
Rheinland-Pfalz Interview: Tat von Aschaffenburg wird instrumentalisiert
Die tödliche Attacke in Aschaffenburg hat die Debatte um Migration befeuert. Die Mainzer Kommunikationswissenschaftlerin Nayla Fawzi warnt im Interview Politik und Medien davor, die Realität zu verzerren.
Bei der Attacke eines offenbar psychisch kranken afghanischen Asylbewerbers am 22. Januar wurden ein zwei Jahre altes Kind und ein Mann tödlich verletzt. In Deutschland flammte direkt danach eine Diskussion um Migration und Sicherheit auf. Kommunikationswissenschaftlerin und Professorin Nayla Fawzi an der Uni Mainz hat die Diskussion verfolgt.
SWR Aktuell: Frau Professorin Fawzi, was fällt Ihnen besonders auf in der politischen Diskussion rund um die Tat von Aschaffenburg?
Nayla Fawzi: Diese schreckliche Tat wurde von einigen Politikern und Politikerinnen durchaus instrumentalisiert. Ich meine, dass hier vermeintliche Zusammenhänge aufgestellt werden, die in der Realität aber nicht unbedingt so zutreffen. Zum Beispiel, dass Grenzkontrollen solche Taten direkt verhindern können. Das ist mir alleine schon in den Reden im Bundestag aufgefallen.
Jetzt, ein paar Wochen vor der Bundestagswahl, ist das kommunikative Klima sehr gereizt. Die Politiker dürfen jetzt nicht auf Macht und Strategie schauen und um jeden Preis mit markigen Sprüchen um Aufmerksamkeit buhlen, sondern müssen verantwortungsvoll handeln.

Nayla Fawzi ist seit 2022 Professorin für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Demokratie und digitale Kommunikation am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
SWR Aktuell: In Rheinland-Pfalz ist zum Beispiel Julia Klöckner von der CDU besonders in den sozialen Medien aufgefallen. Ihre Äußerungen wurden zum Teil scharf kritisiert und auch als Framing bezeichnet.
Fawzi: In dieser aufgeheizten Atmosphäre sind alle in der Verantwortung. Politiker wissen einfach, dass sie mit Aufmerksamkeit belohnt werden können, wenn sie mit provokanten Aussagen Konflikte auslösen oder weiter anfachen.
Das ist ein Spiel, wie es die AfD seit Jahren spielt. Provokationen und bewusste Tabubrüche sorgen für Berichterstattung und werden mit Aufmerksamkeit belohnt. Das gilt für die klassischen wie auch die sozialen Medien.
SWR Aktuell: Generell gilt natürlich sowohl in den klassischen als auch den sozialen Medien, dass das Laute, Grelle und Provokative interessant ist und Zuschauer, Hörer und Leser anzieht...
Fawzi: Das Problem ist aber, dass diese verschärfte Kommunikation dazu führt, dass die Realität dadurch verzerrt wahrgenommen wird, also die Gräben in der Bevölkerung größer eingeschätzt werden als sie tatsächlich sind. Das kann eine Polarisierung der Gesellschaft weiter verschärfen und das ist eine Gefahr.
Klar ist für mich: Es gibt eine Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Da muss auch gehandelt werden. Aber eben verantwortungsbewusst, und ohne Rassismus zu schüren.
SWR Aktuell: Wie lässt sich diese Entwicklung denn stoppen?
Da spielt der Journalismus eine große Rolle. Auch Sie als Journalisten mit dem Fokus auf Ereignis-Berichterstattung tragen zu einer Verschiebung der Debatte bei. Migration wird in der Berichterstattung sehr oft als Gefahr dargestellt, das ist aber schon seit Jahren so. Da würde ich mir mehr konstruktiven Journalismus wünschen, also mehr den Blick auf Lösungen.
Gleichermaßen ist natürlich auch die Bevölkerung in der Verantwortung: Sie muss bereit sein, sich umfassend informieren und sich mit den unterschiedlichen Positionen auseinandersetzen zu wollen. Zusammen gelingt es vielleicht wieder mehr Sachlichkeit in die Debatte zu bringen und die Gräben wieder etwas zu schließen.