Eine Patientin öffnet einen Grinder, mithilfe dessen medizinisches Cannabis zerkleinert wurde.

Rheinland-Pfalz Missbrauch von medizinischem Cannabis: Zu leicht online erhältlich?

Stand: 01.02.2025 04:04 Uhr

Cannabis als Medizin. Das ist seit 2017 möglich. Mit der Teillegalisierung im vergangenen Jahr wurde der Zugang zu medizinischem Cannabis weiter vereinfacht. Wurde damit Missbrauch von Medizinal-Cannabis Tür und Tor geöffnet?

Am 1. April 2024 ist das Cannabisgesetz in Kraft getreten. Damit wurde der private Eigenanbau durch Erwachsene sowie der nicht-gewerbliche Anbau von Cannabis in Vereinen legalisiert - alles zum Eigenkonsum. Doch nicht nur das: Auch die Verordnung von Medizinal-Cannabis hat sich verändert. Inzwischen ist für die Verschreibung von medizinischem Cannabis kein Betäubungsmittelrezept mehr erforderlich. Wie andere Arzneimittel auch, können Ärzte und Ärztinnen seit April 2024 medizinisches Cannabis per elektronischem Rezept verschreiben.

"Wie werde ich Cannabispatient:in?"

Das haben sich verschiedene Anbieter seither zu Nutze gemacht. Vielfach wird Medizinal-Cannabis online angeboten. Unterschiedliche Websites haben eigens dafür eingerichtete Reiter mit dem Titel "Wie werde ich Cannabispatient:in?". Über Telekliniken und ärztliche Online-Dienste kann schnell ein ärztlicher Rat eingeholt und ein Cannabis-Rezept direkt von zuhause aus bestellt werden. Mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen wird die Beschaffung von medizinischem Cannabis so kinderleicht.

Mehrfach ist auf diesen Websites zu lesen, dass nach der Konsultation - also nach einer Untersuchung und Beratung durch einen Arzt - "falls medizinisch indiziert, ein Rezept für medizinisches Cannabis" ausgestellt werden kann. Diese Konsultation, wie sie auf vielen Websites angegeben wird, erfolgt über einen Fragebogen. Ein persönliches Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin ist möglich, aber nicht zwingend erforderlich.

Medizinal-Cannabis ohne ärztliche Untersuchung

Auch das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz befürchtet: "Es ist davon auszugehen, dass in nicht geringem Umfang insbesondere online Verschreibungen über medizinisches Cannabis erstellt werden ohne eine ordnungsgemäße ärztliche Untersuchung und ohne die Feststellung einer entsprechenden Indikation." Die Suchtberatungsstelle des Caritas-Zentrums in Kaiserslautern hört ebenfalls immer häufiger davon, dass medizinisches Cannabis konsumiert wird.

Abgabe und Verschreibung von Cannabis zu medizinischen Zwecken laut Medizinal-Cannabisgesetz
Medizinal-Cannabis darf nur von Ärztinnen und Ärzten verschrieben werden oder in Rahmen einer Behandlung beim Arzt oder bei der Ärztin verabreicht werden. Das ausgehändigte E-, Privat- oder Kassenrezept können die Patienten und Patientinnen bei einer Apotheke einreichen und erhalten dann das medizinische Cannabis. Die Überwachung des Cannabis-Anbaus zu medizinischen Zwecken unterliegt dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Lukas* aus Mainz konsumiert Cannabis inzwischen nur noch über diesen Weg. Medizinisch notwendig sei es bei ihm nach eigenen Angaben nicht. Mit einem Arzt oder einer Ärztin habe er nicht gesprochen. Dennoch konsumiert er medizinisches Cannabis, das er sich auf legalem Wege online beschafft.

Man muss sich also sehr doof anstellen, damit der Arzt oder die Ärztin das Rezept letztlich nicht ausstellen würde. Lukas aus Mainz

Dazu hat er zunächst seinen Warenkorb mit dem gewünschten Cannabis gefüllt und dann einen Fragebogen bei "dransay.com" ausgefüllt. "Einige Felder sind rot markiert", berichtet Lukas. Das suggeriere, dass diese Felder nicht angeklickt werden dürfen. Das stehe aber nirgends. "Man muss sich also sehr doof anstellen, damit der Arzt oder die Ärztin das Rezept letztlich nicht ausstellen würde." Und auch Sabine Hübner, Suchtberaterin beim Caritas-Zentrum in Kaiserslautern, sagt: "Da muss man ja nur angeben, dass man Schlafprobleme hat und zack bekommt man ein Cannabis-Rezept."

Nachdem der Fragebogen ausgefüllt, eine medizinische Indikation angegeben und ein Foto vom Personalausweis hochgeladen wurde, wird der Bogen von einem Arzt oder einer Ärztin überprüft. Ist alles in Ordnung, erhält Lukas sein privates E-Rezept, das er auch direkt im Shop eingeben kann. Das bestellte Produkt wird direkt nach Hause geliefert.

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband Rheinland-Pfalz distanziert sich davon: "Medizinisches Cannabis wird nicht von allen Ärzten verordnet. Sollte es Bestandteil einer Therapie sein, wird das mit dem Patienten sicherlich immer besprochen." Dass das nicht der Fall ist, zeigt der Fall von Lukas.

Eine Frau raucht einen Joint.

Eine Frau raucht einen Joint (Symbolbild).

Landesgesundheitsminister Clemens Hoch (SPD): Missbrauch hat zugenommen

Ist der Konsum von Lukas schon ein Missbrauch von Medizinal-Cannabis? "Seit der Teillegalisierung von Cannabis am 1. April 2024 hat der Missbrauch von Medizinal-Cannabis über Internet-Plattformen in Deutschland deutlich zugenommen“, hat der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) mitgeteilt. Er fordert gesetzliche Änderungen. 

"Medizinisches Cannabis ist nicht für Konsumzwecke, sondern zur Anwendung im Rahmen einer ärztlichen Therapie bzw. Behandlung bestimmt", schreibt auch das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz. Die Verschreibungspflicht solle Patienten und Patientinnen davor schützen, dass es zu einem Fehlgebrauch komme.

Medizinal-Cannabis für den gelegentlichen Konsum

Bei Lukas aus Mainz ist genau das der Fall. Er konsumiert medizinisches Cannabis, das nicht im Rahmen einer ärztlichen Therapie verschrieben wurde. Ob ihm der Missbrauch bewusst ist? Ja, sagt er. Dennoch bleibe er dabei. Denn Medizinal-Cannabis habe für ihn viele Vorteile. Insbesondere das Auswählen der Wirkung und Stärke überzeugt ihn. Und auch die Sicherheit des Produkts: "Am Ende habe ich ein sicheres medizinisches Produkt mit Apothekenstandard. Und ich muss mir keine Gedanken darüber machen, ob es verunreinigt ist."

*Der Name wurde von der Redaktion geändert, ist der Redaktion aber bekannt.

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