Kfz-Mechatronikerin prüft die Räder eines Autos in der Werkstatt.

Rheinland-Pfalz Das erwarten Auszubildende von der Politik

Stand: 20.02.2025 16:16 Uhr

Wenn es in der Politik um Bildung geht, dann ist meist die Rede von Kitas, Schulen und Unis - aber kaum von Auszubildenden. Welche Erwartungen haben sie an eine neue Regierung?

Anna Landgraf ist 22, wohnt im Mainzer Stadtteil Laubenheim und macht eine Ausbildung als Anlagenmechanikerin im Bereich Sanitär/Heizung/Klimaanlagen. Sie ist im dritten Lehrjahr in einem Mainzer Betrieb. Anna ist angewiesen auf Bundesausbildungsbeihilfe (BAB). "Es reicht gerade so", sagt sie. Dabei habe sie noch Glück, ihr Arbeitgeber bezahle ihr die Fahrkarte für Bus und Bahn. Im Zentrum von Mainz und damit näher an der Arbeitsstelle zu wohnen, ist nicht drin. Schon die Miete für ihre Einzimmerwohnung außerhalb ist hoch.

Mehr finanzielle Förderung für Azubis

Die finanzielle Förderung müsse angehoben werden, so Anna. "Es reicht zum Überleben, nicht zum Leben." Auch die Nutzung des ÖPNV solle für Azubis kostenlos sein. Die meisten seien minderjährig und hätten noch keinen Führerschein. Auch Lernmaterialien seien teuer.

Anna Landgraf, Auszubildende im Bereich Anlagenmechanik - Was sagen die Parteien zum Thema Ausbildung?

Anna Landgraf, 22, Azubine Anlagenmechanik

Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir Azubis übersehen werden und wir wesentlich mehr leisten müssen, um uns die Dinge zu verdienen. Anna Landgraf, Auszubildende in Mainz

Sie wünscht sich, dass Auszubildende - vor allem im Handwerk - "gesehen werden", dass Azubis, egal in welchem Bereich, mehr finanzielle Unterstützung erhalten.

Wohnraum für Azubis zu teuer

Jan Gratzke ist 26 Jahre alt, vor zwei Jahren hat er die Ausbildung zum Kaufmann für Dialogmarketing abgeschlossen. Bis vor kurzem war er in der Auszubildenden-Vertretung, also nah dran an jungen Menschen, die gerade in der Berufsausbildung stecken. Auch Jan sagt, dass viele Azubis Probleme haben, ihren Wohnraum zu bezahlen. Die Mindestausbildungsvergütung liege bei knapp 700 Euro brutto. "Das reicht lange nicht, um in einer Stadt wie Mainz zu wohnen."

"Es muss definitiv mehr Ausbildungsvergütung geben."

Wie Anna ist auch Jan dafür, den ÖPNV für Azubis kostenlos zu machen. Auch kulturelle Teilhabe sei wichtig. Viele Azubis zögen sich in die eigenen vier Wände zurück, "weil sie es sich nicht leisten können, kulturelle Angebote wahrzunehmen".

Ein weiteres Problem ist laut Jan die Qualität der Ausbildung. Er bekomme sehr oft mit, dass junge Menschen in Ausbildung nicht ausreichend betreut werden. Grund dafür sei auch der Mangel an qualifiziertem Personal in Betrieben und Berufsschulen.

Ausbildung oft nicht attraktiv für junge Menschen

Rund 60 Prozent aller Abiturientinnen und Abiturienten beginnen ein Studium und keine betriebliche Ausbildung. Gleichzeitig beklagen Handwerkskammern und andere Verbände Nachwuchsmangel. Irma Ganovic, Projektmitarbeiterin beim Institut zur Förderung von Bildung und Integration (INBI), sieht auch den finanziellen Aspekt dabei als Problem. "Viele Ausbildungsberufe werden gering vergütet und das Geld reicht häufig nicht aus, die laufenden Kosten zu bezahlen", sagt Ganovic. Vor allem, wenn Azubis nicht mehr im Elternhaus wohnten und selbst für Miete und Lebenshaltung aufkommen müssten.

Doch nicht nur die Auszubildenden sollten laut Irma Ganovic mehr von der Politik unterstützt werden. Auch die ausbildenden Betriebe, die Arbeitgeber, könnten zum Beispiel durch massiven Bürokratieabbau entlastet werden - so könnten mehr Zeit und Geld in die Ausbildung fließen. Sie sieht allerdings auch die Betriebe in der Pflicht, Ausbildung attraktiver zu machen. Das könnte durch interne Fortbildungen geschehen oder, wenn nötig, auch Deutschkurse.

Zahlen zur beruflichen Ausbildung
Politische Entscheidungen rund um die betriebliche Ausbildung betreffen viele. 1,2 Millionen junge Menschen waren im Jahr 2023 deutschlandweit in einer beruflichen Ausbildung. Fast eine halbe Millionen Menschen hat in dem Jahr einen neuen Ausbildungsvertrag abgeschlossen (Quelle: Statista).

Fast 30 Prozent aller begonnenen Ausbildungsverträge wurden im Jahr 2022 vorzeitig aufgelöst. Jüngere Daten hat der Berufsbildungsbericht 2024 nicht. Das sind deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. 2020 lag die Quote bei 25,1 Prozent. Laut Berufsbildungsbericht gibt es einen statistischen Zusammenhang zwischen vielen Vertragsauflösungen und einer "aus Sicht der Auszubildenden positiveren Marktlage". Das heißt: Wenn Azubis rar und gesucht sind, sind sie offenbar eher bereit, den Ausbildungsbetrieb oder den Ausbildungsberuf an sich zu wechseln.

Arbeitsagentur wirbt für betriebliche Ausbildung

Heike Strack, Chefin der Agentur für Arbeit in Mainz, wirbt für die duale Ausbildung. Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen in ihrem Bereich sei unverändert hoch, an Info-Messen der Agentur nähmen jedes Jahr mehr Betriebe teil. Strack verweist darauf, dass es nach Abschluss der Ausbildung keine dramatischen Unterschiede beim Verdienst gegenüber Uni-Absolventen gebe. Im Handwerk und industriellen Berufen verdiene man mehr als mancher Geisteswissenschaftler.

Um mehr jungen Menschen eine Ausbildung schmackhaft zu machen, plädiert Stracke für mehr verpflichtende Praktika in Betrieben während der Schulzeit.

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Das sagen die Wahlprogramme der Parteien im Bundestag zum Thema berufliche Ausbildung

CDU/CSU
Die Union will laut ihrem Wahlprogramm:
  • duale Ausbildung "weiter voranbringen"
  • Berufsorientierung an allen Schulformen fördern
  • berufliche und akademische Bildung sollen gleichwertiger werden
  • "Innovative Konzepte für Schulabgänger, Studienabbrecher und -zweifler"
AfD
Im Wahlprogramm der AfD findet sich zum Thema betriebliche Ausbildung:
  • Die beruflichen Schulen müssen als tragende Säulen der beruflichen Bildung sowie des lebenslangen Lernens gestärkt und der Wert der beruflichen Bildung stärker gewürdigt werden. Die Haupt- und Realschulen sollen durch Kooperationen mit Unternehmen sowie den Industrie- und Handwerkskammern attraktiver werden.
SPD
In ihrem Wahlprogramm will die SPD für berufliche Ausbildung:
  • frühere Berufsorientierung in Schulen
  • Mindestausbildungsvergütung anheben
  • mehr bezahlbarer Wohnraum für Azubis und Studis
  • stärkere Förderung vom Dualen Studium
Bündnis90/Die Grünen
Die Grünen wollen in ihrem Wahlprogramm:
  • "deutliche" Anhebung der Mindesausbildungsvergütung
  • Berufsorientierung für junge Menschen verbessern
  • Reform des Aufstiegs-BAföG (für beruflichen Aufstieg, z.B. Meistertitel, Techniker-Lehrgang)
  • Mehr bezahlbarer Wohnraum für Azubis und Studis
  • Führerscheinerwerb für Azubis fördern
  • Lösung für ein Azubi-Deutschland-Ticket finden
Die Linke
Die Partei Die Linke fordert in ihrem Wahlprogramm zum Thema Ausbildung unter anderem:
  • eine Ausbildungsumlage für Betriebe, die nicht selbst ausbilden
  • Unternehmen sollen sich finanziell daran beteiligen, bezahlbare Wohnheime für Azubis zu schaffen
  • Jede Ausbildung soll vollqualifizierend und gebührenfrei sein
  • Mindestvergütung für Auszubildende in Höhe von 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung der Branchen
  • Übernahmegarantie im ausbildenden Betrieb ohne Probezeit
  • Politische Bildung, Medienkompetenz und KI-Wissen sollen Teil der beruflichen Ausbildung sein
  • "BAföG für alle" als Vollzuschuss, an Lebenshaltungskosten stets angepasst
FDP
Die FDP hat sich in ihrem Wahlprogramm vorgenommen:
  • mehr junge Menschen für die berufliche Bildung gewinnen, Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung
  • analog zum freiwilligen sozialen Jahr (FSJ): "berufliches Orientierungsjahr"
  • "Lebenschancen"-BAföG einführen - zu Finanzierung von Kursgebühren und bildungsbedingten Auszeiten
  • Aufstiegs-BAföG ausweiten (für beruflichen Aufstieg, z.B. Meistertitel, Techniker-Lehrgang)
BSW
Im Wahlprogramm des Bündnis Sahra Wagenknecht steht zu beruflicher Ausbildung:
  • garantiertes "Recht auf Ausbildungsplatz"
  • Aufwertung mittlerer Schulabschlüsse und Ausbildungsberufe, bundesweites Praktikumskonzept, das Unternehmen und Betriebe in enge Kooperation mit den Schulen bringt
  • "Berufsbildungspakt, um Berufsschulen zu modernisieren und besser auszustatten

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