
Krieg im Nahen Osten Netanjahus Strategie ist nicht nachhaltig
Das Recht des Stärkeren setzt sich im Nahen Osten durch. Doch es ist fraglich, ob die militärischen Siege Israels wirklich die Sicherheit in der Region verbessern. Das könne nur durch Kooperation gelingen.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat zumindest ein Versprechen gehalten. Schon bald nach dem 7. Oktober 2023, dem Terrorangriff aus dem Gazastreifen, sagte er: "Wir werden das Gesicht des Nahen Ostens verändern." Das ist in den vergangenen mehr als 20 Monaten ganz offensichtlich passiert.
Es fragt sich nur, ob das gut ist für den Nahen Osten. Wenn man das Thema nur aus israelischer Sicht betrachtet und nur die kurz- und mittelfristige Sicherheit im Blick hat, dann sieht es gut aus: Israel hat in dieser Zeit existenzielle Bedrohungen ausgeschaltet - beziehungsweise ist im Fall von Iran noch dabei, das zu tun.
Seit Monaten geschwächt
Die Hamas ist nach einem langen Krieg im Gazastreifen schon seit Monaten so geschwächt, dass sie keine unmittelbare Gefahr mehr für Israel darstellt. Das Gleiche gilt für die Hisbollah im Libanon, deren Führungsriege um Hassan Nasrallah durch israelische Luftangriffe getötet wurde und deren militärischen Fähigkeiten auch durch den israelischen Einmarsch im Libanon zerstört wurden.
Nachdem die Terrormiliz Israel monatelang mit Raketen beschossen hatte, ist an dieser Front jetzt Ruhe. Die Huthi-Miliz im Jemen schickt zwar ab und an noch Raketen und Drohnen in Richtung Israel. Aber die Huthi können nicht mehr auf die Unterstützung des Regimes in Teheran zählen, das um sein Überleben kämpft.
Auch vom Machtwechsel in Syrien hat Israel profitiert und die Gelegenheit genutzt, dortige Waffenarsenale in großem Stil zu zerstören. Und nachdem dem Regime in Teheran erst seine Verbündeten abhandengekommen sind, ist Israel - mit tatkräftiger Hilfe der USA - nun dabei, das Atom- und das Raketenprogramm zu zerstören.
Sicherheit muss für alle gelten
Weniger Bedrohung, das klingt nach mehr Sicherheit - doch wie nachhaltig ist das? Zunächst einmal gilt das nur für Israel. Sicherheit gibt es nicht für die Menschen im Iran, die vor den israelischen Angriffen fliehen und die mit einem Regime leben, das den Druck schon bald in noch größere Härte gegen die eigene Bevölkerung ummünzen könnte.
Libanon und Syrien sind in hohem Maße instabile Gebilde - zum Leidwesen der Bevölkerungen dort, die sich alles andere als sicher fühlen. Und das gilt für die Palästinenser erst recht, die im Westjordanland unter einer Defacto-Annexion leben und im Gazastreifen vor Hungertod und Vertreibung stehen.
Sicherheit hat für die meisten Menschen in der Region keinen Wert, wenn sie nur für Israel und Israelis gilt. Sicherheit für alle, gäbe es durch Kooperation, durch Allianzen, durch gute Wirtschaftsbeziehungen und Austausch. Durch die Förderung der liberalen Kräfte und von Stabilität. Sicherheit in der Region kann es dauerhaft nur geben, wenn sie für alle gilt.
Es drohen neue Wellen der Gewalt
Doch zurzeit regiert das Recht des Stärkeren. Das mag Israel kurzfristig zu einem sichereren Ort machen. Aber nachhaltig ist das nicht. Nach dem Terrorangriff vom 7. Oktober musste Israel sich wehren. Seitdem hat das Land zeitweise, wie Netanjahu es sagte, an sieben Fronten gekämpft.
Ein Interesse an nachhaltiger Sicherheit und einer besseren Integration Israels in die Region hat er nicht. Dafür profitiert er zu sehr vom Kriegszustand. Und so ändert sich das Gesicht des Nahen Ostens dann doch nicht - in dem Sinne, dass früher oder später neue Wellen der Gewalt kommen werden. Wenn es nicht zu einem Umdenken kommt.