
Rheinland-Pfalz Wahlkampf und Wahrheit? Faktencheck zu Aussagen der RLP-Spitzenkandidaten
Die rheinland-pfälzischen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten haben sich am Mittwochabend den Fragen der Bürger gestellt. Wir haben die strittigsten Aussagen geprüft.
Elf Tage vor der Bundestagswahl haben sich die rheinland-pfälzischen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten im SWR einen Schlagabtausch geliefert. 105 Minuten lang beantworteten sie in der Wahlarena die Fragen der Moderatoren und Fragen aus dem Publikum. Gesprochen wurde über die Themen Gesundheitsversorgung, Migration, Wirtschaft, Rente und Energie. Wir haben in einem Faktencheck einige Aussagen überprüft.
- "98 Prozent der Asylsuchenden haben keinen Anspruch auf Asyl"
- "Von 5,5 Millionen Bürgergeldempfängern können 1,8 Millionen sofort arbeiten"
- "Diejenigen, die 60.000 Euro verdienen, zahlen schon den Spitzensteuersatz"
- "Durchschnittsrentner hat in Österreich 800 Euro mehr im Monat als in Deutschland"
- "Wir haben 30 Prozent mehr Insolvenzen"
- "Strom ist durch den Ausstieg aus der Atomenergie teurer geworden"
98 Prozent der Asylsuchenden, die zu uns kommen, haben keinen Anspruch auf Asyl. Sebastian Münzenmaier, AfD-Spitzenkandidat
Das stimmt so nicht
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat die Anerkennungs- und Ablehnungsquoten von Asylanträgen seit 2015 erfasst. Von den rund 301.000 Asylanträgen im Jahr 2024 wurden 31 Prozent abgelehnt. Die höchste Quote abgelehnter Asylanträge gab es im Jahr 2017 mit 38 Prozent.
Von den 5,5 Millionen Bürgergeldempfängern können 1,8 Millionen sofort arbeiten. Julia Klöckner, CDU-Spitzenkandidatin
Das stimmt so nicht
Nach Angaben des Deutschen Instituts der Wirtschaft (DIW) vom August 2024 sind 1,7 Millionen von insgesamt 5,59 Millionen Bürgergeldempfängern arbeitslos und könnten theoretisch arbeiten. Allerdings bräuchten sie dafür auch einen Job.
Der Haken: Viele dieser Menschen bringen laut DIW-Analyse erhebliche Einschränkungen mit sich: es fehlt ein Berufsabschluss oder sogar eine Schulausbildung, es liegen gesundheitliche Einschränkungen wie eine Sucht oder eine psychische Erkrankung vor, es müssen Kinder versorgt oder Angehörige gepflegt werden. Deshalb stellen potenzielle Arbeitgeber kaum jemanden von den 1,7 Millionen ein, weil ihnen die Kosten und das Risiko zu hoch sind. Nach Angaben des DIW gelten 16.000 Menschen als Verweigerer. Das sind 0,28 Prozent der 5,59 Millionen Bürgergeldempfänger.
Diejenigen, die 60.000 Euro verdienen, zahlen schon den Spitzensteuersatz. Julia Klöckner, CDU-Spitzenkandidatin
Das stimmt so nicht
Das Bundesfinanzministerium gibt auf seiner Website an, dass der Spitzensteuersatz von 42 Prozent seit Januar 2024 ab einem Jahreseinkommen von 66.761 Euro erhoben wird. 2023 lag die Grenze bei 62.810 Euro Jahreseinkommen - also ebenfalls über den erwähnten 60.000 Euro.
Der Durchschnittsrentner hat in Österreich 800 Euro mehr im Monat als in Deutschland. Alexander Ulrich, BSW-Spitzenkandidat
Das stimmt so nicht
Nach Berechnungen der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags für 2023 ist zwar die durchschnittliche gesetzliche Rente in Österreich höher als in Deutschland - die Differenz beträgt demnach aber keine 800 Euro pro Monat, sondern 740 Euro. Die Deutsche Rentenversicherung weist daraufhin, dass die Rentensysteme in Deutschland und Österreich schwer zu vergleichen sind.
In Österreich zahlen fast alle Beschäftigten in das System ein: auch Beamte und Selbständige. Zudem sind die Rentenbeiträge in Österreich deutlich höher als bei uns. Und während man in Österreich 15 Jahre gearbeitet haben muss, um Rente zu bekommen, hat man in Deutschland nach 5 Jahren Arbeit Anspruch auf Rente. Dadurch gibt es in Deutschland auch viele niedrigere Renten, die damit den Durchschnitt senken.
Wir haben 30 Prozent mehr Insolvenzen. Julia Klöckner, CDU-Spitzenkandidatin
Das stimmt so nicht
Wenn Julia Klöckner die Zeit seit dem Amtsantritt Robert Habecks (Grüne) als Wirtschaftsminister meint, dann ist die Aussage nicht richtig. Nach Berechnung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform gab es beim Amtsantritt Habecks Ende 2021 insgesamt 121.190 Insolvenzen. Drei Jahre später, kurz vor dem Ende seiner Amtszeit, beträgt die Zahl 121.300 Insolvenzen. Das wären nur 0,09 Prozent mehr Insolvenzen.
Um die von Julia Klöckner genannte Zahl von 30 Prozent mehr Insolvenzen zu verstehen, könnte eine Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom Januar 2025 helfen. Das Amt vergleicht darin die zu diesem Zeitpunkt aktuellste Zahl der Insolvenzen vom Oktober 2024 und Oktober 2023 und stellt eine Steigerung der Insolvenzen von 35,9 Prozent fest.
Strom ist durch den Ausstieg aus der Atomenergie teurer geworden Julia Klöckner, CDU-Spitzenkandidatin
Das stimmt so nicht
Die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke hat die Strompreise, wie von Julia Klöckner behauptet, nicht in die Höhe getrieben. Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind die Preise gesunken. Für Privathaushalte liegt der Preis im Januar 2025 rund 9,3 Prozent unter dem Preis vom April 2023, als die letzten drei deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet wurden. Der Industriestrompreis ohne Vergünstigungen liegt 12,2 Prozent unter dem Wert von April 2023 und der Industriestrompreis inkl. aller möglichen Vergünstigungen liegt 22,5% unter dem Preis von April 2023.
In die Höhe getrieben hat die Strompreise aber nachweislich der Krieg in der Ukraine mit all seinen Konsequenzen. Davor waren die Energiepreise deutlich günstiger.