
Nach US-Angriff auf den Iran Warum die Börsen so gelassen reagieren
Mit dem US-Angriff auf den Iran droht eine Eskalation der Situation im Nahen Osten. Doch von Panik ist an den Börsen keine Spur - der DAX verbucht nur leichte Kursverluste. Wie kann das sein?
Nach den US-Luftangriffen auf iranische Nuklearanlagen ist die Risikoaversion an den Weltmärkten zwar gestiegen. Von einer Panikreaktion sind die Börsen jedoch weit entfernt. Die Anleger bleiben weitgehend ruhig und gelassen.
Das sieht man auch dem DAX an: Der deutsche Leitindex verbucht zur Mittagszeit nur leichte Kursverluste, rangiert bei 23.287 Punkten gerade einmal 0,3 Prozent unter seinem Schlusskurs vom Freitagabend. Damit hält sich der DAX zudem deutlich über seinem Vorwochentief bei 23.051 Punkten. Mit einem Tageshöchstkurs von 23.385 Stellen kann er sogar zeitweise ins Plus drehen.
Auch an der Wall Street dürften sich die Kursreaktionen in Grenzen halten. Der Future auf die Standardwerte im Dow Jones büßt aktuell 0,1 Prozent ein, während die Futures auf den technologielastigen Nasdaq 100 und den marktbreiten S&P 500 um 0,1 Prozent zulegen können.
Hinter der gelassenen Reaktion der Anleger steckt nicht zuletzt der sogenannte "Fait-accompli-Effekt", ein an den Börsen wohlbekanntes Phänomen: Demnach stellt vor allem die Spekulation auf bestimmte Ereignisse an den Börsen eine Belastung dar, die Risikoprämien steigen dementsprechend im Vorfeld - und die Aktienkurse sinken.
Tritt dann jedoch das Ereignis ein, auf das die Anleger so lange und bange gewartet haben, ist es ein "fait accompli" - eine vollendete Tatsache. Dann besteht kein Anlass mehr für weitere deutliche Verkäufe. Häufig können die Aktienkurse in solchen Situationen sogar nach oben drehen.
Marktbeobachter verweisen zudem auf einen gewissen Gewöhnungseffekt unter den Anlegern: Die Börsen hätten sich - "so hart es klingt" - an das Thema Krieg gewöhnt, weshalb viele Investoren diese Entwicklung nicht als Verkaufssignal sehen, erklärt Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets.
Zudem hoffen offenbar einige Anleger, dass der Iran nach dem Angriff und der möglichen Zerstörung seiner Atomanlagen einen Rückzieher machen oder dass sogar ein Regimewechsel eine weniger feindselige Regierung an die Macht bringen könnte.
Die große Frage für die Märkte bleibt: Wie wird der Iran jetzt reagieren? Im Fokus steht dabei Straße von Hormus, könnte der Iran doch versuchen, diesen für den Öltransport so wichtigen Seeweg zu blockieren.
Laut dem Rohstoffstrategen Warren Patterson von ING glaubt der Markt aber noch nicht daran, weil die Meerenge vor allem für Transporte nach Asien relevant sei. Tatsächlich würde sich der Iran mit einer Blockade der Straße von Hormus wohl ins eigene Fleisch schneiden und in erster Linie wichtige Abnehmer iranischen Öls, allen voran China, treffen.
Für diese Lesart spricht denn auch die Reaktion der Ölpreise: Zwar kletterten die Preise für die Nordseesorte Brent und die US-Sorte WTI heute früh zu Handelsbeginn in Asien auf den höchsten Stand seit fünf Monaten. Doch der starke Anstieg war nicht von Dauer. Zur Mittagszeit liegt der Brent-Preis nur noch 0,9 Prozent im Plus bei 76,19 Dollar je Barrel (159 Liter).
Am Devisenmarkt fällt der Euro zur Mittagszeit um 0,3 Prozent auf 1,1468 Dollar. Die US-Devise, die angesichts der stark gestiegenen geopolitischen Spannungen in den vergangenen Tagen ihren Status als sicherer Hafen wieder zurückgewinnen konnte, kann von den Entwicklungen im Nahen Osten etwas profitieren.
Positive Impulse kamen am Morgen von frischen Konjunkturdaten: So ist die deutsche Wirtschaft im Juni überraschend gewachsen. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Privatwirtschaft mit Industrie und Dienstleistern stieg unerwartet deutlich auf 50,4 Punkte und kletterte damit wieder über die Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Der entsprechende Index für die Eurozone lag bei 50,2 Zählern.
Der Goldpreis, der in einer ersten Reaktion auf die US-Angriffe auf den Iran noch einen Satz nach oben bis auf 3.398 Dollar gemacht hatte, sendet mittlerweile klare Entspannungssignale: Aktuell kostet eine Feinunze des gelben Edelmetalls 3.366 Dollar und damit sogar etwas weniger als vor dem Wochenende.
Auch ein Blick auf den Markt für Kryptowährungen zeigt: Die Anleger sind von Panik weit entfernt. Der Bitcoin kann sich zum Wochenstart wieder etwas von den Verlusten am Sonntag und den Tagen davor erholen. Die älteste und bekannteste Kryptowährung kostet am Mittag wieder etwas mehr als 101.000 Dollar, nachdem sie noch bis auf fast 98.000 Dollar abgerutscht war.
Der Bitcoin steht seit dem Beginn des Kriegs zwischen Iran und Israel unter Druck, der Kurs gab seitdem um rund sieben Prozent nach und ist damit ein Spiegelbild der steigenden Risikoaversion der Anleger.
Am deutschen Aktienmarkt setzen Rüstungswerte ihre seit Monatsbeginn laufende Korrektur weiter fort. Mit einem Abschlag von knapp vier Prozent ist die Rheinmetall-Aktie zur Mittagszeit der größte DAX-Verlierer, im MDAX verzeichnen Papiere von Hensoldt und Renk Kursverluste von über fünf Prozent.
Nach den starken Kursgewinnen der vergangenen Monate ersetzt der Rüstungskonzern Rheinmetall unterdessen ab heute den Luxuswarenhersteller Kering im Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50. Allein 2025 hat Rheinmetall bereits rund 200 Prozent Kursgewinne verbucht.
Nach einer Herunterstufung müssen auch die Aktien der Münchener Rück Federn lassen. Die Analysten von Morgan Stanley haben die Titel auf "Underweight" von "Equal-Weight" herabgestuft. Die Rückversicherer hätten in den vergangenen Jahren eine "goldene Ära" erlebt, schreiben die Experten, verweisen nun aber auf die bevorstehende Hurrikansaison als Risikofaktor.
Der Internetdienstleister Ionos aus dem United-Internet-Konzern steigt heute in den Börsenindex MDAX der mittelgroßen Werte auf. Dort ersetzt das Unternehmen den Technologiekonzern Jenoptik, der im Gegenzug den Abstieg in den Kleinwerteindex SDAX antreten muss.
Im SDAX ersetzen zudem als Neulinge die Beteiligungsgesellschaft Mutares und der IT-Dienstleister Nagarro den Biokraftstoffhersteller Verbio und das Spezialpharmaunternehmen Medios, die aus dem Index herausfallen. Änderungen im DAX gibt es keine.
Der Elektroauto-Hersteller Tesla hat mit dem Start fahrerloser Taxis auf den Straßen der Stadt Austin im US-Bundesstaat Texas begonnen. Tesla-Chef Elon Musk schrieb auf der Plattform X, der "Robotaxi-Start" beginne mit Fahrten für eine Pauschalgebühr von 4,20 Dollar. Tesla plant, etwa zehn Fahrzeuge mit Beifahrern einzusetzen, die als "Sicherheitsüberwacher" mitfahren.
Mit Informationen von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion.