Zwölf Hallen voller Heimtierbedarf.

Schleswig-Holstein Bundestagswahl in SH: Wirtschaft ist eines der wichtigsten Themen

Stand: 04.02.2025 19:19 Uhr

Wie soll die lahmende Wirtschaft in Deutschland wieder in Gang kommen? Ein Unternehmer hat konkrete Vorstellungen - nicht alle decken sich mit dem, was die schleswig-holsteinischen Spitzenkandidaten nach der Bundestagswahl umsetzen wollen.

Wie es der Wirtschaft insgesamt geht, merken sie in der Logistik-Branche ziemlich schnell. Die Firma Voigt in Neumünster beobachtet, dass in den vergangenen Jahren weniger Waren transportiert wurden - ein Minus von etwa zehn bis 20 Prozent, schätzt Geschäftsführer Hannes Voigt. Dies sei ein Rückgang, "der eben auch ganz akut die Wirtschaft in Schleswig-Holstein schwächt."

Mittelstand sieht lange Liste von Problemen

Voigt wünscht sich, dass der Mittelstand gestärkt wird. Baustellen gebe es etliche, weniger Bürokratie und eine bessere Infrastruktur zum Beispiel. Oder auch der Dauerbrenner, die A20: "Das große Problem, was ich da sehe, ist einfach der bürokratische Aufwand dahinter. Das Vereins-Klagerecht zum Beispiel, das dafür sorgt, dass ein Ausbau der A20 einfach nicht umgesetzt werden kann."

Hannes Voigt von Voigt-Logistik im Interview.

Unternehmer Hannes Voigt wünscht sich, dass der Mittelstand gestärkt wird.

Dazu kommt, gerade in der Logistikbranche, der Fachkräftemangel. Zehntausende Lkw-Fahrer fehlen in Deutschland. Bei Voigt merken sie das. Auch bei diesem Thema, sagt Hannes Voigt, würde Bürokratieabbau helfen. Etwa wenn es darum geht, ausländische Fachkräfte zu gewinnen: "Dass wir es einfach gar nicht schaffen, die Migranten frühzeitig in den Arbeitsmarkt zu integrieren, das ist ein ganz großes Problem."

Und auch das Bürgergeld hält der Unternehmer für ein Hindernis, wenn es darum geht, Arbeitskräfte zu finden: "Das Bürgergeld macht natürlich die Arbeit unattraktiv. Es ist ein ganz falsches Signal", findet Vogt. Stattdessen, meint er, müssten gerade in den niedrigen und mittleren Lohnklassen die Steuern gesenkt werden, um das Signal zu senden: Leistung lohnt sich.

Wirtschaft, Löhne, Bürgergeld: Das sagten uns die schleswig-holsteinischen Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl im Interview

"Ich glaube, dass wir einfach Anreize schaffen müssen, dass man arbeiten geht. Ich möchte auch, dass Überstunden steuerfrei sind. Ich möchte auch, dass Rentnerinnen und Rentner leicht hinzuverdienen können und das Geld auch behalten können. Und ich möchte vor allen Dingen diesen Riesenwust an Bürokratie abschaffen, den wir uns in Deutschland geleistet haben. Jeder Prozess, der private Menschen genauso wie Mittelständler betrifft, ist mittlerweile mit Formularen von morgens bis abends gespickt. Und ich glaube, da müssen wir sehr mutig sein und einige Schritte zurückgehen. Das, was vor zwanzig, dreißig Jahren bei uns möglich war, hat auch nicht dazu geführt, dass der Staat zusammengebrochen ist, sondern er hat funktioniert und deswegen: Weniger ist mehr.

Wir müssen definitiv das Bürgergeld umstrukturieren zu einer Grundsicherung. Wir wollen den Schwachen helfen, aber wir wollen nicht den Faulen ermöglichen, umsonst zu Hause zu bleiben. Und dieser falscher Anreiz wird jetzt gegeben. Das Bürgergeld ist für diejenigen da, die nicht arbeiten können. Wer arbeiten kann, aber das nicht will, der kann das gerne machen. Aber er darf nicht von unserem Steuergeld leben."

"Wir stehen hinter dem Bürgergeld, das ist die richtige Initiative, die dort ergriffen wurde. Was wir brauchen, um Arbeitsplätze bei uns voranzubringen, ist natürlich, Schleswig-Holstein auch attraktiv zu gestalten. Und deshalb müssen wir in die Zukunftsindustrie investieren. In den Wirtschaftsbereichen, in denen wir gerade voran gehen. Das ist beispielsweise der Energiebereich. Wir sind ja hier das Energiewendeland schlechthin. Wichtig ist aber auch, dass wir nicht diejenigen sind, die auf den hohen Kosten sitzen bleiben. So dass die Unternehmen, aber auch die Bürgerinnen und Bürger, davon profitieren können. Wir müssen einfach auf unsere Stärken in Schleswig-Holstein setzen. Und da gibt es einige.

Wir haben auch im Medizinbereich eine Stärke, im Tourismus, im Logistikbereich. Und ich denke, wenn wir in Schleswig-Holstein und bei uns im Norden die Möglichkeit haben, uns auf diese Stärken zu fokussieren, den können wir natürlich auch Unternehmen und somit auch attraktive Arbeitsplätze bei uns in die Region holen.

Und dann kommt hinzu, dass wir auch Bereiche haben, wo wir schon immer stark waren, beispielsweise im maritimen Bereich. In diesem Fall unsere Werften. In Deutschland wird danach geschrien, dass wir mehr Schiffe hier zuhause bei uns in Deutschland bauen und nicht im Ausland kaufen müssen. Und da frage ich mich wo bleiben denn die Subventionen aus dem Wirtschaftsministerium? Wo bleiben die Subventionen und die Unterstützung der Bundesregierung, damit wir hier unsere starken Werftstandorte in Schleswig-Holstein auch weiterhin beibehalten können? Denn da ist auch immer noch Zukunftsmusik drin. Wir brauchen unsere Schiffe, wir brauchen aber auch Offshore-Plattformen. Und wir brauchen insgesamt den Werftbau bei uns, weil der wichtig ist für den Standort Deutschland."

"Ich bin auch der Meinung, dass die arbeitende Mitte in Deutschland viel zu hohe Belastungen hat. Es sind zum ein Teil die Steuern, wobei bei den ganz kleinen Einkommen dann eher die Sozialabgaben die Rolle spielen. Und ich bin der Auffassung, dass wir da dringend für Entlastung sorgen müssen. Ich bin aber grundsätzlich der Auffassung, dass es nicht am Bürgergeld liegt, dass der Abstand zu Vollzeit-Löhnen nicht so in dem Maße gegeben ist, wie wir uns vorstellen. Sondern es hat viel damit zu tun, dass kaum noch Tarifbindung da ist, dass wir teilweise auch zu geringe Löhne haben. Wir haben große Auseinandersetzungen, was die Lohnhöhe angeht, jetzt auch im Zuge der Inflation. Und ich bin da jemand, der an der Seite der Gewerkschaften steht und für bessere Löhne kämpft. Wir brauchen gerechte Löhne, mehr Tarifbindung. Und dann geht es auch vorwärts.

Ich finde, dass man gerade auch bei den Sozialversicherungsbeiträgen mehr darüber diskutieren muss, wie wir es hinkriegen, dass wir nicht Jahr für Jahr immer zu höheren Beiträgen kommen, weil wir es nicht schaffen, unsere Sozialversicherung zukunftsfest zu machen. Und das muss ein Ende haben."

"Wir brauchen massive Investitionen in Wirtschaft und Industrie. Gleichzeitig haben wir diese Situation des fortschreitenden Klimawandels. Und wir sagen ganz klar: Wir müssen unsere Wirtschaft und Industrie bei dieser Transformation unterstützen. Und wir müssen es schaffen, dass Deutschland auch ein Vorreiter wird, für eine gute, nachhaltige Wirtschaft. Und das schaffen wir beispielsweise, indem wir sagen, wenn wir als Staat euch Geld geben, dann müsst ihr zwei Bedingungen einhalten: Die erste Bedingung an Unternehmen ist, sie müssen gute Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen, wenn es möglich ist. Und die zweite Bedingung ist, dass wir sie bei der Transformation unterstützen. Dass sie beispielsweise Stahl nachhaltig und grün produzieren und weltweit verkaufen können, entsprechend zu guten Preisen. Das ist eine Bedingung, um unsere Wirtschaft wieder anzukurbeln. Und selbstverständlich wollen wir auch eine staatliche Auftragsvergabe machen. Das bedeutet, in unsere Infrastruktur zu investieren, in die Wiederherstellung unserer Schulen zu investieren, unsere Straßen und Brücken und natürlich auch in Busse und Bahnen.

Beim Thema Bürgergeld ist die Problematik ist eine ganz andere. Nämlich, dass wir in den letzten Jahren Reallohnverluste hatten, gerade bei den kleinen Einkommen, gerade bei Menschen mit wenig Geld und die immer weniger Geld in der Tasche haben. Das heißt, da müssen wir dafür sorgen, vernünftige Tarifabschlüsse zu machen, indem wir Gewerkschaften unterstützen. Wir brauchen einen europaweit konkurrenzfähigen Mindestlohn. Das sind 15,16 Euro nach derzeitigem Stand nach Europarecht. So dass die Löhne wird wirklich wieder auf ein vernünftiges Level kommen. Dass die Menschen davon dann später eine gute Rente haben und dass sie vor allem jetzt eine Wohnung bezahlen können, gute Lebensmittel bezahlen können. Die Konkurrenz ist nicht zwischen Bürgergeld und zwischen den Menschen, die wenig Geld haben. Sondern die Konkurrenz ist zwischen den, die wenig Geld haben und denjenigen, die dafür sorgen, dass es dabei bleibt, dass sie wenig Geld haben. Wir müssen den Menschen wieder mehr Geld in die Tasche schaffen."

"Schleswig-Holstein ist ein Land, in dem sehr viel grüner Strom produziert wird. Und es wird eine ganze Reihe von Unternehmen geben, die dringend grünen Strom brauchen. Und es gibt Unternehmen, beispielsweise große KI-Rechenzentren, die viel Strom brauchen und das dann in Schleswig-Holstein machen können. Da spielt es keine Rolle, ob die in Frankfurt oder Schleswig-Holstein sitzen. Da brauchen sie entsprechende Glasfaserleitungen oder sonstige Übertragungsmöglichkeiten, die schnell zu herzurichten sind. Und damit würde ich jetzt mal werben: Die Unternehmen der Zukunft bei uns anzusiedeln, KI bei uns möglich zu machen. Und sich nicht mit der Frage zu beschäftigen, wie man große Automobil-Werke für E-Mobilität bei uns ansiedeln kann. Abgesehen davon, dass wir auch Riesenprobleme mit der Verkehrsinfrastruktur haben. Ich mache mir um die Entwicklung in Schleswig-Holstein keine Sorgen, wenn man als Wirtschaftsminister nicht nur große Reden hält, sondern vielleicht auch mal bei einigen Unternehmen oder Messen anwesend ist, wo die Entscheider anwesend sind, die für die Zukunft planen.

Für die Bürgergeldempfänger, die arbeiten könnten, aber nicht arbeiten, scheint es so zu sein, dass ihnen das ausreicht und kein Anreiz besteht, in die Arbeitswelt überzusiedeln. Das höre ich aus allen Bereichen. Wir hatten noch in der alten Koalition im Juli letzten Jahres vereinbart, dass wir auch einen etwas größeren Forderungskatalog an Bürgergeldempfänger richten. Davon ist bedauerlicherweise nichts mehr umgesetzt worden. Und wenn Bundesarbeitsminister Hubertus Heil heute davon spricht, man müsse die Bezüge im öffentlichen Dienst erhöhen, weil sonst das Lohnabstandsgebot nicht mehr funktioniert zum Bürgergeld, dann deutet es darauf hin, dass etwas falsch gelaufen ist in dieser Frage, und das müssen wir korrigieren."

"Wir brauchen günstige Energie, und wir müssen wieder investieren. Und was die Deutschen als größte Ressource haben, sind die schlauen Köpfe. Wir haben keine großen Bodenschätze, aber wir haben unglaublich schlaue Köpfe in der Wissenschaft. Und das hat auch die Vergangenheit gezeigt, was für Innovationen wir vorangetrieben haben. Und da muss wieder rein investiert werden. Und da komme ich zum zweiten Punkt, das ist nämlich die Reformation der Schuldenbremse. Das ist unglaublich wichtig, damit wir wieder ein Wirtschaftswachstum haben. Lieber jetzt eine marode Brücke sanieren, als dass diese Brücke später zusammenbricht und man eine komplett neue Brücke bauen muss. Wenn wir jetzt nicht investieren, dann wird die Situation immer schlimmer und schlimmer. Und wir sind für ein Gremium, das beobachtet, wohin diese Investitionen wirklich fließen. So dass sie wirklich in Orte und Projekte und Bereiche der Industrie fließen, wo sie auch notwendig sind.

Beim Bürgergeld werden wieder verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt. Weil, ja, es gibt ein Problem, dass bestimmte Leute dann nicht arbeiten gehen, und sie müssten eigentlich und tun es nicht. Und sie könnten eigentlich. Und dahingehend müssen wir es reformieren. Dass dort ein Druck entsteht, dass diese Leute es müssen. Dafür müsste es eine Richtlinie geben."

"Es ist ein Witz, dass der Weiterbau der A20 nicht priorisiert ist. Die Autobahn ist von enormer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein. Für so ein wichtiges Vorhaben braucht es ein Gesetz, mit einem ganz normalen Gesetzgebungsverfahren. Und wenn das beschlossen ist, dann wird eben gebaut, ohne weitere, jahrelange Verzögerungen. Schauen Sie einmal nach Dänemark. Das Tempo, mit dem unser nördlicher Nachbar solche Vorhaben realisiert, ist beeindruckend.

Arbeit muss sich wieder lohnen. Darauf müssen sich die Menschen verlassen können, vor allem jene in den unteren Einkommensgruppen. Das rot-grüne Bürgergeld setzt da einen völlig falschen Anreiz. Der Knackpunkt ist: Die Union suggeriert, dass sie das ändern will. Es wird sich aber nichts ändern. Mit der AfD schon: Wir wollen dafür sorgen, dass die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Das ist unser Ansatz, damit Arbeitnehmer unterm Strich mehr Geld bekommen. Und es braucht endlich ein Familiensplitting im Steuerrecht. Das hilft nicht nur den unteren, sondern auch den mittleren Einkommen."

Luise Amtsberg war verhindert, deshalb liegt uns von ihr noch kein Statement vor. Wir reichen es nach. Die Grünen bleiben laut Wahlprogramm bei ihrem Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft. Investitionen und Vereinfachungen sollen bei der Modernisierung der Industrie helfen. Unter anderem planen die Grünen Steuererleichterungen für Unternehmen. Fachkräfte sollen durch Einwanderung gewonnen werden – und durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Das Bürgergeld haben die Grünen mit auf den Weg gebracht - und werben im Wahlprogramm für "gute Löhne und dafür, dass die Reichsten sich nicht aus der Verantwortung für unser Gemeinwohl stehlen können."

Für Voigt-Geschäftsführer Hannes Voigt ist das Wichtigste: eine klare Agenda der Politik, an der sich alle orientieren können. "Ich glaube, das würde uns als Unternehmen, aber eben auch der gesamten Gesellschaft guttun."

Die aktuelle Lage der Wirtschaft gehört laut unserer jüngsten Umfrage von #NDRfragt zu den wichtigsten Themen, die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner kurz vor der Bundestagswahl beschäftigen. Eine große Rolle spielen auch Sicherheitspolitik, Migration und Pflege - Themen, die NDR Schleswig-Holstein bis zur Wahl am 23. Februar ebenfalls noch beleuchten wird.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 04.02.2025 | 19:30 Uhr