Das Grüne Eck in Kiel-Gaarden.

Schleswig-Holstein Kiel: Im Tagelöhner-Garten bekommen Süchtige Unterstützung

Stand: 02.06.2025 05:00 Uhr

Weg von der Straße, etwas Sinnvolles tun und dafür ein schmales Geld bekommen: Das ist der Ansatz im Szenegarten Grünes Eck in Kiel-Gaarden. Das Konzept dahinter: sogenannte "akzeptierende Drogenarbeit".

Von Karen Jahn

Kartoffeln, Möhren, Spinat - und jede Menge Beikraut. Auf dem kleinen Gemüsebeet von Maria gibt es heute einiges zu tun. "Ich muss den Spinat und die Möhrchen freizupfen, damit sie besser wachsen", sagt die 43-Jährige, während sie im Beet knieend Giersch und Co. den Kampf ansagt. Maria, ihren Nachnamen nennen wir zum Schutz von Persönlichkeitsrechten nicht, ist eine von rund 40 Menschen, die wochentags in den Szenegarten "Grünes Eck" kommen, einem Tagelöhner-Projekt für suchterkrankte Menschen aus der Straßenszene in Kiel-Gaarden. Das Schrebergartengelände liegt mitten im Stadtteil und fußnah am Szene-Treffepunkt vor einem Supermarkt.

Idee entstand in Gesprächen mit den Betroffenen

Eine Person arbeitet im Tagelöhnergarten.

Kommt seit zwei Jahren täglich ins Grüne Eck: Maria kümmert sich um ein kleines Gemüsebeet.

Das Projekt gibt es bereits seit 2012. "Damals wollten wir gemeinsam mit den Betroffenen herausfinden, wie wir für sie einen Ort im Stadtteil abseits der Straßenszene schaffen können", sagt Annkathrin Pick, Teamleiterin des Projekts. "Dabei ging es eben nicht um Vertreibung der Menschen, sondern darum, etwas zu schaffen, wo sie etwas Sinnvolles tun können und auch Beratung bekommen." Für Suchterkrankte sei es eine Herausforderung, über den Tag zu kommen. "Sie müssen zum Beispiel das Geld für den Konsum zusammenbekommen, es schaffen, regelmäßig zu essen, zum Arzt zu gehen und Ämterangelegenheiten zu regeln", sagt die Sozialpädagogin.

Alkohol und Cannabis erlaubt, illegale Drogen verboten

Der Szenegarten wird finanziert von der Stadt Kiel, Träger ist der Kinder- und Jugendhilfeverbund, ein freier Träger der Kinder-, Jugend-, Familien- und Sozialhilfe (KJHV). Das Konzept des Projekts: "Wir akzeptieren die Menschen so, wie sie sind. Sie dürfen bei uns Alkohol und Canabis konsumieren, illegale Drogen sind allerdings tabu." Es geht also nicht um Entzug oder Abstinenz. Wenn gewünscht, unterstützen Pick und das Team aus weiteren vier Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern auch in Alltagsfragen. Sie vermitteln weitergehende Hilfen, wie zum Beispiel zur Entgiftung und Therapie oder bei Problemen mit Geldschulden.

Arbeiten für schmales Geld und ein warmes Mittagessen

Wer im Garten mithilft, gärtnert, werkelt oder sich kreativ betätigt, bekommt pro Stunde einen Euro und ein warmes Mittagessen in der benachbarten Beratungsstelle FlexWerk des KJHV. Wer am Stück 20 Tage mitgeholfen hat, bekommt einen Bonus von 10 Euro. Die Mitarbeit ist freiwillig, wer möchte, könne auch nur zum Schnacken vorbei kommen, sagt Pick. Maria hilft täglich mit. "Der Garten tut mir gut", sagt Maria.

Zwei Personen unterhalten sich im Tagelöhnergarten.

Neben der freiwilligen Möglichkeit, im Garten mitzuarbeiten, gibt es auch Beratung bei Problemen im Alltag.

Für sie lief es nicht immer gut. Sie hat Probleme mit Kokain und Alkohol, dazu kämpft sie mit schweren Depressionen. "Ich komme gerne hierher. Komme aus dem Bett. Die täglichen Stunden im Garten ziehe ich durch, darauf bin ich stolz." Sie schätzt den Austausch mit den anderen und auch die Beratung durch die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Ihr größter Wunsch: "Gesund werden und vielleicht wieder im Altersheim arbeiten mit alten Menschen, in meinem früheren Beruf."

Erfolg und Einzigartigkeit des Projektes

Das Grüne Eck ist in Schleswig-Holstein einmalig. Annkathrin Pick schätzt, dass es auch bundesweit kein weiteres Projekt in dieser Form gibt. "Wir haben hier den Vorteil, dass das Gartengelände nur ein paar Hundert Meter vom Szenetreffpunkt entfernt ist. Wenn es weiter weg wäre, würden vielleicht nicht so viele zu uns kommen." Für die Sozialpädagogin hat der Erfolg des Szenegartens aber auch einen bitteren Beigeschmack. "Ich sehe jeden Tag wie die Menschen, die zu uns kommen, durchs System fallen. Und ich stehe daneben und sehe zu, wie sie sich durch ihren Drogenkonsum körperlich und geistig zerstören."

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 02.06.2025 | 19:30 Uhr