre alt ist und seit mindestens drei Monaten in Deutschland lebt, kann bei der Bundestagswahl am 23. Februar seine Stimme abgeben. So steht es im Grundgesetz.
Die Wahlbenachrichtigung bekommen die meisten Wahlberechtigten in Deutschland ganz einfach zugeschickt. Für Menschen, die keine eigene Adresse haben, weil sie auf der Straße leben, ist es aber schwerer, überhaupt ins Wählerverzeichnis zu kommen. Sie müssen das erst beantragen.
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In der Trierer Innenstadt übernachten einige Obdachlose draußen in Hauseingängen.
So können Wohnungslose wählen
Menschen, die auf der Straße leben, können sich in der Stadt oder Gemeinde, in der sie sich überwiegend aufhalten, ins Wählerverzeichnis eintragen lassen. Dazu braucht man aber eine Postadresse und wenn man später im Wahllokal direkt wählen möchte, braucht man einen gültigen Personalausweis.
An dieser Hürde scheitern viele, sagt Sozialpädagogin Catrin Schulte, die im Cafe Haltepunkt in Trier arbeitet.
Wir versuchen, zu helfen und Hoffnung zu schenken. Catrin Schulte, Sozialpädagogin im Café Haltepunkt in Trier
Das Café Haltepunkt in Trier ist eine Anlaufstelle für wohnungslose Frauen in Trier. Etwa 700 Frauen kommen im Jahr im Durchschnitt hierher. Wohnungslose Frauen haben viele Probleme, sagt Sozialpädagogin Catrin Schulte.
"Viele Frauen fragen sich, wo kann ich schlafen, wie schütze ich mich vor Gewalt und vor Kälte, wie bekomme ich das Geld aus der Grundsicherung. Wir versuchen, zu helfen und Hoffnung zu schenken". Es sei aber in der aktuellen Lage immer schwieriger, aus der Wohnungslosigkeit rauszukommen.

Vor der Notunterkunft für wohnungslose Frauen ist dieser Unterstellplatz, wo sie warten können.
Einrichtungen für Wohnungslose als Postadresse
Das Café Haltepunkt nutzen etwa 100 wohnungslose Frauen als Postadresse, in der Unterkunft für wohnungslose Männer in Trier, dem Benedikt Labre Haus sind es 200 Männer, die das machen.
Denn: ohne Postadresse bekommt man keine Wahlbenachrichtigung. Das betrifft auch Menschen, die verdeckt wohnungslos sind, also nur vorübergehend bei Bekannten unterkommen, weil sie keine eigene Wohnung haben. Mit Gängen zu Behörden und Formularen sind viele überfordert.
Stadt Trier unterstützt
Trier gehört zu den Städten in Deutschland, die für den Antrag, um ins Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, vorgedruckte Formulare haben.
Die Stadtverwaltung hat solche Formulare an die Trierer Einrichtungen für Wohnungslose geschickt, auch an die Bahnhofsmission. Die Einrichtungen sprechen die Menschen an, helfen auch beim Ausfüllen des Antrags.
Es ist wichtig, die Menschen da abzuholen, wo sie sind. Anne Scherer, Bewohnerin im Haus Maria Goretti Trier
Anne Scherer lebt im Haus Maria Goretti, wo es 17 feste Wohnplätze für obdachlose Frauen und 15 für psychisch kranke Frauen gibt. Die junge Frau ist politisch in einer Partei engagiert, hilft im Wahlkampf und ist bei der Bundestagswahl auch Wahlhelferin. "Es ist wichtig, die Menschen da abzuholen, wo sie sind", sagt sie. Sie spricht mit wohnungslosen Frauen über die Bundestagswahl und motiviert sie, ihr Wahlrecht zu nutzen.
Infoveranstaltung zur Bundestagswahl
Im Haus Maria Goretti wird für die Frauen auch eine Infoveranstaltung zur Bundestagswahl gemacht. Es geht darum, wie der Wahlzettel aussieht, welche Parteien antreten, was in den Wahlprogrammen steht, was der Wahl-O-Mat ist, erklärt Anne Lorenz, die im Haus Maria Goretti arbeitet.
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Im Haus Maria Goretti für wohnungslose Frauen beschäftigen sich die Frauen mit dem Thema Armut.
Denn wohnungslosen Menschen fehlt oft die Chance, sich überhaupt zu informieren, sagt Sozialpädagogin Catrin Schulte vom Café Haltepunkt.
Wohnungslose hätten kein Smartphone, keinen Fernseher, keinen Computer und kaum die Möglichkeit, an Informationen zu kommen. Dazu komme noch, dass viele keine Hoffnung hätten, dass sich die Politik für sie einsetzt.
Vorbilder sind wichtig. Anne Scherer, Bewohnerin im Haus Maria Goretti
Viele wohnungslose Frauen haben nie in ihrem Leben die Erfahrung gemacht, selbst etwas bewegen oder beeinflussen zu können, fühlen sich ohnmächtig und haben den Eindruck, dass sowieso niemand etwas für sie verbessern würde, sagt Sozialpädagogin Catrin Schulte.
"Vorbilder sind wichtig", findet Anne Scherer. Es sei wichtig, alles auch verständlich zu vermitteln und als Beispiel voranzugehen. Das könne auch andere dazu motivieren, von ihrem Recht Gebrauch zu machen.
Nur wenige Wohnungslose wählen
Die deutsche Bundesregierung geht in ihrem aktuellen Wohnungslosenbericht davon aus, dass es in Deutschland mehr als eine halbe Million Obdachlose gibt. Der Sozialdienst Katholischer Frauen in Trier schätzt, dass es in Trier mehr als 200 wohnungslose Frauen sind. Bei den Männern, die auf der Straße leben, dürfte die Zahl noch höher sein.
Bei der Stadt Trier sind nur sehr vereinzelt Anträge auf Eintrag ins Wählerverzeichnis abgegeben worden, teilte ein Sprecher der Stadtverwaltung mit. Am 31. Januar läuft die Frist ab, den Antrag fürs Wählerverzeichnis abzugeben.
Sendung am Fr., 31.1.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz