
Zapfenstreich für Merkel Abschied mit Rosen
Die Mächtige, die Krisen-Kanzlerin - und künftig Rentnerin: Auf dem Weg zum Ruhestand bläst die Bundeswehr Angela Merkel heute den Abschiedsmarsch. Dabei setzt Merkel auf musikalische Akzente.
Rote Rosen für Angela Merkel - die gibt es heute, zumindest musikalisch. Traditionell darf sich eine scheidende Bundeskanzlerin oder ein scheidender Kanzler drei Musiktitel für den Großen Zapfenstreich wünschen. Und für Merkel hat das Stabsmusikkorps der Bundeswehr in den vergangenen neun Tagen eben auch einen Hildegard Knef-Klassiker einstudiert.
Erreicht hat Merkel in ihrem politischen Leben einiges: 16 Jahre lang war sie die mächtigste Frau Deutschlands. Die Krisenkanzlerin, bis zum Schluss: Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Corona-Krise.
Merkel ist keine Frau des großen Auftritts und der großen Gesten, anders als ihr Vorgänger, Gerhard Schröder. Der Basta-Kanzler, der vor 16 Jahren im November 2005, bei seinem großen Zapfenstreich zu Frank Sinatras "My Way" mit den Tränen kämpfte.
Private Zurückhaltung
"I Did it My Way" (Ich habe es auf meine Weise gemacht) - so auch Merkel. Unprätentiös, bodenständig, im Ausland als Vermittlerin hoch anerkannt, innenpolitisch aber oft eher zögerlich statt schnell entschlossen. Merkel, die Vollblutpolitikerin, von der es keine Homestory gibt und von der überhaupt kaum Privates bekannt ist, außer, dass sie gern wandert, gerne liest und gerne kocht. Und: "Ich höre, wenn ich zuhause bin, sehr gerne Radio. Meistens klassische Musik."
Klassische Musik, das sind für Merkel vor allem Richard Wagner und die Bayreuther Festspiele, die sie jedes Jahr besucht. Und das sind für die Pfarrerstochter auch Kirchenlieder. Die gehören beim Großen Zapfenstreich zum traditionellen Repertoire. "Großer Gott, wir loben Dich" hat sich Merkel ausgesucht.
Die DDR-Vergangenheit
Überraschend für das Stabsmusikkorps der Bundeswehr, so erzählt es jedenfalls der Dirigent, war vor allem Merkels Wunsch, einen alten DDR-Hit aus dem Jahr 1974 zu spielen - damals vorgetragen von der als "freche Pop-Göre" bezeichneten Nina Hagen: "Du hast den Farbfilm vergessen".
Merkel, die im brandenburgischen Templin aufgewachsen ist, könnte sicher mitsingen, wenn sie denn wollte. Sie kennt das, worauf das Lied anspielt: Die Mangelwirtschaft in der damaligen DDR, Schwarz-Weiß-Film eben statt Urlaubsfotos in Farbe. Erst kürzlich, in ihrer Rede zum 3. Oktober, erzählte Merkel: "Für mich persönlich sind das Ende der Teilung und die Demokratie immer noch und immer wieder etwas Besonderes."
Kein Fan von großen Empfängen
Der Farbfilm, die Rosen, der Kirchenklassiker: Beim Großen Zapfenstreich sind die ausgewählten Musikstücke der eher lockere Teil eines ansonsten strengen militärischen Zeremoniells. Mit Märschen, Fackelträgern und festgelegten Kommandos auf dem Gelände des Bundesverteidigungsministeriums.
Wegen der Corona-Pandemie gibt es diesmal nur wenige geladene Gästen und laut Regierungssprecher Steffen Seibert auch keinen anschließenden Abendempfang: "Die Kanzlerin wird direkt nach dem Großen Zapfenstreich das Verteidigungsministerium wieder verlassen." Merkel dürfte das eher gelegen kommen. Denn große Empfänge, bei denen sie selbst im Mittelpunkt steht, zählten nie zu ihren Lieblingsveranstaltungen.
Politisch ist Merkel in wenigen Tagen im Ruhestand. Was dann folgt? Sagen wir es doch einfach mit Hildegard Knef: "Nicht allein sein, und doch frei sein."