Landgericht in Bonn

Rheinland-Pfalz Prozess gegen Kinderpsychiater Winterhoff beginnt in Bonn

Stand: 12.02.2025 06:55 Uhr

Heute beginnt der Prozess gegen den bekannten Kinderpsychiater Michael Winterhoff vor dem Bonner Landgericht. Ihm wird laut Anklage gefährliche Körperverletzung in 36 Fällen vorgeworfen.

Der Kinder und Jugendpsychiater Michael Winterhoff war auch in Rheinland-Pfalz tätig - unter anderem in Heimen im Kreis Ahrweiler und dem Westerwald. Nach einer WDR-Dokumentation hatten sich viele Menschen gemeldet, die als Kinder und Jugendliche von dem Bonner Psychiater behandelt wurden. Er soll ihnen unter anderem jahrelang Psychopharmaka verschrieben haben, die sedierend wirken und schwerste Nebenwirkungen haben können - und das zum Teil ohne Diagnose.

Opferanwalt: Betroffene leiden bis heute unter Nebenwirkungen

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm deshalb gefährliche Körperverletzung durch Beibringung von Gift vor. Die insgesamt 36 Taten sollen sich demnach zwischen 2004 und 2021 ereignet haben. Durch den sedierenden Effekt des Medikaments sollten die Kinder laut Anklage für von dem Angeklagten vertretene autoritäre Erziehungsmethoden gefügig gemacht werden. Diese Erziehungsmethoden habe er den Erziehungsberechtigten empfohlen.

Die Betroffenen leiden laut einem Opferanwalt bis heute seelisch und auch körperlich unter den Folgen. Bei vielen Patienten sind den Angaben zufolge Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Bewegungssteifheit und erhebliche Gewichtszunahmen aufgetreten.

Patientenakten und Beweismaterial bei Durchsuchungen gesichert

Seit mehreren Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Kinderpsychiater. In der Folge hatten zahlreiche Kriminalbeamte 15 Kinderhilfe Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen durchsucht, in denen Winterhoff tätig war. Dabei wurden Patientenakten und umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt.

Sendehinweis: Der Kinderpsychiater - Die Macht des Dr. Winterhoff
Die dreiteilige Doku-Serie von Nicole Rosenbach erscheint am 12.02. um 18 Uhr in der ARD Mediathek und wird am 24.02. um 23 Uhr im Ersten ausgestrahlt. Sie beleuchtet, wie Michael Winterhoff in der Öffentlichkeit zum Star wurde, wie er Kinder und Jugendliche mit Medikamenten ruhig gestellt haben soll und warum niemand den Arzt aufhielt.

Kinderpsychiater bestreitet Vorwürfe

Der Kinderpsychiater, der seine Praxis Ende 2021 geschlossen hat, bestreitet die Vorwürfe. Er stand für ein Interview nicht zur Verfügung, erklärte aber schriftlich, es gebe keine Beweise, dass seine medikamentöse Behandlung Schäden verursacht habe. In keinem Fall sei es zu einem dauerhaften pathologischen Zustand oder einer Körperverletzung gekommen.

Er betont Medikamente nur eingesetzt zu haben, wenn es medizinisch klar notwendig gewesen sei, Patienten also nicht mehr in der Lage waren, angemessen auf eine soziale Ansprache zu reagieren oder am schulischen Alltag teilzuhaben. Die Sorgeberechtigten seien stets ordnungsgemäß aufgeklärt worden und die Verordnungen nicht systematisch erfolgt. Dass eine Weiterbehandlung notwendig ist, sei regelmäßig überprüft worden. Die Dosierung sei so gewählt worden, dass Nebenwirkungen, insbesondere Sedierungen, vermieden würden.

Urteil könnte Ende Juli fallen

Einige Betroffene sehen das anders: Sie sagen, Winterhoff habe sie nicht ausreichend über die Nebenwirkungen aufgeklärt. Das Bonner Landgericht hat für den Prozess rund 40 Verhandlungstage bis Ende Juli angesetzt. 

Sendung am Mi., 12.2.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz