Eine LGBTIQ-Fahne und eine Transgenderfahne nebeneinander

Rheinland-Pfalz Gewalt gegen queere Menschen in Rheinland-Pfalz nimmt zu

Stand: 17.02.2025 10:34 Uhr

Seit fünf Jahren ist bundesweit ein Anstieg der Straftaten gegenüber der queeren Community zu beobachten. Und die Dunkelziffer dürfte riesig sein - auch in Rheinland-Pfalz.

Die Stimmung gegen queere Menschen ist feindlicher geworden. "Eindeutig", sagt Joachim Schulte vom Verein QueerNet Rheinland-Pfalz. "Das zeigt sich in den sozialen Netzwerken, wo Desinformation, Hass und Hetze gegen queere Menschen, vor allem gegen transweibliche Personen, massiv zugenommen hat."

Ähnlich beurteilt Diana Gläßer die Situation. Sie ist für die Polizei des Landes Rheinland-Pfalz die Ansprechperson für lesbische, schwule, bisexuelle, transidente und intergeschlechtliche Menschen: "Die queerfeindliche Stimmung im Jahr 2024 war insgesamt von einer unsachlichen Debatte um die Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes aufgeheizt." Viele Betroffene von Shitstorms im Netz hätten sich Hilfe suchend an die Ansprechstelle der Polizei gewandt.

Dunkelziffer bei queerfeindlichen Straftaten bei 90 Prozent

Die offiziellen Statistiken zeichnen nach Einschätzung von Gläßer nur ein eingeschränktes Bild der Realität. Seit fünf Jahren sei bundesweit ein Anstieg der Straftaten zu sehen. Nach einer Umfrage der EU-Agentur für Grundrechte geben jedoch lediglich zehn Prozent der Betroffenen von queerfeindlichen Straftaten an, dass sie eine Anzeige bei der Polizei erstatten würden. "Demzufolge dürfte die Dunkelziffer bei etwa 90 Prozent liegen."

Das Innenministerium berichtet von insgesamt 48 registrierten Straftaten auf queere Menschen im vergangenen Jahr, drei weniger als im Jahr zuvor. 2022 waren lediglich 21 Straftaten in den offiziellen Statistiken aufgetaucht.

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wie Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung waren nicht darunter, wie das Ministerium auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Stephan Wefelscheid (Freie Wähler) mitteilte. 

Straftaten zählen zur Hasskriminalität

Die Polizeistellen des Bundes und der Länder erfassen gegen homo-, bi-, trans- oder intersexuelle Personen gerichtete Straftaten als Teil der Hasskriminalität. Es sei dringend erforderlich, diese Zahlen sichtbar zu machen, sagt auch der Queer-Beauftragte der Landesregierung, Janosch Littig, zu der hohen Dunkelziffer.

"Daher setzen wir uns dafür ein, das Dunkelfeld zu erhellen. Eine bundesweite Dunkelfeldstudie könnte hier wertvolle Erkenntnisse liefern." Die Gründe für die geringe Zahl an Anzeigen seien vielfältig.

"Viele Betroffene haben Angst vor homo- oder transfeindlichen Reaktionen vonseiten der Polizei oder sind der Überzeugung, dass eine Anzeige ohnehin keine Auswirkungen hat", erklärt der Staatssekretär im Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration. "Das Vertrauen in die Polizei bleibt ein wichtiges Thema."

Nach Angaben des Innenministeriums ist die Zahl der aufgenommenen Strafanzeigen von Ansprechstellen im vergangenen Jahr von 8 auf 14 gestiegen. Das Vertrauen in diese Ansprechstellen wachse durch die vermehrte Sichtbarkeit auf Landesebene, betont Joachim Schulte von QueerNet. 

Was ist QueerNet?
QueerNet ist das Netzwerk von queeren Vereinen und Initiativen in Rheinland-Pfalz. Das Netzwerk verbindet Organisationen in Mainz, Trier, Koblenz und der Pfalz, um sich zu koordinieren und gemeinsam Projekte durchzuführen. Es gibt Ansprechpartner, Informationen zu Veranstaltungen, Beratungen oder politischen Aktivitäten. Außerdem ist QueerNet Ansprechpartner der Landesregierung für die Interessen von queeren Menschen im Land

Großer Bedarf an Beratungsstellen für Queere

Die Polarisierung und der Anstieg menschenfeindlicher Gesinnung in der Gesellschaft erzeuge auf der Betroffenenebene jedoch auch einen stetig wachsenden Bedarf. Eine Ausweitung der Ansprechstellen bei der Polizei sowohl auf Landesebene als auch in den Präsidien sei daher dringend notwendig.

Der Queer-Beauftragte der Landesregierung unterstützt die Forderung von QueerNet, auch bei den Generalstaatsanwaltschaften in Rheinland-Pfalz sowie im Justizministerium eine solche offizielle Anlaufstelle für lesbische, schwule, bisexuelle, transidente und intergeschlechtliche Menschen einzurichten.

Bewegung bei der Justiz

Seit Ende vergangenen Jahres gebe es bereits zentrale Ansprechpersonen für die Verfolgung queerfeindlicher Straftaten bei der Hälfte der Generalstaatsanwaltschaften und der Staatsanwaltschaften in Rheinland-Pfalz. Die Etablierung weiterer Ansprechpersonen werde derzeit geprüft, berichtet Staatssekretär Littig.

QueerNet-Sprecher Schulte bestätigte die Gespräche. Es gebe positive Signale, erste Ansprechpersonen seien benannt. Der nächste Schritt seien Angebote für Fortbildungen.

Sendung am Mo., 17.2.2025 10:00 Uhr, SWR1 RP Nachrichten