Georg Stieper beim Aufschlag

Schleswig-Holstein Tennis: Georg Stieper schlägt mit 96 immer noch auf

Stand: 21.04.2025 10:35 Uhr

Was als späte Leidenschaft begann, ist heute sein Lebenselixier: Georg Stieper steht mit 96 Jahren noch immer auf dem Tennisplatz und sorgt mit frechem Spiel und Charme für Staunen.

Von Tim Hensmann

"Detlef, bring die Bälle mit", hallt es über einen der acht Tennisplätze des TSV Holm, westlich von Hamburg. Die Stimme gehört Georg Stieper - 96 Jahre alt, drahtig, dunkle Sonnenbrille und Kappe tief im Gesicht. Er steht mit dem Schläger leicht ungeduldig am Netz. "Detlef, die Bälle bitte!" ruft er noch einmal mit einem Hauch Strenge in der Stimme. Aber Mitspieler Detlef Kleinwort nimmt sich Zeit. Kommt gemütlich über den Platz geschlendert und begrüßt erst einmal jeden Einzelnen. "Das muss sein", sagt er.

"Mit ihm ist immer zu rechnen"

Die Seniorentennisgruppe des TSV zählt 22 Mitglieder, rund 15 von ihnen stehen regelmäßig auf dem Platz - alle über 70 Jahre alt. Das Durchschnittsalter der Gruppe liege aktuell bei rund 80 Jahren, berichtet Mannschaftsführer Ingo Aurin. Doch Georg Stieper ist mit Abstand der älteste und zugleich einer der fittesten. "Mit ihm ist immer zu rechnen", sagt Aurin. "Er ist für uns definitiv kein Rundfutter."

Stieper liebt es, seine Mitspieler zu überraschen. "Reingelegt!", ruft er mit einem schelmischen Grinsen nach einem gelungenen Punkt. "Er steht hinten, und dann habe ich den Ball ins kurze Eck geschlagen. Das ist so'n kleiner Trick von mir", freut er sich. "Ich bin ja nicht mehr der Schnellste, aber so kurze Bälle und Slice beherrsche ich noch."

Der Ehrgeiz ist geblieben

Dabei ist Stieper ein echter Spätberufener. Seine sportliche Laufbahn begann in jungen Jahren beim Turnen des TSV, zunächst als aktiver Sportler und später als Vorsitzender der Turnabteilung. Es folgten Badminton und Leichtathletik. Der Sport, sagt Stieper, liege in der Familie. Erst mit etwa 50 Jahren, durch eine Freundschaft zum damaligen Vorsitzenden, entdeckte Stieper seine Liebe zum Tennis - und blieb dabei. Denn für ihn ist es genau das Richtige, besonders im Alter.

"Ich kann in Etappen spielen", erklärt er. "Ich laufe, mache 20 Sekunden Pause, ruhe kurz und dann geht es weiter." Diese natürlichen Pausen und Intervalle seien für ihn entscheidend. Erst recht im Doppel. Und Einzelspiele? "Zu anstrengend. Die mache ich nicht mehr", gibt Stieper zu, höchstens mal zum Einspielen. Doch der Ehrgeiz ist geblieben. "Sobald er auf dem Platz steht, kann er es kaum erwarten, dass das Spiel beginnt und mitgezählt wird", erzählt Kleinwort.

Zwei bis drei Stunden Sport am Tag

Stieper lebt in Wedel, kommt mit seinem schwarzen Klapp-E-Bike nach Holm zum Training. Früher strampelte er noch ohne elektrische Unterstützung, doch seit zwei Jahren erleichtert ihm der kleine Motor die weiten Strecken. Dass er mit 96 noch so fit ist, ist kein Zufall. "Ich habe neulich in der Zeitung gelesen, dass man 120 Minuten pro Woche trainieren soll, um fit zu bleiben", erklärt er: "Ich mache zwei bis drei Stunden - jeden Tag."

Der Tag beginnt für ihn mit 20 Minuten Morgengymnastik, es folgt eine Stunde Nordic Walking im Park, dann fährt er mit dem Rad einkaufen. Abends geht es noch einmal um den Block. "Intervalltraining: 300 Schritte laufen, 50 gehen", sagt er. Und selbst vor dem Schlafengehen macht der 96-Jährige noch fünf bis zehn Minuten Gymnastik. Zusätzlich noch mindestens zweimal in der Woche Tennis. Da kommt einiges zusammen.

Georg Stieper in Aktion

Alles, nur nicht aufgeben: Georg Stieper in Aktion.

"Ich mache das seit fünf Jahren konsequent, seitdem bin ich alleine. Meine Partnerin ist damals verstorben", sagt Stieper. Der Verlust habe ihn dazu gebracht, seinen Alltag neu zu strukturieren und auch in den Norden zurückzukehren. Zwölf Jahre hatte er zuvor mit seiner Partnerin in Köln verbracht. "Beim TSV wurde er sofort wieder in die Mannschaft integriert", erinnert sich Freund und Mitspieler Aurin.

Die Kraft dosieren - "Ich übertreibe nicht"

Täglich hält Stieper Körper und Geist mit seinem strikten Trainingsprogramm in Schwung, achtet aber auch auf Balance: "Ich übertreibe nicht. Ich laufe keinen Marathon, sondern dosiere meine Kräfte bewusst." Eine tägliche Mittagspause von ein bis zwei Stunden gehört fest zu seinem Rhythmus.

Ans Aufhören denkt "Schorsch", wie ihn alle nennen, noch lange nicht. "Das Training, das ich täglich mache, zahlt sich ja aus", ist er überzeugt. Er fühlt sich fit, hat keine Beschwerden: "Noch nicht", fügt er augenzwinkernd hinzu. "Aber wenn ich jetzt aufgebe, dann ist es in 14 Tagen vorbei." Er wisse, wie schnell sich das ändern kann. Langfristige Pläne macht er deshalb nicht. Aber für die nächste Wintersaison hat er sich schon angemeldet.

Klönen und Miteinander im "dritten Satz"

"Das war ein Ass", sagt Stieper trocken, als er einen perfekten Aufschlag hervorzaubert. "Detlef, denselben Ball bitte", ruft er: "Das ist mein Glücksball." Stieper schmunzelt, weiß aber auch, dass solche Husarenstücke seltener werden.

Gegen Ende des zweistündigen Trainings füllt sich zusehends die zweistufige, mit Moos bewachsene Tribüne. Auf Bierbänken und alten Gartenstühlen nehmen die passiven Mitglieder Platz. Es ist der Moment, auf den sie sich alle freuen: der "dritte Satz". So nennt das Team das gesellige Beisammensein nach dem Training. Denn hier geht es nicht mehr um Tennis, sondern vor allem ums Miteinander. "Das Bedürfnis, miteinander zu klönen, ist groß", sagt Aurin.

Dieses Thema im Programm:
Sport aktuell | 22.04.2025 | 11:17 Uhr