
Ausbau von Sonnenergie Solarinfarkt - wenn das Netz zusammenbricht
Der voranschreitende Ausbau der Solarenergie bringt nicht nur Vorteile. Er stellt Stromnetzbetreiber vor echte Probleme. Denn der ungebremste Ausbau überlastet das Stromnetz. Betreiber warnen vor lokalen Stromausfällen.
Die Solarenergie in Deutschland boomt. Viele Städte und Gemeinden fördern Solarstrom, wie etwa Walldorf in der Nähe von Heidelberg. Der 16.000-Einwohner-Ort will "Solarstadt" werden und hat deshalb eine Offensive gestartet. Die Kommune subventioniert die Installation von Solaranlagen - bisher mit gut fünf Millionen Euro.
Stefan Bender hat den finanziellen Zuschuss seiner Heimatstadt genutzt. Das Haus aus den 70er-Jahren, in dem er zusammen mit seinen Eltern wohnt, ist seit 2023 auf grünen Strom umgestellt. 6.000 Euro hat er von der Stadt bekommen, 23.000 selbst bezahlt. In 13 Jahren soll sich das rechnen. Doch die Solaranlage produziert mehr Strom als die Familie verbrauchen kann. Der größte Teil des Stroms fließt ins Netz. "Sobald der Speicher voll ist, wird automatisch alles in Netz eingespeist. Ich habe absolut keinen Einfluss", erklärt Bender.
"Es kommt zu einer Verstopfung im Netz"
Die unkontrollierte Einspeisung sorgt für Stress im deutschen Stromnetz. "Es kann durchaus passieren, dass es durch ein Zuviel an Photovoltaik-Strom - insbesondere aus kleineren Anlagen, die in den vergangenen Jahren verstärkt ans Netz gekommen sind - praktisch zu einer Verstopfung im Netz kommt", sagt Carsten Liedtke, Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Das führe dazu, dass einzelne Ortsnetzstationen zur Sicherheit abgeschaltet werden müssen. "Und dann gibt es lokale Stromausfälle, von denen jeweils mehrere hundert Menschen betroffen sein können", so Liedtke.
In Bayern gibt es überdurchschnittlich viel Solarenergie. Die Mitarbeiter des Übertragungsnetzbetreibers Tennet sind in Alarmbereitschaft - vor allem an wolkenlosen Tagen mit geringem Stromverbrauch. Gefährlich seien Sonn- und Feiertage. Allein in diesem Jahr mussten sie schon mehrfach eingreifen, um lokale Stromausfälle durch Solarspitzen zu verhindern.
Sorge bereiten den Netzbetreibern vor allem ländliche Regionen. Dort ist das Stromnetz oft weniger gut ausgebaut als in Ballungszentren und deshalb anfälliger für zu große Mengen Solarstrom.
Einspeisevergütung als Ursache?
Für Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin, ist klar: Die Einspeisevergütung ist die Ursache. Bei dieser wird überschüssiger Solarstrom ins Netz eingespeist und staatlich vergütet. Das Problem: Selbst wenn so viel Strom im Netz ist, dass die Preise an der Börse negativ sind, wird die Einspeisevergütung weiter bezahlt.
Doch das soll sich nun ändern. Hintergrund ist das Gesetz zur Verhinderung von Solarstromspitzen, das seit 25. Februar in Kraft ist. Damit entfällt künftig die Einspeisevergütung in Zeiten negativer Strompreise - allerdings nur bei neuen Solaranlagen.
Für Energieexperte Hirth ist das der richtige Schritt: "Langfristig sollen alle Anlagen in die sogenannte Direktvermarktung - das heißt, auch kleine Solaranlagen sollen irgendwann so gesteuert werden und optimiert werden wie heute Kraftwerke." Darum kümmern sollen sich Firmen, die diese an der Börse vermarkten. "Für so eine Direktvermarktung braucht man viel IT. Die müsse eingebunden werden in die Techniksysteme dieser Vermarkter und dieser Optimierungsfirmen - und das ist alles bürokratisch, aufwendig und auch teuer", so Hirth.
Neue Solaranlagen mit Künstlicher Intelligenz
Erste technische Lösungen für Hausbesitzer gibt es bereits. Diese neuen Solaranlagen brauchen eine Software, die sich bei der Stromeinspeisung an der Nachfrage orientiert. Die moderne Steuerungstechnik basiert auf Künstlicher Intelligenz (KI). So können Netzbetreiber die Anlage regeln.
"Unsere KI wird hier trainiert. Jeden Tag geht sie sozusagen zur Schule und wird täglich besser", erklärt Sascha Koppe vom Unternehmen 1Komma5°. Das Solarspitzengesetz macht Smart Meter - also intelligente Stromzähler - und Steuerboxen zur Pflicht. Das gilt für alle neuen Solaranlagen. Ziel ist ihre Fernsteuerbarkeit. Ansonsten wird die Stromeinspeisung auf 60 Prozent der Leistung begrenzt, das heißt auch weniger Vergütung.
Mehr Steuerbarkeit durch neue, smarte Anlagen
Kevin Brand aus Brandenburg hat eine solche Anlage. In seinem Keller sind Smart Meter und Steuerbox installiert. Seine Netzeinspeisung wird automatisch an die aktuelle Stromnachfrage angepasst - und sein Eigenverbrauch optimiert. Über eine App hat er in Echtzeit Zugriff auf seine Daten.
"Produktion 8,9 Kilowatt. Mein Verbrauch 8,3. So ich habe schon ein bisschen was gewonnen, an einem schlechten Tag", sagt Brand. Der Überschuss wird an der Strombörse verkauft - wenn der Strompreis nicht negativ ist. "Für die Neuanlagen von Solaranlagen erleichtert uns das Erzeugungsspitzengesetz die Arbeit, da es mehr Steuerbarkeit integriert hat und damit werden für uns die Prozesse leichter", erläutert Dominique Ernst vom Übertragungsnetzbetreiber Tennet.