Auf TikTok war die AfD lange allein führend bei der Reichweite unter den vorwiegend jungen Nutzerinnen und Nutzern. Doch die Linke hat sprunghaft aufgeholt.

Rheinland-Pfalz Wieso Die Linke und die AfD auf TikTok so erfolgreich sind

Stand: 18.02.2025 15:01 Uhr

Die AfD und Die Linke führen kurz vor der Bundestagswahl die Statistiken an - bei TikTok. Die Linke gewinnt obendrein bei Unter-18-Jährigen eine Testwahl. Woher kommt dieser Erfolg? Fachleute in RLP haben da ein paar Ideen.

Die AfD und mit ihr sympathisierende Menschen und Accounts haben schon lange verstanden, wie man in den sozialen Netzwerken und vor allem auf TikTok erfolgreich ist. Lange waren sie damit allein an der Spitze, die anderen Parteien kamen nicht hinterher. Bis vor kurzem: Die Linke hat massiv aufgeholt, seit die Ampelkoalition zerbrochen ist. Das zeigen Daten von SPARTA, einem Analyse-Tool der Universität der Bundeswehr in München.

Was ist SPARTA?
Sparta ist ein Tool für Social Media Monitoring der Universität der Bundeswehr in München. Es soll den politischen Wettbewerb und Netzwerke politischer Gewalt analysieren. Im Monitoring sammelt SPARTA neben den Daten von TikTok auch die von X (vormals Twitter) und YouTube. Unter den jeweiligen Parteien zusammengefasst werden ausschließlich Posts von Parteikonten, nicht von Privatpersonen. Das umfasst die Konten von Kandidierenden, Bundestagsabgeordneten, Ministerpräsidentinnen und -präsidenten sowie Parteiaccounts derer Bundestagsfraktionen, - gruppen und Bundes- und Landesverbände.

Seit dem 7. Dezember 2024 haben TikTok-Beiträge von Die Linke dort mehr als 123 Millionen Aufrufe bei rund 1.560 Beiträgen (Stand 18. Februar 2025). Im selben Zeitraum sammelte die AfD 137 Millionen Aufrufe bei knapp 4.800 Beiträgen. Geht es nach den Likes, also der aktiven positiven Zustimmung zum Beitrag durch die Nutzerinnen und Nutzer, liegt Die Linke deutlich vorn mit mehr als 15,7 Millionen Likes für ihre Beiträge. Die AfD sammelte im selben Zeitraum mit mehr Beiträgen weniger, etwas mehr als 11,5 Millionen Likes.

Erfolg durch intimere Art der Kommunikation

Doch woher kommt dieser Erfolg, gerade bei TikTok? Nach Ansicht von Bernd Zywietz, Leiter des Bereichs Politischer Extremismus bei Jugendschutz.net aus Mainz, haben die Personen hinter den Accounts dieser beiden Parteien offenbar besser verstanden, wie die Plattform funktioniert als andere. "Sie filmen sich selbst, sind persönlich und nah, das schafft eine intimere Art der Kommunikation", erklärt er. Das mache authentisch und eben das komme auf der Plattform an.

Es hat ein Graswurzel-Flair, das andere nicht haben. Bernd Zywietz, Leiter des Bereichs Politischer Extremismus bei Jugendschutz.net

Videos anderer Parteien seien regelrecht "überproduziert": "Das sieht aus, als hätte ein Team für YouTube alles gefilmt und dann wird es für TikTok weiterverwertet." Entsprechend nicht plattform-gerecht und weniger erfolgreich sei der Inhalt.

Schwarz-Weiß-Denken funktioniert auf TikTok

Neben der Machart seien es aber auch die Inhalte, die auf einer Plattform wie TikTok gut funktionieren. "An den politischen Rändern, rechts wie links, gibt es tendenziell eher ein Schwarz-Weiß-Denken", sagt Zywietz. Zugespitzte Aussagen funktionierten besser, werden mehr geteilt, sagt er.

Da spiele auch der Algorithmus, der die Beiträge im persönlichen Feed sortiert, eine große Rolle, sagt Martin Bregenzer, Referent für Medienkompetenz bei Klicksafe aus Ludwigshafen. Dieser merke sich, wie man mit den Videos interagiert und wie lange und wie oft man sie ansieht. Entsprechend mehr solcher Inhalte spiele der Algorithmus aus, Nutzerinnen und Nutzer landen relativ schnell in einer Themen-Bubble.

Das funktioniere besonders gut bei emotionalen Themen, die zum Beispiel Angst und Wut erzeugen. "Stimmungen wie 'Wir sind nicht mehr sicher' oder 'Die nehmen uns was weg', funktionieren da besonders gut." Prinzipiell funktioniere das aber mit allen Emotionen, sagt Bregenzer: "Auch bei süßen Katzenvideos."

Kinder und Jugendliche würden mehrheitlich Die Linke wählen

Doch wie groß ist der Einfluss von TikTok tatsächlich? Die Linke sammelt nicht nur auf der Social-Plattform Likes, sondern punktete jetzt auch bei der U18-Bundestagswahl. Kinder und Jugendliche würden sich mehrheitlich für sie entscheiden. So das Ergebnis einer Testwahl, an der sich fast 170.000 junge Menschen beteiligt haben. Eine Woche lang hatten die Jugendlichen die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben.

Auch wenn das Ergebnis nichts mit der offiziellen Bundestagswahl zu tun hat und nicht repräsentativ ist, so liefert es doch ein Stimmungsbild. Die Linke hat mit 20,8 Prozent des Gesamtergebnisses die meisten Stimmen junger Menschen erhalten. Danach folgen die SPD (17,9 Prozent), die CDU/CSU (15,7 Prozent), die AfD (15,5 Prozent) und Bündnis 90/Die Grünen (12,5 Prozent). Alle weiteren Parteien lagen in dieser Befragung unter fünf Prozent.

Social-Media-Beitrag auf Instagram von swraktuell

Im Vergleich der sozialen Netzwerke und anderer Medien habe TikTok bei jungen Menschen einen sehr großen Einfluss, sagt Bernd Zywietz: "Nachrichten und die Inhalte erreichen sie im Alltagsmedienkonsum, auf einer Plattform, auf der sie selbst auch vertreten sind." Auch das schaffe eine intimere Art der Kommunikation.

Experte: Freunde und Familie bleiben wichtigste Nachrichtenquelle

Medienkompetenz-Referent Martin Bregenzer wirft jedoch ein: "Wir dürfen nicht denken, das alles, was viel Reichweite bei etwa TikTok hat, auch wichtig ist." Zahlen für Videowiedergaben und Klicks seien manipulationsanfällig. "Es hilft, den Realitätscheck zu machen", sagt er. Also ob sich geschilderte dramatische Situationen, Erlebnisse und Emotionen auch abseits der App, im Alltag und im persönlichen Umfeld, wiederfinden.

Und auch wenn der Einfluss von Apps und sozialen Netzwerken vorhanden ist, so dürfe es nicht überbewertet werden, sagt Bregenzer:

Die wichtigste Nachrichtenquelle für Kinder und Jugendliche ist noch immer das Gespräch in der Familie und mit Freunden. Martin Bregenzer, Experte für Medienkompetenz

Tipps für den Umgang mit TikTok und Co

Inhaltlich sei es wichtig, nicht zugespitztes Schwarz-Weiß-Denken zu übernehmen, sagt Bernd Zywietz. "Wir brauchen die Fähigkeit, in Grauzonen zu denken und die Emotionalität herauszunehmen." Sowas ließe sich zum Beispiel im familiären Gespräch erreichen.

Außerdem hilfreich sei eine gewisse Medienkompetenz, mit der sich Mechanismen der Videos und Apps selbst erkennen lassen, sagt Zywietz: "Wenn ich weiß, wie solche Videos wirken wollen, kann ich innehalten und den Check machen: Moment, werde ich hier gerade emotionalisiert?"

Und einen grundlegenden Rat haben die beiden Experten, wenn der eigene TikTok-Feed sehr mit einem Thema beladen ist und in einer Bubble hängt: In den Einstellungen lässt sich unter Inhaltspräferenzen unter dem Punkt "Aktualisiere deinen Feed Für dich" der Algorithmus quasi auf Null setzen und neustarten.

Sendung am Mo., 17.2.2025 17:00 Uhr, DASDING NEWSZONE - Dein Tag, Dein Update, DASDING

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