Kai-Uwe Steck im Landgericht Bonn. (Archivbild: 21.11.2024)
exklusiv

Steuerskandal Wo sind die Cum-Ex-Millionen des Kronzeugen?

Stand: 12.02.2025 16:32 Uhr

Jahrelang hat Kai-Uwe Steck der Staatsanwaltschaft geholfen, den Cum-Ex-Skandal aufzuklären. Doch jetzt, da er das gestohlene Steuergeld zurückzahlen soll, sagt er aus, die Millionen seien verloren. WDR und SZ sind der Spur des Geldes gefolgt.

Von Petra Blum und Massimo Bognanni, WDR

Kai-Uwe Steck ließ im Herbst 2022 keine Zweifel offen. Der Rechtsanwalt erschien als Zeuge vor dem Landgericht Bonn. Auf der Anklagebank saß sein einstiger Mentor und Kanzlei-Partner Hanno Berger. Steck beschrieb als Kronzeuge unumwunden, wie er gemeinsam mit Berger und weiteren Bankern, Beratern und Aktienhändlern die deutsche Staatskasse geplündert habe.

Mittels Cum-Ex-Geschäften hätten sie sich jahrelang Steuern erstatten lassen, die nie jemand gezahlt hatte. Diese Geschäfte kosteten den Staat insgesamt Milliarden. Steck selbst brachte sein damaliges Verhalten auf eine einfache Formel: "Gier frisst Hirn".

Noch im Zeugenstand versprach er, die 50 Millionen Euro Cum-Ex-Beute, die er persönlich vereinnahmt habe, an den Staat zurückzuzahlen. "Ich habe über 50 Millionen Euro auf ein Treuhandkonto überwiesen, mich unwiderruflich dieses Vermögens entäußert, also auf Deutsch gesagt: Ich kann mir jetzt davon kein Haus mehr kaufen und keine Lustreisen machen", sagte Steck. Nun stünde das Geld den Behörden zur Wiedergutmachung zur Verfügung. "Ich bin da jetzt sozusagen auf Sie angewiesen." Das klang so, als sei es reine Formsache, und der Fiskus bekomme, was ihm gehöre.

Versprechen untermauert mit einer Treuhand-Bestätigung

Sein Versprechen untermauerte der Kronzeuge sogar mit einer Treuhand-Bestätigung eines Schweizer Wirtschaftsprüfers, datiert auf den 18. Oktober 2022. Während sein gleichberechtigter Kanzlei-Partner Hanno Berger später rechtskräftig zu acht Jahren Gefängnis verurteilt wurde, durfte Steck angesichts seiner Aufklärungsbeiträge lange Zeit auf eine milde Strafe hoffen.  

Das böse Erwachen folgte am vergangenen Freitag vor dem Landgericht Bonn. Steck, inzwischen selbst wegen der Cum-Ex-Geschäfte als Angeklagter vor Gericht, wurde vom Richter auf sein damaliges Versprechen angesprochen, die Beute zurückzuzahlen. Die Antwort des 52-Jährigen überraschte: "Ich habe dem Treuhänder nicht 50 Millionen in Geld übergeben, sondern ein Treugut", sagte Steck.

Er habe dies seinem damaligen Anwalt so offengelegt. Es habe sich um Treugutaktien gehandelt, in die er investiert habe. Die beiden Unternehmen, in die er investiert hatte, seien danach in die Insolvenz gegangen. "Deswegen ist ein großer Teil des Treugutes untergegangen. Ich bin an der Grenze meiner Leistungsfähigkeit".

Elf Millionen Euro zurückgezahlt

Wie das Landgericht Bonn bestätigte, hat Steck bislang elf Millionen Euro zurückgezahlt. 39 Millionen stehen von seinem Versprechen also noch aus. Recherchen von WDR und Süddeutscher Zeitung zeigen: Die Firmen, in die Steck mutmaßlich einen Teil seiner Beute investiert hatte, sind bereits seit 2023 pleite. Warum hat er dem Landgericht Bonn erst jetzt, im Februar 2025, fast zwei Jahre später, offengelegt, dass das vermeintliche Vermögen verloren sein soll? Vor Gericht hat Steck das nicht erwähnt. Und von Behördenseite hat offenbar auch niemand nachgebohrt.

Bei einem der Unternehmen, deren Aktien Steck für die deutsche Justiz hinterlegt haben will, handelt es sich um ein Start-Up namens Biohacks. Es stellte einst Energydrinks her. In der Bilanz 2021 wies das Unternehmen neun Mitarbeiter aus und hatte kaum nennenswerte Einnahmen. Die Biohacks wurde in eine Schweizer AG integriert. Das kleine Startup war im Frühjahr 2022 mit rund 50 Millionen Euro sehr hoch bewertet.

Wie diese 50-Millionen-Bewertung zustande kam, ist unklar. Dies wirft aber anhand der weiteren Entwicklung zumindest Fragen auf: Denn schnell ging es sowohl der Schweizer als auch der deutschen Firma wirtschaftlich so schlecht, dass beide pleite gingen. Nachfragen hierzu blieben unbeantwortet: Der Insolvenzverwalter der deutschen Firma reagierte nicht auf Anrufe, Mails und einen persönlichen Besuch. Auch Steck wollte Anfragen dazu nicht beantworten.

Es gibt noch mehr Fragen. Im Verwaltungsrat der Biohacks AG saß ausgerechnet jener Treuhänder, der Steck im Herbst 2022 die Bestätigung für das Landgericht Bonn ausstellte, derzufolge 50 Millionen Euro auf einem Konto bei einer Schweizer Bank lägen. Es hatte also ein Mann Stecks Treuhandvermögen bezeugt, dem er zugleich geschäftlich verbunden war. Der Treuhänder war auf Anfrage nicht zu erreichen.

Was ist vom Cum-Ex-Vermögen geblieben?

Doch waren die Beteiligungen an den beiden Firmen tatsächlich alle Vermögenswerte, die Steck von seinem Cum-Ex-Vermögen geblieben sind? Schließlich gab er selbst an, mit dem Griff in die Staatskasse in den Jahren 2006 bis 2011 rund 50 Millionen Euro verdient zu haben. Soll all das Geld verloren und Steck, wie er aussagte, wirklich am Rande seiner Leistungsfähigkeit sein?

Auf der Suche nach Stecks möglichem Vermögen fällt unter anderem ein Unternehmen in Luxemburg ins Auge. Aktiv wurde es etwa zu jenem Zeitpunkt, als 2012 Frankfurter Ermittler wegen Cum-Ex erstmals die Räumlichkeiten der Kanzlei "Berger, Steck und Kollegen" durchsucht hatten. Laut Registerunterlagen ist nach mehreren wechselnden Eigentümern Stecks Ehefrau die wirtschaftlich Berechtigte. Steck soll in Vernehmungen eingeräumt haben, dass er die Firma einst aufgesetzt habe, um Beteiligungen zu verwalten, etwa seine Finca auf Mallorca. Mit Cum-Ex habe das Unternehmen nichts zu tun. Ende 2022 weist die Firma laut Jahresabschluss noch eine Bilanzsumme von 17 Millionen Euro auf.

Folgt man auf der Suche nach Vermögen den Spuren der Steck'schen Firmen-Netzwerke, landet man in einschlägigen Steueroasen wie Britische Jungferninseln und Luxemburg, eine Versicherung aus Liechtenstein spielt eine Rolle und immer wieder: Dubai.

So tauchte Stecks Name in einem großen Datensatz auf, im sogenannten "Dubai Uncovered"-Leak. Es ermöglichte Einblicke in die Grundbücher des Emirats bis ins Jahr 2020. Steck war darin als Eigentümer einer 600 Quadratmeter großen Wohnung eingetragen. Über seine Anwälte ließ er im Oktober 2022 mitteilen, er sei nicht Eigentümer, sondern lediglich Treuhänder für einen großen Immobilieninvestor gewesen.

Bei einer Krypto-Währung in Dubai engagiert?

Steck engagierte sich offenbar auch bei einer Krypto-Währung in Dubai und versuchte im Dezember 2022 erfolglos Investoren für einen Fonds in Dubai zu werben. Steck ließ Fragen zu all diesen Vorgängen unbeantwortet.

Stecks Anwälte pochten unlängst im Landgericht Bonn darauf, dass Steck angesichts dessen, was er auf sich genommen habe, nicht bestraft werden dürfe. Der Kölner Staatsanwalt, freilich, sah dies anders. Er verwies laut eines Vermerkes auf den Schaden von 430 Millionen Euro, den die angeklagten Cum-Ex-Modelle für den Steuerzahler verursacht hätten und pochte darauf, dass Steck seinen Anteil, die 50 Millionen Euro, nicht behalten dürfte.

Auch der Vorsitzende Richter im Steck-Prozess, Sebastian Hausen, erklärte, dass dies eine Unwucht sei und Steck im eigenen Interesse die Forderung bedienen solle. Ob er diesem Rat nachkommt, wird der weitere Prozessverlauf zeigen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. November 2024 um 06:19 Uhr.