
Rheinland-Pfalz Im Krieg verletztes Kind aus Gaza zur Behandlung in Bad Kreuznach
Ein im Krieg verletztes Kind aus Gaza ist derzeit zur medizinischen Behandlung in Bad Kreuznach. Monatelang hatten sich deutsche Hilfsorganisationen bemüht, Kinder aus dem Krisengebiet zu holen. Die kleine Malak ist eines von ihnen.
Das Vorhaben war zunächst an Sicherheitsbedenken des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amts gescheitert, die die Einreise einer Begleitperson pro Kind nicht unterstützen wollten.
Nun können zunächst zwei Kinder in Deutschland behandelt werden. Die sechsjährige Malak kam nach Bad Kreuznach und wurde mit ihrer Mutter bei einer Gastfamilie aufgenommen.
Dutzende Hilfsorganisationen wie die Kölner Refugees Foundation hatten angeboten, schwerverletzte Kinder aus Gaza zur Behandlung nach Deutschland zu holen und die Organisation der Reise, der Unterbringung und der Behandlung ebenso wie die Kosten zu übernehmen, sowie auch die spätere Rückkehr.
Bundesregierung stimmt Einreisen in Einzelfällen zu
Das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt haben inzwischen der Einreise in wenigen Einzelfällen mit weiblichen Begleitpersonen zugestimmt, sofern die Frauen ein Visumverfahren in Kairo einschließlich regulärer Sicherheitsabfragen sowie ein Sicherheitsinterview ohne Bedenken durchlaufen. Das Auswärtige Amt steht mit Vertretern der Hilfsorganisationen in Kontakt und prüft kurzfristig, ob sich Behandlungen realisieren lassen.
Malak erlitt lebensgefährliche Verletzung
Malak wird im Diakonie Krankenhaus in Bad Kreuznach von dem Arzt André Borsche behandelt. Er erklärt, dass das Mädchen einen Bauchwandbruch erlitten hat. Der Darm drängt sich vor und wenn er sich einklemmt, besteht die Gefahr eines Darmverschlusses, der tödlich enden kann.
Die Sechsjährige wurde nach Angaben ihrer Mutter schwer verletzt, als ein israelischer Panzer im Gazastreifen geschossen haben soll. Auch ihre Schwester wurde am Rücken verwundet. Mehrere andere Kinder starben bei dem Zwischenfall. Malak überlebte nur, weil sie in einem Krankenhaus in Rafah erstversorgt werden konnte. Sie hat eine große Narbe quer über den Bauch bis zur Brust. Es sei ein großes Wunder, dass sie überlebt habe, sagt Borsche.
Innen sei es wohl gut verheilt, doch die Lücke in der unteren Bauchwand sei da und müsse behandelt werden. Borsche war bis 2023 Chefarzt für Plastische Chirurgie am Diakonie Krankenhaus. Inzwischen ist er im Ruhestand, aber er hat noch eine Privatpraxis.
Chirurg im Ruhestand: Darum operiert André Borsche weiter
1996 gründete er die Sektion Bad Kreuznach von Interplast Germany. Der Verein führt kostenlos plastische Operationen in Entwicklungsländern durch. Von Bad Kreuznach aus wurden seither rund 200 Einsätze organisiert.
Es sei eine "unglaubliche diplomatische Kraftleistung" nötig gewesen, um alle zu überzeugen, die Kinder nach Deutschland zu bringen, erzählt er. Jetzt sei Malak da und das sei auch eine Art Geschenk, dass man das Hilfsangebot jetzt umsetzen könne. Er sei sehr dankbar für die Solidarität des Krankenhauses.
Haus von Malaks Familie wurde zerstört
Malaks Mutter Noura Sadeq erzählt von ihrem Leben im Gazastreifen. Sie zeigt auf ihrem Handy Filmaufnahmen eines völlig zerstörten Straßenzugs. Dort hätten sie gewohnt. Ihr Haus stehe nicht mehr, alles sei dem Erdboden gleichgemacht worden.
Die Israelis hätten sie angewiesen, die Region zu verlassen und in ein sicheres Gebiet am Meer zu gehen. Doch auch dort sei es nicht sicher gewesen.
Dann erzählt sie von dem Tag, als Malak verletzt wurde. Ein Verwandter habe Kräuter gesammelt und für die Kinder mitgebracht, die viel Hunger gehabt hätten. Als er zurückgekommen sei, hätten sich die Kinder draußen vor ihrer Unterkunft um ihn versammelt, um zu schauen, was er mitgebracht hat. Da sei es zu dem Beschuss durch einen Panzer gekommen. Die Kinder seien in alle Richtungen geschleudert worden, dem Mann seien die Beine abgetrennt worden und er sei gestorben. Mit Eselskarren seien Verletzte in Krankenhäuser gebracht worden.
Sie sei voller Hoffnung, dass Malak hier gesund werde, sagt Noura. Die Gastfamilie sei sehr respektvoll und habe eine liebevolle Umgebung für Malak geschaffen.
Wie gehen Hilfsorganisationen in solchen Fällen vor?
Daniela Neuendorf von der Refugees Foundation erläutert im Gespräch mit dem SWR, wie die Kinder vor Ort ausgewählt und von Hilfsorganisationen betreut werden. Ärzte und Behörden in Gaza würden gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestimmte Fälle als dringend evakuierungsbedürftig einstufen. Diese Kinder würden dann nach Kairo gebracht.
Ihre Organisation arbeite neben Interplast auch zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Plastische Chirurgie. Es werde geschaut, welche Krankenhäuser in Deutschland Kapazitäten angemeldet haben und wo die Patienten mit ihren unterschiedlichen Verletzungen behandelt werden könnten.
Refugees Foundation suche dann die Gastfamilie aus und trete an Botschaft und Auswärtiges Amt heran, damit diese den Transport der Betroffenen nach Deutschland ermöglichen.
Malak soll bald nach Kairo zurückkehren
Auf die Frage, ob Deutschland mehr Verantwortung für die Kinder aus Gaza übernehmen sollte, entgegnet der Bad Kreuznacher Mediziner Borsche, das sei ein ganz bitteres Thema. Eigentlich wünsche er sich eine Regierung, die ohne Ansehen der politischen Hintergründe den Menschen einfach helfe: "Wir sind ein reiches Land und sollten immer noch etwas abgeben."
Dann sagt er noch: "Mir ist wichtig, dass die Menschen endlich mal aufwachen und sehen, dass jede Art von Krieg, wo immer man hinguckt, das Allerschlimmste ist und man sofort aufhören sollte."
Inzwischen ist Malak nach Angaben von Daniela Neuendorf erfolgreich operiert worden. Anfang März soll sie mit ihrer Mutter nach Kairo zurückkehren.