Silhouette eines Geschäftsmanns in einem Büro vor dem Hintergrund einer Stadt.

Chief Restructuring Officers Sie kommen, wenn es brennt

Stand: 01.04.2025 06:22 Uhr

Die deutsche Wirtschaft lahmt, selbst einst solide Unternehmen geraten ins Schleudern. Sogenannte Chief Restructuring Officers - kurz CRO - sollen sie dann retten. Nicht jedem schmeckt das.

Von Melanie Jost, WDR

An die Abkürzung CEO, also Chief Executive Officer, für einen alleinigen Geschäftsführer, Vorstandsvorsitzenden oder Generaldirektor hat man sich inzwischen gewöhnt. Doch nun sprechen in Krisenzeiten viele Unternehmen in Pressemeldungen davon, dass sie einen CRO engagieren - "Chief Restructuring Officer" verbirgt sich hinter der Abkürzung.

Übersetzen ließe sich das als "Chef-Restrukturier". Er arbeitet neben dem Geschäftsführer oder ersetzt diesen teils auch und soll vor allem eines können: Krise.

Retten, wenn es brennt

Gerufen werden CROs meist erst, wenn es brennt, wenn das Geld aus ist oder bei Liquiditätsengpässen. Sie sollen das Unternehmen neu aufstellen und vor allem restrukturieren - daher die Bezeichnung.

Doch oft sind es die Gläubiger, etwa die Banken, die auf den Chief Restructuring Officer bestehen. Das erschwert die Stellung des Managers im Unternehmen. Andere Mitarbeiter würden sich fragen, auf welcher Seite der CRO stehe, berichtet Marc S. Tenbieg vom Deutschen Mittelstandsbund.

"Somit ist ein CRO auch häufig als ein sogenannter Sensenmann nicht sonderlich geschätzt in dem Unternehmen. Da kommt einer rein, der beauftragt wurde von Dritten, um ein Unternehmen auf Vordermann zu bringen, sofern das überhaupt noch möglich ist", sagt Tenbieg.

Hohe Tagessätze sind die Norm

In der Regel kommen CROs nur für begrenzte Zeit ins Unternehmen - sechs Monate bis maximal drei Jahre. Und diese speziellen Krisenmanager kosten das Unternehmen richtig Geld: Tagessätze von 1.000 bis 8.000 Euro werden benannt. Der Mittelwert liegt bei 2.600 Euro pro Tag, ohne Nebenkosten.

Die hochbezahlten Top-Manager sind medienscheu. Einmal engagiert, lassen sie sich von der Presse ungern in die Karten schauen. So hat der größte deutsche Agrarkonzern BayWa, der in Millionenverluste rutschte, Michael Baur als CRO angeheuert. Für ein Interview steht er nicht zu Verfügung.

Auch der Autozulieferer Webasto aus München arbeitet jetzt mit einem CRO. Doch so lange man am Restrukturierungskonzept arbeite, bittet man um Verständnis, dass man sich aus Rücksicht auf Mitarbeitenden, Kunden und Geschäftspartner zu Details der Restrukturierung nicht äußern und deswegen auch kein Interview führen werde.

Explodierende Nachfrage

Unter der Bedingung, nicht über aktuelle Mandate zu sprechen, gibt der Unternehmensberater und CRO Arno Haselhorst Auskunft zu dem Top-Job, den er schon machte, als das noch niemand CRO nannte. "CRO kann sich jeder nennen - das ist so", sagt Haselhorst. Momentan explodieren bei ihm die Nachfragen, was er so in den vergangenen 20 Jahren noch nie erlebt habe.

Von den Krisenzeiten versuchten manche zu profitieren, boten sich als CRO an. "Andere gehen auch mit guten Absichten rein und sagen: Was der kann, kann ich auch! Und unterschätzen dann die Situation völlig", meint Haselhorst.

CRO ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Es gehe vor allem um Erfahrung. Er selbst ist Diplomkaufmann, war lange bei einer renommierten Unternehmensberatung und mit Mitte 30 selbst schon Vorstand, bis er seine eigene Agentur gründete.

CRO kann man nicht studieren

Ihren Karrierehintergrund haben CROs zwischen Insolvenzrecht und Betriebswirtschaftslehre: Denn sie können vor einem drohenden Insolvenzverfahren oder aber auch mittendrin ins Unternehmen kommen. Krise und Scheitern sehe man auch in Deutschland langsam nicht mehr als das Ende der Fahnenstange, meint Christoph Thole von der Universität zu Köln, in dessen Institut Insolvenz- und Restrukturierungsrecht zusammengehören. Den Einsatz eines CRO sieht er grundsätzlich als eine gute Sache, auch um nach außen zu signalisieren, dass man die Krise anpackt.

Dass Unternehmen ansonsten wenig nach außen dringen lassen, erklärt Thole so: "Jeder Restrukturierungsprozess braucht Vertrauen. Die Gläubiger müssen mitmachen die müssen auch die Füße still halten, vielleicht nicht vorschnell vollstrecken."

Laut Thole brauchen etwa Lieferanten Vertrauen, damit sie ihre Verträge nicht kündigen, damit sie nicht in Vorkasse umstellen, und natürlich brauchen auch die Arbeitnehmer Vertrauen. Das sei ein ganz heikler Prozess und auch eine schwierige Phase für das Unternehmen.

Unliebsame Wahrheiten umsetzen

Doch was macht der CRO, was ein normaler Geschäftsführer nicht kann? Arno Haselhorst meint, es gehe in erster Linie gar nicht um neue Ideen, sondern darum, die Hausaufgaben konsequent zu machen: "Wenn ein Produkt nicht mehr funktioniert, dann muss ich konsequent das Produkt aus dem Sortiment nehmen und die dahinter liegenden Strukturen hinterfragen."

Gerade das falle aber vielen Unternehmen aber schwer, sagt der Unternehmer. "Wenn ich das nicht kann oder nicht will oder nicht davon überzeugt bin, weil ich fest daran glaube, dann müssen Leute, wie ich kommen und unliebsame Wahrheiten umsetzen", sagt Haselhorst.

CROs könnten weder zaubern, noch hexen, meint Christian Schwens, Professor für Entrepreneurship und Management in Köln. Diese Personen seien erfahrene Manager, die kurzfristig und unter Druck Entscheidungen treffen können, sich mit Maßnahmen zur Kostensenkung und Liquiditätssicherung auskennen und Führungskompetenz mitbringen.  Der frische Blick von den extern kommenden CRO sei auf jeden Fall eine Chance, so der Konsens der Experten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD-Wirtschaftsmagazin "Plusminus" am 26. März 2025 um 21:45 Uhr.