Der Roboter 4NE-1 der Firmy NEURA Robotics beim Bügeln.

"European Robotics Forum" Wenn Roboter den Haushalt schmeißen

Stand: 25.03.2025 16:49 Uhr

An Staubsaugroboter haben sich viele gewöhnt. In Zukunft sollen humanoide Roboter im Haushalt noch mehr helfen. In Stuttgart trifft sich die europäische Branche, um zu zeigen, was schon möglich ist. 

Von Tobias Faißt, SWR 

Wer bringt den Müll raus? Wer räumt die Spülmaschine aus? Hin und wieder lösen diese einfachen Fragen schwere Diskussionen aus. "Wir könnten dabei helfen, viele Ehekrisen zu vermeiden, bevor sie entstehen", sagt David Reger und schmunzelt.

Mitte des Jahres möchte der Geschäftsführer von NEURA Robotics aus dem schwäbischen Metzingen einen humanoiden - also einen menschenähnlichen - Roboter auf den Markt bringen, der Aufgaben im Haushalt übernimmt. Kostenpunkt zu Beginn: etwa 16.000 Euro. "Über eine hohe Stückzahl wollen wir den Preis noch deutlich senken", betont Reger. Er geht dann von Preisen um die 5.000 Euro aus. Zumindest für gutverdienende Ehepaare könnten manche Haushaltsstreits damit in Zukunft ausfallen. 

Smartphone auf Rollen

Das Modell beschreibt Reger salopp als Smartphone auf Rollen. Der MiPA ist deutlich größer und kann mehr als Ehestreitigkeiten vermeiden. Seine Runde Kuppel mit LED-Gesicht ist etwa brusthoch, rechts ist ein Arm montiert. Damit kann der Roboter Dinge tragen. Beispielsweise Medikamentenboxen, um sie ans Bett zu bringen. Oder Abfalltüten, um den Müll rauszubringen.

Sprachgesteuert kann er die Familie anrufen, die dann auf einem Display per Videocall zu sehen ist. Funktionen, die vor allem Menschen helfen können, die kurz davor stehen, ins Pflegeheim zu gehen. Die Schwierigkeiten mit dem Haushalt und der Angst vor der Einsamkeit Zuhause haben. So zumindest wünscht sich das Reger in naher Zukunft. 

European Robotics Forum erstmals in Deutschland

Mehr als 70 Unternehmen zeigen in Stuttgart gerade, was ihre Maschinen so draufhaben. Das European Robotics Forum (ERF) findet in diesem Jahr zum 15. Mal statt, aber erstmals in Deutschland. Hierzulande gewinnt die Branche zunehmend an Relevanz. Nicht weil andere schwächeln, sondern aus eigener Stärke. 

Etwa 1.500 Teilnehmer haben sich für das Forum in Stuttgart angemeldet. Schon am Montag durften Otto-Normal-Verbraucher einen Blick in die Roboterausstellung werfen. "Roboter verbessern schon heute Leben, den Großteil davon sieht die Bevölkerung aber gar nicht", sagt Bernd Liepert, Präsidenten des ERF-Veranstalters euRobotics.

Da sind einerseits die Staubsaugroboter oder automatisierten Rasenmäher. Andererseits setzen manche Pflegeheime heute schon auf Roboter, die sich mit den Menschen unterhalten. In der Gastronomie bringen sie teilweise schon das Essen an den Tisch. Deshalb sei ein Tag für die Öffentlichkeit wichtig, bevor das Fachpublikum in Stuttgart tagt. 

Europa ist zweitgrößter Markt weltweit

Knapp drei Viertel aller weltweit eingesetzten Roboter kommen derzeit noch aus Asien, sagt Liepert. Danach folgt Europa mit 15 Prozent noch vor Nord- und Südamerika zusammen. "Wo Europa hinterherhinkt, sind private Investitionen, die weit hinter dem Niveau in den USA und China liegen", bemängelt der euRobotics-Präsident.

Das European Robotics Forum dient der Branche einerseits als Vernetzungstreffen, andererseits wollen gerade kleinere Unternehmen dort Investoren von ihren Produkten überzeugen. Das Zusammenspiel zwischen Künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik steht in diesem Jahr im Schaufenster. Denn nur damit lassen sich selbst denkende und menschenähnliche Roboter entwickeln. Kognitiv humanoid lauten die Schlagwörter der Zukunft.  

KI-Sprachmodelle für Roboter

Für Deutschland sei entscheidend, wie erfolgreich diese Zukunft gestaltet wird. "Aufgrund der vielfältigen Anwendungsgebiete von Robotern in der Produktion, im Beruf wie auch im Privatleben wird das Marktpotenzial größer eingeschätzt als das der Automobilbranche", sagt Werner Kraus, Leiter des Forschungsbereichs Automatisierung und Robotik am Fraunhofer IPA und Vorsitzender des ERF in Stuttgart. 

Sein Highlight: Ein Vortrag von NVIDIA-Entwickler Dieter Fox über das Thema, wie weit KI-Sprachmodelle für Roboter aktuell sind. Dass sich auch der amerikanische Chiphersteller als Gigant der Techbranche am ERF beteiligt, wird als starkes Zeichen interpretiert.  

Roboter soll Workshop moderieren

Beim europäischen Spitzentreffen der Robotik-Branche steht noch ein weiteres Modell von David Regers Unternehmen im Fokus. Der Name könnte auch das Motto des European Robotics Forums sein: 4NE-1, in Worten "For anyone" und zu Deutsch: "Für alle". Ein bisschen erinnert sein Äußeres an den Film "iRobot" mit Schauspieler Will Smith. Kopf, Arme, Beine, Rumpf: Humanoid eben. 

Der 4NE-1 sollte eigentlich am Donnerstag auch gleich mal in der Praxis zeigen, wie weit die KI-Sprachmodelle schon sind. Der Roboter war als Moderator für einen Workshop vorgesehen, den schon einige im Umfeld des ERF mit Spannung erwartet hatten. Mit Blick auf die Sprache sollte der Plan aufgehen. Trotzdem ist Reger noch etwas unzufrieden mit der Reaktionsfähigkeit des menschenähnlichen 4NE-1, wenn es um Bewegungen geht. Kurz nach dem offiziellen Start des ERF am Dienstag, hieß es jedoch kurzfristig, dass der Roboter einen technischen Defekt hat - die Moderation fällt wohl kurzfristig aus.

Über die große Bühne auf dem ERF freut sich Reger: "Seit 2019 teilen wir unsere Vision, aber mit Visionen können Deutsche wenig anfangen. Jetzt werden wir mehr und mehr wahrgenommen." Kein Wunder: Anfang des Jahres hat Regers Unternehmen 120 Millionen Euro von Investoren erhalten, um die humanoiden kognitiven Roboter weiterzuentwickeln. "Damit ist der Druck natürlich gewachsen", gibt der Unternehmer offen zu. Dass der 4NE-1 kurzfristig doch nicht moderiert, dürfte den Druck noch etwas steigern.