Die russische Regierung will mit Hilfe von Medien beeinflussen, wie die Bundestagswahl in Deutschland ausgeht. Social Media ist dabei sehr wichtig.

Rheinland-Pfalz Interview: Wie Russland die Bundestagswahl medial beeinflussen will

Stand: 31.01.2025 11:44 Uhr

Wie die Bundestagswahl ausgeht, ist für Russland wichtig. Politik-Experte Markus Linden aus Trier erklärt, wie die russische Regierung mit Hilfe von Medien darauf einwirken will.

Politikwissenschaftler Markus Linden arbeitet seit 2017 am Lehrstuhl für Politik und Wirtschaft Chinas an der Universität Trier. Er forscht unter anderem zu digitalen Alternativmedien und Verschwörungstheorien.

Markus Linden ist Politikwissenschaftler an der Universität Trier. Er forscht auch zu russischen Rechtsextremisten, etwa zu Alexander Dugin.

Markus Linden ist Politikwissenschaftler an der Universität Trier. Er forscht auch zu russischen Rechtsextremisten, etwa zu Alexander Dugin.

In diesem Zusammenhang hat er auch Kanäle untersucht, die Fake News zugunsten des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seiner Politik betreiben.

SWR Aktuell: Herr Professor Linden, wer aktuell russische Medien verfolgt, wird feststellen, dass es dort auch um die Bundestagswahl in Deutschland geht. Normale Berichterstattung oder steckt da mehr dahinter?

Markus Linden: Das kann beides sein. Es gibt russischsprachige Blogger, die ganz normal über die Bundestagswahl in Deutschland berichten.

Andererseits gibt es auch gezielte Propagandakampagnen, die sich bis nach Russland zurückverfolgen lassen. Sie werden von der russischen Regierung beauftragt.

SWR Aktuell: Warum interessiert sich die russische Regierung in Moskau überhaupt für eine Wahl in Deutschland, die fast 2.000 Kilometer vom eigenen Land entfernt stattfindet?

Linden: Das zentrale ideologische Ziel der russischen Staatsregierung ist es, den Westen zu spalten und das dortige freie Leben zu vernichten. Dieses Ziel wird vom russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgegeben und er verheimlicht das auch nicht.

Es geht dabei einerseits um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Russland will dort Gebiete einnehmen. Der Westen steht dem im Weg, weil er die Ukraine militärisch unterstützt.

Zudem ist das freie Leben im Westen in seinen Augen teuflisch und daher gilt es, dieses zu bekämpfen.

SWR Aktuell: Wie wichtig sind Medien für die Ziele der russischen Regierung?

Linden: Sie spielen seit dem Jahr 2010 eine immer größere Rolle. Russische und proputinistische Medien sollen Menschen in Deutschland mit ihren Inhalten davon überzeugen, sich gegen das freie und demokratische Weltbild des Westens zu stellen.

Das gelingt ihnen, in dem sie unter anderem Desinformationen über ihre Kanäle verbreiten.

SWR Aktuell: Welche Medien und Kanäle nutzt Russland, um auf die Bundestagswahl in Deutschland Einfluss zu nehmen?

Linden: Die russische Regierung ist in der Wahl ihrer Mittel sehr frei. Es werden etwa Fake-Profile auf X (ehemals Twitter) oder Facebook genutzt, um Desinformationen im Internet zu streuen. Auch der russische Messengerdienst Telegram und YouTube dienen dazu.

Auf YouTube werden Inhalte hochgeladen, die etwas anspruchsvoller für die Zuschauer sein sollen. Dort können sich die Nutzer etwa russische Nachrichtensendungen ansehen, in denen dann die richtige russische Propaganda betrieben wird.

Es gibt aber auch viele Kanäle, die freiwillig mitmachen, also nicht von der russischen Regierung dafür bezahlt werden. Sie glauben an die Ideologie, die Russland verfolgt oder haben das als Geschäftsmodell für sich entdeckt.

Ein Beispiel aus Deutschland dafür wäre das Portal "NachDenkSeiten". Das ist der wichtigste Kanal für proputinistische Pseudonachrichten in Deutschland, auch mit einem leichten Hang hin zu Verschwörungstheorien.

Das ist eine Vorfeldplattform für das BSW. Einer der Autoren auf den "NachDenkSeiten" ist der ehemalige Finanzminister Deutschlands Oskar Lafontaine, der Ehemann von BSW- Gründerin Sahra Wagenknecht. Ein anderes Beispiel wäre das Compact Magazin. Ein Vorfeldakteur der AfD.

SWR Aktuell: Der Kanal "Kanzlerdaddy" dürfte einer SWR-Recherche nach ein weiteres Beispiel für ein russisches Medium sein, das die Meinungen von Menschen in Deutschland mit Inhalten zugunsten Putins und seiner Politik beeinflussen will. Wie schätzen Sie diesen Kanal ein?

Linden: Dieser Kanal ist ziemlich geschickt gemacht. Er geht sehr vielfältig vor. Auf Telegram werden kurze Originalvideos hochgeladen. Sie verweisen auf den YouTube-Kanal von "Kanzlerdaddy".

Dort wird Deutschland halb satirisch so dargestellt, als ob hier Chaos herrscht, alles dem Untergang geweiht ist und die Politiker nur Marionetten sind. Es gebe auch angeblich keine Meinungsfreiheit in Deutschland.

Margarita Simonjan ist Programmchefin von RT. Sie steht seit Februar 2022 infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine auf der Sanktionsliste der Europäischen Union (EU).
SWR-Recherche: Was verbirgt sich hinter "Kanzlerdaddy"?
"Kanzlerdaddy" ist ein russischer Kanal, der Beiträge unter anderem auf YouTube, Telegram, TikTok und RuTube veröffentlicht. Die Beiträge sind überwiegend auf Russisch. Es gibt aber auch Beiträge mit deutschen Untertiteln oder wie auf dem TikTok-Kanal komplett auf Deutsch - dort mit teils mehreren Millionen Aufrufen. "Kanzlerdaddy" rechnet auf den Plattformen mit fast allen Parteien aus dem Deutschen Bundestags ab, außer mit der AfD. Deren Inhalte werden nach einer SWR-Recherche verbreitet und befeuert. Wer "Kanzlerdaddy" betreibt ist nicht klar ersichtlich. Aber: es gibt der Recherche nach Verbindungen zum in Deutschland inzwischen verbotenen russischen Fernsehsender RT (früher Russia Today). RT-Programmchefin Margarita Simonjan hat auf ihrem russischen Telegram-Kanal wiederholt auf "Kanzlerdaddy" verwiesen. Sie steht seit Februar 2022 infolge der russischen Angriffskrieges auf die Ukraine auf der EU-Sanktionsliste. Zudem arbeitet eine "Kanzlerdaddy"-Moderatorin offenbar für RT in Moskau.

Als einzige Rettung erscheinen in den Videos radikale oder populistische Parteien wie das BSW oder die AfD. Auf dem YouTube-Kanal werden auch Menschen interviewt, die angeblich Deutschland-Experten sind.

Eine davon war Olga Petersen. Das ist eine ehemalige AfD-Abgeordnete in der Bürgerschaft in Hamburg. Sie stammt aus Russland und wohnt jetzt wieder dort. Sie verbreitet von dort proputinistische Propaganda.

SWR Aktuell: Die Sendungen und Beiträge über die Bundestagswahl in Deutschland sind überwiegend auf Russisch. Wer ist die Zielgruppe davon?

Linden: Die Beiträge richten sich in erster Linie an die sogenannte Aussiedler Community. Also Leute, die russisch sprechen und in Deutschland wohnen. Das ist jeder aus den ehemaligen Staaten der Sowjetunion, etwa aus der Ukraine oder Russland.

Die Beiträge sind teilweise aber auch auf Deutsch untertitelt. Man kann davon ausgehen, dass manche Deutsche sich das anschauen. Sie wollen sehen, wie die andere Seite über Deutschland denkt.

SWR Aktuell: Welchen Parteien könnte der Einfluss russischer Medien bei der Wahl zugutekommen?

Linden: Alle Parteien, die aus Deutschland die proputinistische Propaganda betreiben. Das zielt ganz klar auf die AfD und das BSW. Ziel ist es aber vor allem, die AfD zu unterstützen.

Russische Medien wissen, dass die AfD auf der Seite von Wladimir Putin steht. Markus Linden, Politikwissenschaftler von der Uni Trier.

Weil die russischen Medien wissen, dass die AfD auf der Seite von Wladimir Putin steht. Die AfD ist ein Garant dafür, dass die westliche Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland abebbt. Die AfD könnte auch dafür sorgen, dass die Europäische Union zerfällt.

SWR Aktuell: Abschließend gefragt, wie stark wird die russische Regierung Ihrer Einschätzung nach dem Ausgang der Wahl im Februar durch russische Kanäle und Medien tatsächlich beeinflussen können?

Linden: Meines Erachtens sind die Auswirkungen massiv und jetzt schon spürbar. Wenn man die AfD für Mehrheiten heranzieht oder mit dem BSW koaliert, hat Putin Zwischenziele erreicht.

Sendung am Fr., 31.1.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz