
Schleswig-Holstein Bürokratie oder Investitionsschub: Was bringt das Milliardenpaket?
SH kann über die nächsten zwölf Jahre mit 280 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr rechnen. Doch kann das Geld schnell sinnvoll eingesetzt werden? Oder sorgt die Bürokratie dafür, dass es zum Teil versickert?
"Das muss schneller gehen", sagt Ingo Schulz-Sperling, Geschäftsführer beim Bauunternehmen Stadelmann aus Schleswig (Kreis Schleswig-Flensburg) mit Blick auf die Bürokratie bei Bauprojekten. Vergabe, Planung und Genehmigung - da müsse die Verwaltung schneller handeln, "damit die Projekte dann auf den Weg kommen." Als Bauunternehmer kennt er diese Hürden gut.
Schleswig-Holstein kann über die nächsten zwölf Jahre mit 280 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr rechnen. Dem Paket hatten Bundestag und Bundesrat in der vergangenen Woche zugestimmt. "Zukunftsweisend" sei das, sagt Schulz-Sperling. Aber da ist eben noch der "vorgelagerte Flaschenhals" - wie er es nennt.

Bauunternehmer Ingo Schulz-Sperling will weniger Bürokratie und mehr Tempo bei Bauprojekten.
Viele offene Fragen
Denn vieles ist aus seiner Sicht noch noch zu klären: Wo das Geld hinfließt, etwa. Oder welche Schwerpunkte gesetzt werden, ob es genügend Planer gibt, um Maßnahmen vorzubereiten - und wie die Projekte ausgeschrieben werden, also regional oder sogar EU-weit. Schulz-Sperling hat Verständnis dafür, dass diese Dinge Zeit brauchen. Aber die Politik müsse sich fragen, "ob es da noch Möglichkeiten gibt, gegenzusteuern und etwas zu beschleunigen." Dazu kommt noch der Fachkräftemangel in den Bauunternehmen - das sei ein "Hemmnis", sagt Schulz-Sperling. Er bleibt aber optimistisch und setzt auf den Nachwuchs: Er selbst hat fünf Auszubildende.
Kommunen: Der Weg zum Feuerwehrhaus ist lang
Auch die schleswig-holsteinischen Kommunen haben ihre Erfahrungen mit der Bürokratie, gerade bei Baumaßnahmen. Nicht nur in Stakendorf (Kreis Plön), wo Bürgermeister Ernst Hansen (AFWS) seit zwölf Jahren auf acht Kilometer Radweg in seiner Gemeinde wartet. Sondern auch in Ratekau (Kreis Ostholstein), wo Bürgermeister Thomas Keller (parteilos) über hohe bürokratische Hürden beim geplanten Bau eines Feuerwehrhauses klagt.
Vor allem die Suche nach dem Standort ist problematisch: Die Gemeinde lieferte dem Land eine erste Standortanalyse, doch das reichte der Landesplanung nicht aus. So beauftragte die Gemeinde ein externes Unternehmen damit, insgesamt neunzehn mögliche Standorte zu vergleichen. Eine sehr umfangreiche Untersuchung, erzählt Keller. "Und auch das hat der Landesplanung noch nicht gereicht." Keller wünscht sich, dass das Land vorhandene Spielräume mehr ausschöpft. Dass es wohl bald mehr Geld für die Kommunen gibt, findet Keller natürlich gut. Aber: "Das Geld alleine wird uns nicht helfen."

Thomas Keller, Bürgermeister von Ratekau, wünscht sich, dass das Land vorhandene Spielräume mehr ausschöpft.
Gemeindetag will einfache Förderprogramme
Zwei wesentliche Baustellen sieht Jörg Bülow, Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Gemeindetages. Zunächst sollte das Land aus seiner Sicht die zusätzlichen Mittel möglichst unbürokratisch an die Kommunen weitergeben: "Der Ehrgeiz des Landes müsste sein, das unbürokratischeste Infrastrukturprogramm aller Zeiten aufzusetzen", sagt Bülow.
Und: Für die Kommunen selbst sollten die Verfahren der Bauleitplanung "deutlich beschleunigt und verschlankt werden" - bisher müssten Kommunen nämlich langwierige und umfangreiche Prüfungen vornehmen, dank Vorgaben von Bund und Land. Dadurch dauerten Wohnungsbau, die Entwicklung von Gewerbeflächen - oder eben der Bau von Feuerwehrhäusern - immer länger und würden immer komplizierter, beklagt Bülow. "Und das können wir uns in der Form nicht mehr leisten."
Bürokratieabbau im Land: Prozess soll weitergehen
Das Land hatte nach der Entscheidung am Freitag (21.3.) schon angekündigt, sich mit den Kommunen zusammensetzen zu wollen. Auch dass es einfachere Genehmigungsverfahren geben muss und Fachkräfte gebraucht werden, hat man dort auf dem Zettel.
Im vergangenen Jahr hatten Land und Kommunen sich auf eine Reihe von bürokratischen Erleichterungen für Kreise, Städte und Gemeinden geeinigt - quasi als Gegenleistung für die geplanten Kürzungen bei den Mitteln für die Kommunen. Mehr als 60 Maßnahmen sind es insgesamt. Unter anderem will das Land den Aufwand für Lärmschutzprüfungen bei Feuerwehr- und Dorfgemeinschaftshäusern reduzieren. Gewerbesteuermessbescheide sollen nur noch elektronisch versandt werden. Aber auch Dokumentations- oder Prüfpflichten der Kommunen im Kita-Bereich fallen weg.
Bülow spricht bei den vereinbarten Maßnahmen von einem "guten und wichtigen Start". In diesem Jahr müsse man aber noch "grundlegender ran", etwa bei der Beschleunigung von Verfahren. Momentan sammelt der Gemeindetag dazu noch Rückmeldungen aus den Kommunen.
Regierungserklärung und Aussprache im Landtag
Am Mittwoch (26.3.) beschäftigt sich der Landtag mit der Frage, welche Konsequenzen sich für Schleswig-Holstein aus dem Sondervermögen ergeben. Der Ministerpräsident hat dazu eine Regierungserklärung angekündigt. Titel: "Chancen nutzen - Impulse setzen."
Im Vorfeld hatte Grünen-Landtagsfraktionschef Lasse Petersdotter ein Investitionsprogramm für Kommunen in Schleswig-Holstein ins Gespräch gebracht, über das dann Projekte in Städten und Gemeinden umgesetzt werden könnten. Auch manche Dienstleistungen könnten zentralisiert werden, überlegt Petersdotter: Nicht jede Kommune habe beispielsweise Bauplaner.
Braucht das Land eine Service-Stelle?
Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) wünscht sich unterdessen eine Service-Stelle beim Land, die die Kommunen etwa bei der Bauplanung unterstützen könnte. Fraktionschef Christian Dirschauer hat außerdem Zweifel, ob das Land "antragsfit" ist - also ob die Verwaltung überhaupt personell so gut aufgestellt ist, dass die Mittel vom Bund abgerufen werden können.
Das Land, so kündigte es Grünen-Fraktionschef Petersdotter an, wird wohl einen Nachtragshaushalt aufstellen müssen: Denn der Notkredit im aktuellen Haushalt lässt sich vor dem Hintergrund durch die neue Lage nicht mehr rechtfertigen.
Schuldenpaket soll keine Haushaltslöcher stopfen
Bei aller Freude über den erwarteten Geldsegen: Es geht um "die größte Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland." Darauf weisen die Landesrechnungshöfe in einer gemeinsamen Erklärung hin. Die neuen Möglichkeiten, Kredite aufzunehmen, dürften nicht Sparmaßnahmen in den Haushalten untergraben, schreiben sie darin.

Gaby Schäfer vom Landesrechnungshof sieht Chancen und Risiken durch die Milliardenpläne.
CDU-Fraktionschef Tobias Koch versichert schon: Neue Verschuldungsmöglichkeiten seien kein Ersatz für den eingeleiteten Konsolidierungskurs. Besorgt ist dagegen FDP-Fraktionschef Christopher Vogt: Die Schuldenbremse sei de facto abgeschafft worden.
Chancen und Risiken
Gaby Schäfer, Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landesrechnungshofes sagt, Schleswig-Holstein sei schon jetzt mit 33 Milliarden Euro verschuldet. Und mit weiteren Schulden steigen auch die Zinsen. Auch Schäfer sagt aber, dass Bürokratie abgebaut werden müsse: "Je länger eine Baumaßnahme dauert, das ist die Regel, desto teurer wird sie", sagt Gaby Schäfer. Gleichzeitig müssen die Maßnahmen aus ihrer Sicht aber auch nachhaltig sein.
Das Schuldenpaket - oder Investitionspaket - birgt aus Schäfers Sicht sowohl Chancen als auch Risiken. In jedem Fall ist es eine "Wahnsinnsaufgabe für alle Beteiligten", wie Bauunternehmer Ingo Schulz-Sperling es formuliert. Er setzt aber auf Optimismus: "Ich freue mich auf die nächsten zwölf Jahre."
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 25.03.2025 | 19:30 Uhr