Kirchenkreuz auf dem Dach einer entwidmeten Kirche, Symbolbild für: Wenn die Kirche zur Kita oder Arztpraxis wird

Rheinland-Pfalz Wenn die Kirche zur Kita oder Arztpraxis wird

Stand: 21.02.2025 06:03 Uhr

Schrumpfende Kirchengemeinden, weniger Einnahmen: Vor allem die katholische Kirche gibt in Rheinland-Pfalz Kirchenhäuser auf. Dort entstehen Wohnhäuser und auch Ungewöhnlicheres.

In der ehemaligen St. Paulus Kirche in Ingelheim, wo einst katholische Gottesdienste gefeiert wurden, toben jetzt Vorschulkinder über bunte Bausteine und Kletterelemente. Im Hintergrund steht immer noch der Altar. Aus einer Nische heraus wacht die Statue des heiligen St. Paulus über das Geschehen - er ist auch Namensgeber der Kita, die in die im Januar 2024 entweihte Kirche eingezogen ist.

Von der Kirche zur farbenfrohen Kita

Der Betrieb der Kita St. Paulus ist hier Ende August 2024 gestartet. Vorausgegangen war ein monatelanger Umbau der denkmalgeschützten Räumlichkeiten, die Ende der 1970er Jahre entstanden sind.

Im alten Kirchenraum befindet sich nun der Turn-, Spiel- und Bewegungsraum für die Kitakinder - dort gibt es auch eine Lese- und eine religionspädagogische Ecke. Im ehemaligen Gemeindesaal unterhalb des Kirchenraums wurden Trockenbauwände eingezogen, um mehrere kleinere Räume für einzelne Kitagruppen sowie für ein Atelier und einen Forscherraum zu schaffen.

Im ehemaligen Kirchenraum der katholischen St. Paulus Kirche in Ingelheim können sich jetzt Vorschulkinder im Turn- und Bewegungsbereich austoben.

Die katholische Kita St. Paulus in Ingelheim: im ehemaligen Kirchenraum steht links noch der Altar, rechts daneben können sich die Kinder im Turn- und Bewegungsbereich austoben.

Positives Beispiel: Neues Leben in alter Kirche

Etwa 100 Kinder im Alter zwischen 2 und 6 Jahren kommen täglich in die Kita St. Paulus in Ingelheim. "Wir sind sehr zufrieden und auch die Eltern finden die Kita in der Kirche toll", sagt die Kita-Leiterin Caroline Gänßler. Die St. Paulus Kirche sei ein schönes Beispiel dafür, wie man ein ehemaliges Gotteshaus mit neuem Leben füllen könne.

Rheinhessen: Ortsgemeinderatssitzungen in Kapelle

Neben der St. Paulus Kirche hat das Bistum Mainz in Rheinhessen in den letzten Jahren noch vereinzelte Kapellen entwidmet: zum Beispiel die Kapelle St. Johannes der Täufer in Flörsheim-Dalsheim. Diese soll unter anderem für Sitzungen des Ortsgemeinderates genutzt werden und wird derzeit saniert. Und in Ingelheim wird die entweihte Monika-Kapelle mittlerweile vom Haus St. Martin genutzt. Das ist eine Einrichtung der Caritas für schwerbehinderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Die Kapelle dient dort derzeit vorerst als Lagerraum.

Aus Kirche in Bad Bertrich soll Tagungszentrum werden

In Bad Bertrich ist im vergangenen Jahr die evangelische Philipp-Melanchthon-Kirche entwidmet worden. Bis in den Dezember 2024 hinein lief ein Bieterverfahren, nun ist nach Aussage des zuständigen Pfarrers Thomas Werner ein Käufer gefunden: "Die Kirche soll an einen Uni-Professor verkauft werden, der auch eine Unternehmensberatung hat." Und der wolle aus dem denkmalgeschützten Gebäude eine Seminar- und Ausbildungsstätte für Topmanager aus dem Wirtschaftsbereich machen.

Die Philipp-Melanchthon-Kirche in Bad Bertrich von außen.

Die evangelische Philipp-Melanchthon-Kirche in Bad Bertrich ist profaniert und wird verkauft. Der Käufer will das denkmalgeschützte Gebäude zum Tagungszentrum für Manager umbauen.

"Der Charakter der Kirche soll dabei innen und außen erhalten bleiben", so Werner. Der Kaufvertrag stehe schon. Es müssten aber noch einige Formalitäten geklärt werden, damit der Verkauf im Laufe dieses Jahres vollzogen werden könne. Ein Schlussgottesdienst in Bad Bertrich ist für den 15. März geplant.

Entwidmete Kirchengebäude in Rheinland-Pfalz
Wir haben bei den katholischen Bistümern und den evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz nachgefragt, wie viele Kirchen und Kapellen in den vergangenen fünf Jahren, also seit 2020, entwidmet wurden. Im Bistum Trier waren es auf rheinland-pfälzischem Gebiet 15, im Bistum Speyer neun, im Bistum Limburg fünf und im Bistum Mainz drei Kirchengebäude. Die Evangelische Kirche hat in ganz Rheinland-Pfalz in dem Zeitraum insgesamt fünf Kirchen abgetreten. In den katholischen Bistümern ist der Umbau- und Erneuerungsprozess bereits weiter fortgeschritten als bei den evangelischen Kirchen. Grund für diese Maßnahmen sind die zahlreichen Kirchenaustritte der letzten Jahre und damit einhergehend weniger finanzielle Einnahmen. Nach Aussage aller Kirchen liegt der Fokus bei der Reduzierung ihrer Gebäudebestände mehr auf Gemeindezentren und Pfarrhäusern, weniger auf den eigentlichen Kirchengebäuden. Dennoch sollen auch in den kommenden Jahren weitere Kirchen und Kapellen in Rheinland-Pfalz entwidmet werden.

Eine Arztpraxis, wo früher ein Beichtstuhl stand

In Potzbach im Donnersbergkreis gehört die ehemalige katholische Kirche jetzt einem Arzt. Der 35-jährige Lukas Schur ist gerade mitten in der Facharztausbildung am Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern. Wenn er diese beendet hat, will er in der ehemaligen Kirche gemeinsam mit seiner Frau Lara eine Praxis für Allgemeinmedizin eröffnen. "Unsere Vorfreude ist riesig, aber das finanzielle Risiko auch hoch", sagt Schur. In etwa fünf Jahren will der gebürtige Potzbacher den Traum von der eigenen Praxis in seinem Heimatort wahr machen.

Lukas und Lara Schur wollen direkt hinter der Kirche auch ein Wohnhaus bauen. Auf dem ehemaligen Altar des Gotteshauses begutachten sie die Pläne dazu.

Lukas und Lara Schur wollen direkt hinter der Kirche auch ein Wohnhaus bauen. Auf dem ehemaligen Altar des Gotteshauses begutachten sie die Pläne dazu.

Anstelle von Kirchenbänken und einem Altar werden dann Patientinnen und Patienten im Wartezimmer sitzen und Lukas Schur zwischen den Behandlungsräumen hin- und herlaufen. Bis es soweit ist, dauert es aber noch. Unter anderem möchten Schur und seine Frau direkt hinter der Kirche ein Wohnhaus bauen. Das sei bisher aber noch nicht genehmigt worden. Außerdem soll der Glockenturm neben der Kirche weiterhin in Betrieb bleiben.

Kirche in Potzbach im Donnersbergkreis soll Arztpraxis werden

In dieser Kirche in Potzbach im Donnersbergkreis soll in den kommenden Jahren eine Arztpraxis entstehen.

Potzbach: Einwohner freuen sich über Hausarzt im Ort

Die meisten Bürgerinnen und Bürger in Potzbach unterstützen die Pläne des 35-Jährigen. Viele seien auch froh, dass damit eine Arztpraxis in den Ort komme, sagt Schur. "Insgesamt ist die ärztliche Versorgung, vor allem im allgemeinmedizinischen Bereich, in Gefahr." Deshalb müssten seiner Meinung nach möglichst viele junge Ärzte versuchen, die medizinische Versorgung auf dem Land aufrechtzuerhalten. Mit der Arztpraxis in einer ehemaligen Kirche will Lukas Schur seinen Teil dazu beitragen.

Wie Kirchen in der Westpfalz anders genutzt werden

Andere Kirchengebäude im Westen der Pfalz hat ein ähnliches Schicksal ereilt wie die Kirche in Potzbach. Im Kreis Kusel in der Gemeinde Rammelsbach hat beispielsweise die Ortsgemeinde selbst die Kirche St. Remigius vom Bistum Speyer gekauft. Wie der Ortsbürgermeister Thomas Danneck (Wählergruppe "Votum für den Kreis Kusel") erzählt, wird das ehemalige Gotteshaus nun als Veranstaltungszentrum genutzt. In der Kirche seien schon Tanzabende, Weihnachtsfeiern und Neujahrsempfänge organisiert worden.

In Marnheim im Donnersbergkreis ist ein Bestattungsunternehmen in die katholische Kirche eingezogen. Im Kirchenraum werden seitdem die Verstorbenen aufgebahrt. Der Standort sei auch sehr passend für die Bestatter, sagt der Marnheimer Bürgermeister Tim Mühlbach (parteilos). Denn - wie so oft - gleich neben dem Kirchengebäude befindet sich auch der Marnheimer Friedhof.

In Trier werden entweihte Kirchen zu Wohnanlagen umgebaut

Im katholischen Bistum Trier sind in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe Kirchen und Kapellen umgewidmet worden. Mehrere davon wurden in Wohnanlagen umgebaut, darunter die Kirche Mariä-Himmelfahrt in Trier-Quint, Christi-Himmelfahrt in Trier-Ehrang und zuletzt Maria-Königin in Trier-Pallien.

Social-Media-Beitrag auf YouTube von SWR Aktuell: "Alle gottlos? Leben ohne Gott - Wer braucht noch Glaube und Religion? | SWR Aktuell 360 Grad"

Zurzeit gibt es in Trier ein weiteres Wohnungsbauprojekt im Umfeld der aufgegebenen Ambrosius-Kirche. Allerdings lässt dieses Bauvorhaben auf sich warten, nachdem die zuständigen Stellen des Landes und der Stadt dem ursprünglichen Konzept des Investors eine Absage erteilt haben. Bis Ende 2025 will dieser nun ein neues tragfähiges Konzept erarbeiten, dass den Auflagen für Denkmalschutz gerecht wird aber andererseits auch wirtschaftlich bleibt.

Auch Abrisse von Kirchen für Wohnprojekte

Mancherorts werden die verkauften Kirchen auch ganz abgerissen, um neuen Wohnprojekten zu weichen. So etwa in Landau-Wollmesheim. Dort stehen die katholischen Kirchen St. Mauritius und St. Albert vor dem Abriss. An letzterer Stelle will laut dem zuständigen Pfarrer das Gemeinnützige Siedlungswerk Speyer, ein Wohnungsunternehmen des Bistums Speyer, Mehrfamilienhäuser auch mit Sozialwohnungen bauen. Gesamtwohnfläche: 3.000 Quadratmeter. Auch kleine Wohnungen für Seniorinnen und Senioren sollen dort entstehen.

Der katholische Gottesdienst in der kleinen Gemeinde Wollmesheim soll dann im Gebäude der protestantischen Kirche abgehalten werden - einmal im Monat gemeinsam mit den Protestanten als ökumenischer Gottesdienst. Darüber gibt es laut dem Pfarrer auch schon Einigkeit.

Die katholische Kirche St. Albert in Landau-Wollmesheim soll abgerissen werden. Hier sollen bald Mehrfamilienhäuser entstehen.

Die katholische Kirche St. Albert in Landau-Wollmesheim soll abgerissen werden. Hier sollen bald Mehrfamilienhäuser entstehen.

Montabaur: Neues Wohngebiet auf ehemaligem Kirchen-Grundstück

Bereits abgerissen ist das aus den 1960er Jahren stammende evangelische Luther-Gemeindezentrum mit Kirche, Gemeindehaus und Pfarrhaus in Montabaur. Das wurde 2021 an einen Investor verkauft. Auf dem ehemaligen Gemeinde-Grundstück entsteht derzeit ein 8.000 Quadratmeter großes neues Wohngebiet.

Sendung am Fr., 21.2.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz