
Rheinland-Pfalz Plan von Merz: Sind dauerhafte Grenzkontrollen machbar?
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz fordert dauerhafte Grenzkontrollen zu allen Nachbarstaaten. Ist dieser Plan für die Bundespolizei überhaupt umsetzbar - und wie ist die Rechtslage?
Fünf Punkte umfasst der Plan zur Migrationspolitik, den Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) vorgelegt hat und über den in dieser Woche als Antrag im Bundestag abgestimmt werden soll. Sein Plan umfasst auch die dauerhafte Grenzkontrolle zu allen Nachbarstaaten Deutschlands.
Diese Forderung macht die CDU auch zu einem Wahlversprechen: "An Tag 1 einer Bundesregierung eines Kanzler Merz werden die Grenzen per Richtlinienkompetenz geschlossen" postete zum Beispiel Julia Klöckner, die Spitzenkandidatin für die CDU in Rheinland-Pfalz, in den vergangenen Tagen auf Instagram.
Schengen als "Grundpfeiler der EU"
Bereits seit September gibt es in Deutschland Grenzkontrollen durch die Bundespolizei. Sie sind jedoch zeitlich befristet. Dauerhafte Grenzkontrollen seien in Deutschland nicht zulässig, sagt Kolja Schwartz aus der SWR-Rechtsredaktion. Mit seinem Vorschlag bewege sich Merz "rechtlich auf dünnem Eis."
"Deutschland hat vor vielen Jahren den Schengener Grenzkodex unterzeichnet. Danach gilt die klare Grundregel: Es gibt keine Grenzkontrollen zwischen den Staaten im Schengen-Raum", so Schwartz. "Schengen gilt als ein Grundpfeiler der EU, der zum Beispiel für die Wirtschaft und den Tourismus wichtig ist." Mit den Vorschlägen der Union würde bei den Grenzkontrollen die Ausnahme zur Regel gemacht, sagt Schwarz. "Dauerhafte, zeitlich unbegrenzte Grenzkontrollen sind nach den Schengen-Regeln nicht vorgesehen."
Europäisches Recht vor nationalem Recht
Als weitere Maßnahme sieht Merz ein Einreiseverbot für alle Menschen vor, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen. "Eine Änderung des Asylgesetzes oder des Aufenthaltsgesetzes ändert nichts an den europäischen Regeln, die vorrangig gelten", sagt Schwartz. In der sogenannten Dublin-III-Verordnung stehe unter anderem, wie mit Menschen zu verfahren ist, die an den deutschen Grenzen ankommen und Asyl suchen.
"Die Mitgliedsstaaten dürfen sie nicht einfach an der Grenze zum Umkehren zwingen, sondern sie müssen überprüfen, wer für das Asylverfahren in der EU zuständig ist." Nach diesem Verfahren müssen die Flüchtlinge in das zuständige Land überstellt werden. "Asylsuchende sollen also koordiniert zurückgeführt werden und nicht in Europa umherirren und von einem Land in ein anderes geschickt werden." In aller Regel seien für die Asylverfahren nicht die deutschen Nachbarländer zuständig, sondern die Mitgliedsstaaten an den EU-Außengrenzen.
Bundespolizei für Kontrollen zuständig
Kontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen fallen in den Aufgabenbereich der Bundespolizei. In Rheinland-Pfalz mit seinen Außengrenzen zu Belgien, Luxemburg und Frankreich ist die Bundespolizeidirektion Koblenz zuständig. Diese Grenzverläufe haben in Rheinland-Pfalz eine Länge von rund 300 Kilometern.
Bei den befristeten Grenzkontrollen hatten die Beamten der Bundespolizei zwischen September und Dezember rund 1.600 illegale Einreisen und Einreiseversuche festgestellt, die meisten davon an der Grenze zu Frankreich.
Zu dem aktuellen Vorstoß von Merz will man sich in Koblenz nicht näher äußern. Gegenüber dem SWR heißt es, man bitte um Verständnis dafür "dass sich die Bundespolizei zu Aussagen von Politikern und Gewerkschaften grundsätzlich nicht äußert".
Polizeigewerkschaft: "Nicht durchsetzbar"
Bereits in der vergangenen Woche hatte jedoch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Vorschläge von Merz als "nicht durchsetzbar" bezeichnet. "Wir haben eine Länge von 3.800 Kilometern Binnengrenzen. Wir sind mit der Art und Weise der Grenzkontrollen, die wir jetzt schon betreiben, am Rande des Machbaren", sagte der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, dem MDR. Für die Pläne von Merz seien "nicht nur hunderte, sondern tausende Kollegen mehr" nötig.
Dass Merz alle Flüchtlinge ohne gültige Dokumente zurückzuweisen wolle, sei "nicht umsetzbar", sagte Roßkopf. Neue Beamtinnen und Beamte müssten auch erst ausgebildet werden, was zwischen zweieinhalb und drei Jahren dauere. Nötig seien aus seiner Sicht auch Investitionen in moderne Hilfsmittel wie Drohnen- und Kennzeichenerfassungs-Technik.
Kontroverse Diskussion bei Innenministerkonferenz
Hintergrund von Merz' Forderungen ist die Bluttat von Aschaffenburg. Ein psychisch kranker, ausreisepflichtiger Afghane soll dort am vergangenen Mittwoch zwei Menschen erstochen und drei weitere schwer verletzt haben. Über Konsequenzen aus der Tat wurde am Montag auch auf einer Sonderkonferenz der Innenminister diskutiert - ohne Ergebnis.
Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) kritisierte, dass mit den SPD-Ländern in den zentralen Fragen keine Einigung habe erzielt werden können. "Eine umfassende Zurückweisung auch von Asylsuchenden an den deutschen Binnengrenzen ist mit der SPD nicht zu machen." Die Innenminister von CDU und CSU würden hier nicht nachgeben und weiter auf eine Wende in der Asylpolitik pochen.
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Die Union war beim Thema Migration sehr hartleibig - nach dem Motto: Entweder wir schlucken ihre Vorschläge jetzt, oder es gibt keine Einigung." Die geforderte Zurückweisung aller Flüchtlinge an den Grenzen sei aber rechtlich äußerst fragwürdig. "Deshalb machen wir das nicht."
Scholz und Schweitzer widersprechen Merz
Bei einem Wahlkampfauftritt am Samstag in Kaiserslautern hatten auch Bundeskanzler Olaf Scholz und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (beide SPD) die Forderungen von Merz kritisiert. Schweitzer warnte davor, Aschaffenburg durch eine "parteipolitische Brille zu sehen" und Forderungen zu stellen, die nicht mit der Verfassung vereinbar seien.
Sendung am Mo., 27.1.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Rheinland-Pfalz, SWR RP