
2G-Plus Den Fitnessstudios geht die Puste aus
Eigentlich treiben die guten Vorsätze im Januar zahlreiche Neukunden in die Fitnessstudios. Aber die Branche verliert weiter Mitglieder. 2G-Plus macht Trainierende und Trainer mürbe.
"Die neuen Maßnahmen sind extrem personalintensiv", sagt Fabian Becker. Er leitet das Sportstudio Aggertal in Lohmar. Becker steht am Eingangsbereich und kontrolliert bei jedem Gast den aktuellen Test, das Impfzertifikat und den Personalausweis. "Das hält uns von unserer eigentlichen Aufgabe ab: der Trainingsbetreuung unserer Gäste", sagt Becker.
Das Sportstudio in Lohmar existiert im 39. Jahr - mit Rückenkursen, Yoga und funktionellem Workout. Die Monate im Lockdown und die vielen Einschränkungen beim Einlass der Mitglieder hätten deutliche Spuren hinterlassen, sagt Becker. Ein Drittel der Mitglieder hätten bereits gekündigt - Mitglieder, die Becker und sein Team über Jahre gewonnen und gehalten haben. "Das ist ein langfristiger Umsatzeinbruch, der vom Land mit lächerlichen Hilfsprogrammen abgemildert werden soll", kritisiert Becker.
Gute Vorsätze - ohne neue Mitglieder
Der Januar sei dank der neuen Vorsätze für das Jahr für viele neue Gäste ein guter Zeitpunkt, um mit Gesundheitssport oder Fitnesstraining zu beginnen. "Für die Branche ist das selbstverständlich einer der umsatzstärksten Monate. Dieser wird nun zum zweiten Mal durch Maßnahmen eingedämmt, die für die häufig geboosterten Gäste unverständlich sind", sagt Becker.
"2G-Plus-Vorschriften haben signifikante Auswirkungen auf die Neuanmeldungen", sagt auch Ralph Scholz, Vorsitzender des Deutschen Industrieverbands für Fitness und Gesundheit. Vielen Menschen sei es zu aufwendig, zusätzlich zu einem Impf- oder Genesenennachweis einen aktuellen Test vorzulegen. Selbsttests im Studio sind auch unter Beaufsichtigung durch geschultes Personal nicht zulässig.
"Dort, wo die Regel eingeführt wurde, ist das Neugeschäft fast komplett weggebrochen", kritisiert Scholz. Im ersten Quartal würden Fitnessstudios üblicherweise ein Drittel der Neuanmeldungen eines Jahres erzielen.
"Von der Politik verarscht"
Immer wieder erlebt Becker in seinem Studio in Lohmar, wie Gäste und Trainer sich über die verschärften Bestimmungen ärgern. "Unter den aktuellen Maßnahmen kippt langsam die Stimmung", sagt der Sport- und Fitnesskaufmann. "Die Gäste fühlen sich von der Politik verarscht, und das Vertrauen sowie die Akzeptanz in die Maßnahmen schwindet."
Waren damals im Lockdown die Fitnessstudios geschlossen, laufen jetzt im Betrieb die Kosten voll weiter. Viele Betreiber haben laut Verband wieder Existenzsorgen. "Wir haben zum Beispiel einen mittleren fünfstelligen Betrag aus privaten Mitteln in eine Frischluftanlage mit Live-Präsentation auf der Homepage investiert", sagt Becker. Dieses System sei in der Branche einmalig. "Das Training bei uns ist quasi wie ein Training an der frischen Luft, mit dem Zusatz, dass sogar Pollen vorher herausgefiltert werden."
In der Branche werde enorm viel in Hygiene-, Lüftungs- und Schutzkonzepte investiert, die leider wenig Beachtung in der Politik finden würden. Becker wünscht sich von der Politik mehr Wertschätzung und mehr Verantwortung wie die Selbsttests vor Ort.
Ein Flickenteppich an Regeln
"Viele unserer Gäste beklagen auch, dass im Bund nicht dieselbe Sprache gesprochen wird und somit zum Beispiel bei uns in Nordrhein-Westfalen Maßnahmen härter sind als in anderen Bundesländern", sagt Becker.
Derzeit gilt für Fitnessstudios ein Flickenteppich von Regeln - in einigen Bundesländern gilt allein die 2G-Regel, in anderen wird zusätzlich ein Schnelltest verlangt, in manchen entfällt dieser für Menschen mit Auffrischungsimpfung. "Der Politik fehlt eine Langfriststrategie", kritisiert der Industrieverband für Fitness und Gesundheit. Die Branche bangt um den so wichtigen Jahresstart.
Studioleiter Becker und sein Team hoffen, dass möglichst viele Leute weiter trainieren und trotz der Kontrollen ins Studio gehen. "Das Sportstudio Aggertal sowie die gesamte Branche leisten einen großen Beitrag zur Gesunderhaltung der Bürger allgemein", sagt er. "Wir sind ein wichtiger und unverzichtbarer Bestandteil des Gesundheitswesens - gerade in der Pandemie."