
Schleswig-Holstein Das steht im Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD SH
Auch Aussagen von AfD-Politikern aus Schleswig-Holstein finden sich in dem Gutachten des Bundesverfassungsschutzes und stützen die Einstufung der Partei als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung".
Sowohl der AfD-Landesverband Schleswig-Holstein als auch einzelne zugehörige Parteimitglieder und die inzwischen aufgelöste "Junge Alternative Schleswig-Holstein" tauchen auf den mehr als 1.100 Seiten des Verfassungsschutz-Dokuments auf.
Mit Aussagen, die laut Gutachten gegen das Grundgesetz und die Menschenwürde verstoßen. Auch sie dienen damit als Beleg für die Einstufung der Gesamtpartei als rechtsextremistisch.

Die AfD Schleswig-Holstein und ihre Mitglieder werden diverse Male im Verfassungsschutzgutachten erwähnt.
Prominent: Bundestagsabgeordneter Gereon Bollmann
Mehrfach erwähnt wird Gereon Bollmann, Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein und ehemaliger Präsident des Bundesschiedsgerichts der AfD. Auf seiner Webseite und in mehreren Facebook-Beiträgen soll er unter anderem behaupten, Deutschland werde "heimlich, still und leise" durch internationale Programme "entdeutscht". Damit teilt er laut Gutachten eine verfassungsfeindliche, rechtsextremistische Verschwörungstheorie.
Bollmann weist den Vorwurf des Rechtsextremismus zurück. Seine Aussagen, so schreibt er in einer schriftlichen Stellungnahme an den NDR, seien vor allem als Kritik an der Migrationspolitik zu verstehen: "Meine Kritik an der Veränderung der Wohnbevölkerung hin zu einer ansteigenden Anzahl an Ausländern, insbesondere aus den muslimischen Ländern, hat ihren Hintergrund in unserer Werteordnung", schreibt Bollmann. Das entspricht dem Bild, das auch das Gutachten immer wieder bei der AfD aufzeigt: Migrantinnen und Migranten werden pauschal als Gefahr für die deutsche Gesellschaft dargestellt.

Der Bundestagsabgeordnete Gereon Bollmann aus den Reihen der AfD SH wird besonders oft erwähnt.
Junge Alternative SH: Rechtsextremer Nachwuchs
Auch bei der Einschätzung der bereits im April 2023 als gesichert rechtsextrem eingestuften und mittlerweile aufgelösten Jugendorganisation der AfD "Junge Alternative" (JA) bezieht sich das Gutachten auf Mitglieder aus Schleswig-Holstein. So taucht etwa ein AfD-Mitglied aus Lübeck, das zur "Jungen Alternative Schleswig-Holstein" gehörte, mehrfach im Gutachten auf. Seine Posts auf Twitter werden vom Bundesverfassungsschutz herangezogen, um fremden- und minderheitenfeindliche sowie antisemitische Grundstrukturen der Partei zu belegen.
Ganze zwei Seiten widmet das Gutachten auch dem sogenannten "Tag des Vorfelds", das Kevin Dorow, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der JA Schleswig-Holstein und heute Beisitzer im AfD-Landesvorstand, im Sommer 2024 organisierte. Bei dem Treffen kamen in Neumünster diverse neurechte Publizisten, rechtsextreme Vereine und AfD-Mitglieder zusammen.

Kevin Dorow hat ein Treffen für neurechte Publizisten und rechtsextreme Vereine organisiert.
Viele Einzeläußerungen ergeben das Gesamtbild
Das Bundesamt für Verfassungsschutz untersuchte für das Gutachten Äußerungen von 353 Personen aus dem AfD-Umfeld. Es hat darüber hinaus öffentliche Äußerungen und Social-Media-Posts bewertet, bezieht sich aber auch auf Parteiprogramme, Grundsatzpapiere und Websites der Partei und ihrer Unterorganisationen.
Bei der Bewertung des Gesamtbildes steht ein Begriff im Mittelpunkt: das "ethnisch-abstammungsmäßige" Volksverständnis der AfD. Soll bedeuten: Die Partei unterscheide zwischen "Passdeutschen" und "ethnischen" Deutschen. Diese Vorstellung verstoße gegen die Menschenwürde und sei "nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar", so die Einschätzung der Sicherheitsbehörde.
AfD-Landesparteichef Kurt Kleinschmidt dementiert
Auf schriftliche Anfrage des NDR Schleswig-Holstein antwortet Landesparteichef Kurt Kleinschmidt, dass es für ihn keine Rolle spiele, wie oft der AfD-Landesverband Schleswig-Holstein in dem Gutachten erwähnt sei. Von einem, wie es im Gutachten heißt "ethnisch-abstammungsmäßigen Volksverständnis" könne keine Rede sein. Laut Kleinschmidt gehörten für die AfD Schleswig-Holstein "zum deutschen Volk alle Menschen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft". Entscheidend sei seiner Ansicht nach allerdings "eine deutsche Identität", so Kleinschmidt.

Kurt Kleinschmidt: "Uns als Rechtsextremisten und Demokratiefeinde abstempeln zu wollen, ist absurd."
Schärferer Blick auf AfD Schleswig-Holstein durch Verfassungsschutz?
Die Bundes-AfD hat umgehend gegen die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch geklagt. Der Bundesverfassungsschutz gab daraufhin eine sogenannte Stillhaltezusage ab, mit der er sich verpflichtet, die Einstufung bis zu einer Entscheidung im Eilverfahren auszusetzen. Ob die Erkenntnisse des Gutachtens dazu führen, dass auch der Verfassungsschutz Schleswig-Holstein die Landespartei künftig schärfer beobachtet oder anders einstuft, kann das Innenministerium auf Anfrage von NDR SH aus formalen Gründen nicht beantworten. Die Begründung: Bislang sei das in den Medien veröffentlichte Gutachten offiziell noch Verschlusssache.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 16.05.2025 | 06:00 Uhr