Auschwitz in Polen: Jedes Jahr besuchen auch Schüler aus Wittlich das Konzentrationslager.

Rheinland-Pfalz Wittlicher Schüler nach Besuch im KZ Auschwitz: "Man fühlt so eine Trauer"

Stand: 27.01.2025 06:02 Uhr

Vor genau 80 Jahren hat die Rote Armee die Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz befreit. Schüler aus Wittlich erzählen, was sie bei einem Besuch dort gelernt haben.

Am 27. Januar 1945 erreicht die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im damals von Deutschen besetzten Polen. Was sie dort vorfinden, sind Berge von Leichen und rund 7.600 ausgehungerte Menschen. Viele dem Tod näher als dem Leben. Sie sind die letzten Überlebenden der grausamen Mord-Maschinerie der Nationalsozialisten.

80 Jahre später sind von diesen Zeitzeugen nur noch wenige am Leben. Kaum noch jemand kann Schulklassen aus erster Hand vom Holocaust und dem Schrecken des Nazi-Regimes erzählen. Damit diese Erinnerungen nicht in Vergessenheit geraten, wird in Rheinland-Pfalz diskutiert, ob Schüler verpflichtet werden sollten, ein Konzentrationslager zu besuchen.

Diese vier Schüler eines Wittlicher Gymnasiums waren vergangenes Jahr beim Schüleraustausch in Polen und haben dabei auch das Konzentrationslager Auschwitz besucht.

Diese vier Schüler eines Wittlicher Gymnasiums waren vergangenes Jahr beim Schüleraustausch in Polen und haben dabei auch das Konzentrationslager Auschwitz besucht.

Am Peter-Wust-Gymnasium in Wittlich haben Jugendliche dazu schon länger die Möglichkeit. Sie können bei einem Schüleraustausch mit polnischen Jugendlichen dabei sein. Dazu gehört eine Exkursion zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Vier von ihnen sind vergangenes Jahr mitgefahren und erzählen, was sie dort erlebt haben und was sie von möglichen Pflichtbesuchen für Schüler in ehemaligen Konzentrationslagern halten.

Alexia Soljanikov (16) aus Wittlich

Für Alexia Soljanikov hat der Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz die Schicksale der Opfer greifbarer gemacht.

Für Alexia Soljanikov hat der Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz die Schicksale der Opfer greifbarer gemacht.

"Für mich war es wichtig, mitzufahren und das Konzentrationslager mit eigenen Augen zu sehen. Denn auch wenn man Bilder sieht aus Auschwitz oder etwas darüber liest, es ist nicht vergleichbar mit dem, wenn man wirklich da ist. Das war für mich surreal. Man fühlt so eine Trauer, wenn man sich vorstellt, was dort passiert ist. Mit das Schlimmste, was ich gesehen habe, waren die Bilder von ausgehungerten Kindern. Es ist unvorstellbar, wie sie das überleben konnten. Ich glaube, es ist wichtig, dass man das alles nicht vergisst. Ich glaube aber nicht, dass es sinnvoll wäre, Schüler zu einem Besuch in Auschwitz zu verpflichten. Ich denke, man muss dorthin 'wollen', um der Geschichte mit Respekt und Ernsthaftigkeit begegnen zu können. Wenn man unter Zwang hinfährt, könnte das verloren gehen."

José Hoffmann (15) aus Salmtal

Was José Hoffmann in Auschwitz gesehen hat, lässt ihn sein eigenes Leben mehr wertschätzen, sagt der 15-Jährige.

Was José Hoffmann in Auschwitz gesehen hat, lässt ihn sein eigenes Leben mehr wertschätzen, sagt der 15-Jährige.

"Ich finde, wenn man nach Polen fährt, gehört es als Deutscher dazu, sich das Konzentrationslager anzuschauen. Was ich nie vergessen werde, ist die Vitrine mit den abgeschnittenen Haaren der Opfer. Das hat etwas mit mir gemacht. Zu wissen, dass diesen Menschen das Leben einfach so weggenommen wurde. Aber es gibt auch Details, an die ich mich erinnere, zum Beispiel an die Betten der Häftlinge. Die waren vielleicht so groß wie mein Bett zuhause, nur dass drei Menschen darin schlafen mussten. Wenn man das sieht, beginnt man, sein eigenes Leben mehr wertzuschätzen. Ich glaube, dass das eine Erfahrung ist, die auch andere Schüler machen sollten. Ich denke, es wäre sinnvoll, wenn es Pflichtbesuche in Konzentrationslagern gäbe."

Pauline Ruhnau (15) aus Salmtal

Pauline Ruhnau findet es wichtig, dass die Verbrechen aus der Nazi-Zeit nicht vergessen werden. Damit sie sich nicht wiederholen.

Pauline Ruhnau findet es wichtig, dass die Verbrechen aus der Nazi-Zeit nicht vergessen werden. Damit sie sich nicht wiederholen.

"Als ich wusste, dass wir nach Auschwitz fahren, hatte ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Ich wusste, was dort passiert ist. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, was wir zu sehen bekommen. Der Besuch hat mich dann auch eingeschüchtert. Was mich traurig gemacht hat, waren die Koffer, die den Menschen am Bahnsteig entrissen wurden. Und, dass ihnen erzählt wurde, dass sie in ein besseres Zuhause kommen. Stattdessen wurden sie ermordet. Mich hat es erschreckt, wozu Menschen fähig sind. Um das nicht zu vergessen und damit sich die Geschichte nicht wiederholt, sollten Schüler unbedingt ein Konzentrationslager besuchen."

Robert Soljanikov (15) aus Wittlich

Robert Soljanikov ist der Bruder von Alexia. Er sagt: Jeder Mensch, der in Auschwitz war, tut ihm leid.

Robert Soljanikov ist der Bruder von Alexia. Er sagt: Jeder Mensch, der in Auschwitz war, tut ihm leid.

"Man hat wirklich gesehen, dass es eine Fabrik war, um Menschen zu töten. Und das ist so schlimm und unmenschlich. Egal in welche Richtung man geschaut hat - da waren überall Häuser und Schornsteine, kein Ende in Sicht. Das ist schon ein bedrückendes Gefühl, da zu stehen. Jede Person, die dort war, hat mir schrecklich leid getan. Damit so etwas nie wieder passiert, denke ich, dass es sinnvoll wäre, dass noch mehr Schüler ein Konzentrationslager mit eigenen Augen sehen."

Sendung am Mo., 27.1.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz