
Tag des Buches Lust aufs Lesen wecken - via TikTok
Männer lesen statistisch gesehen weniger Bücher als Frauen. Zwei Brüder aus Hannover wollen das auf TikTok ändern. Die beiden "Booktoker" möchten online vor allem Jungen und junge Männer zum Lesen animieren.
Die Brüder Yannik und Niklas Stuhr aus Hannover machen auf ihren TikTok-Accounts Lust auf neue Bücher. Dabei sprechen sie insbesondere Männer an. Denn Studien zufolge lesen die weniger als Frauen.
Dieser Negativtrend beginnt schon im Grundschulalter. Laut der Studie Kindheit, Internet, Medien (KIM) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest aus dem Jahr 2022 lesen 19 Prozent der Mädchen regelmäßig Bücher. Bei den Jungen sind es nur neun Prozent, und 23 Prozent lesen sogar nie.
Davon können auch Yannik und Niklas berichten. Beide empfanden während der Schulzeit Lesen eher als Last und mochten die Pflichtliteratur nicht besonders. Sie hörten auf, privat zu lesen. Im Studium entdeckte Niklas dann spannende Bücher. Yannik fing aus Langeweile bei einem Nebenjob in einer Spargelbude an zu lesen. Nun laden sie regelmäßig Videos auf TikTok hoch.
Booktok - ein Millionenmarkt
Mit dem Handy drehen die beiden ihren Content im heimischen Wohnzimmer in Hannover, vor der gigantischen Bücherwand. Yannik filmt, während Niklas Bücher in die Kamera hält, den Inhalt zusammenfasst und die Story bewertet. Die fertigen Videos laden sie dann auf ihren Accounts bei TikTok hoch. Beide sind auf dem Weg, die Followermarke von 10.000 zu knacken.
Booktok boomt. Es gibt mittlerweile mehr als 50 Millionen Beiträge mit diesem Hashtag auf TikTok. Dreiviertel der Accounts gehörten laut dem Börsenblatt des Deutschen Buchhandels im vergangenen Jahr Frauen. Aber die Zahlen steigen stetig. Vor allem die Gruppe der 26- bis 30-Jährigen bezieht von Booktok Bücherideen. Daher ist aus dem Hashtag Booktok mittlerweile ein riesiger Markt geworden. Mehr als 25 Millionen über Booktok empfohlene Bücher sind laut Börsenblatt vergangenes Jahr allein in Deutschland verkauft worden - im Vorjahr waren es nur halb so viel.
Frauen kaufen mehr Bücher
Allerdings liegen auch beim Bücherkauf die Frauen vorne. Das zeigte eine Erhebung der GfK: Knapp die Hälfte (45,7 Prozent) der Frauen hat 2023 Bücher erworben, dagegen nur ein knappes Drittel (29,9 Prozent) der Männer. Tatsächlich davon gelesen werden deutlich weniger.
Männer schneiden schon im jungen Alter bei der Lesekompetenz schlechter ab. Das zeigt unter anderem die aktuelle Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) aus dem Jahr 2021. Dort waren Mädchen im Fach Deutsch signifikant besser als Jungen.
Männliche Nische: Romane statt Sachbücher
Niklas und Yannik lesen vor allem Romane, weniger Sachbücher. Weil "Romane Empathie bildender sind", so Niklas. Das sei gegen den allgemeinen Trend, sagt Friederike Harms von der Zentralbibliothek in Hannover. Denn für gewöhnlich leihen Männer eher Sachbücher aus. Das gehe aus den Ausleihen ihrer Bibliothek hervor. Aber dieser Trend zu Sachbüchern scheint durch Booktok rückläufig zu sein.
Deshalb ist Harms sehr froh, dass es Booktoker wie Niklas und Yannik Stuhr gibt. Demnach hätten sich dadurch die Ausleihen allgemein erhöht und das Interesse von gerade jungen Menschen für Bücher steige. Das zeigte sich vor allem bei der Frankfurter und Leipziger Buchmesse. Denn für gewöhnlich, so Harms, hätten Buchhändlerinnen und -händler Sorgen gehabt, die junge Generation für das Buch zu verlieren.
Mehr Vielfalt durch Booktok?
Auf den Messen gibt es nun sogar ganze Hallen nur für Booktok-Begeisterte. Eigene Buchgenres wie Young Adult und New Romance entstehen, und Bücher werden aufwendig mit farbigen Schnitten gestaltet. Die Vielfalt nehme zu, so Harms.
Für Yannik und Niklas bleibt das Lesen nun ein Teil ihres Lebens. Und damit ihnen der Lesestoff nicht ausgeht, stöbern sie regelmäßig im Second-Hand-Buchladen nahe ihrer Wohnung. Bücherideen bekommen sie von Booktok, oder ihre Follower empfehlen Literatur. Natürlich gebe es auch das ein oder andere Rezensionsexemplar von Verlagen, sagt Yannik. Und weil sie Geschwister sind, werde natürlich auch wild untereinander getauscht. Denn wie Niklas zu seinen Followern sagt: "Männlich sein, heißt Bücher lesen".