
Finanzmarktaufsicht Die BaFin und ihr Wirecard-Trauma
Fünf Jahre nach dem Wirecard-Skandal ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht noch immer mit der Klärung ihrer Rolle beschäftigt - und um Schadensbegrenzung bemüht.
Der Wirecard-Skandal sitzt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin, auch fünf Jahre nach seinem Bekanntwerden in den Knochen. Bei ihrer ersten Kapitalmarktkonferenz in Frankfurt traten anderthalb Dutzend Aufsichtsbeamte vierhundert Vertretern von Unternehmen, Beratungsagenturen und Verbänden gegenüber und warben um Verständnis und Vertrauen. Das Wort "Wirecard" wurde sorgsam vermieden.
Der börsennotierte Finanzdienstleister war 2020 mit Milliardenschaden pleite gegangen. Ein Vorstand ist vermutlich in Russland untergetaucht, der frühere Vorstandschef und zwei weitere Manager stehen in München vor Gericht. Die BaFin hatte vor der Pleite Strafanzeige gegen Wirtschaftsjournalisten erstattet, die kritisch über Wirecard berichtet hatten. Die systematischen mutmaßlichen Betrügereien waren der Aufsichtsbehörde nicht aufgefallen. Das Bundesfinanzministerium tauschte die Spitze der BaFin daraufhin aus.
Betrüger erwischen, bevor es zur spät ist
"Seit 2021 hat sich bei uns einiges geändert", sagte der seinerzeit neu berufene BaFin-Präsident Mark Branson, "unsere Aufsicht ist mutiger geworden". Die Finanzmarktaufsicht arbeite nun mit besseren Methoden. "Die Chancen, erwischt zu werden, waren noch nie so hoch", sagte Branson. Vergangenes Jahr seien die Bilanzen von 46 Unternehmen kontrolliert worden. Das sei so viel wie nie zuvor. Wenn Unternehmen reif für eine Sonderkontrolle seien, werde das veröffentlicht. Bei kritischen Befunden im Zahlenwerk, der Organisation oder dem Geschäftsmodell warten die Prüfer nicht mehr bis zu einem Endergebnis, sondern informieren die Öffentlichkeit kurzfristig.
Die BaFin ist eine Ordnungsbehörde des Bundes, die staatliche Regeln für Banken, Versicherungen und Aktiengesellschaften mit breiter Beteiligung kontrolliert und durchsetzt. Gleichzeitig - so wurde bei der Kapitalmarktkonferenz deutlich - versucht die Aufsichtsbehörde, den Markt nicht zu fesseln, sondern Möglichkeiten zu breiter Entfaltung zu bieten. "Das Spiel muss ja auch noch weitergehen", formulierte Aufseher Ralf Becker, nachdem Präsident Branson die BaFin mit einem Schiedsrichter verglichen hatte: "Wir schauen, dass sich die Spieler an die Regeln halten."
Mehr Kontrolle, mehr Bürokratie
Seit Jahren häufen sich die Klagen über nicht treffsichere und bürokratische Finanzaufsicht. Kleine Volksbanken und Sparkassen ächzen unter der Last immer neuer Abfragen, Datenwünsche und Berichtspflichten. Auch kleine Aktiengesellschaften müssen ihre Prospekte für Börsengeschäfte mit größter Akribie in formal exakter Weise erarbeiten. Privatkundinnen und -kunden bekommen bei Anlagegeschäften umfangreiche, schwer verständliche Aufklärungsunterlagen. Häufig verschwimmen inhaltliche Genauigkeit und praktischer Nutzen hinter Formvorschriften.
Der Brite Branson hatte sich vor seiner BaFin- Präsidentschaft bei der Schweizer Finanzmarktaufsicht einen Ruf als fachkundiger, zupackender und pragmatischer Behördenchef erarbeitet. Er versprach, überflüssige Detailregeln zu identifizieren. Wenn deutsche Vorschriften über europäische Normen hinausgingen, werde das beim Finanzministerium gemeldet, um Teil von Bürokratieabbau werden zu können.
Auch Bransons Spitzenbeamte versicherten, sich für weniger und passgenauere Regeln einzusetzen. Andererseits berichtete Markus Nielsen von der BaFin, Bundesregierung und Europäische Kommission hätten 121 neue Regeln für die Finanzmärkte in Arbeit. Hinzu kämen absehbar weitere 51. Manches, tröstete Nielsen, diene aber auch dem Bürokratieabbau. "Wenn was nicht funktioniert, kann man darüber nachdenken, es auch abzuschaffen", sagte Nielsen.