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Wirtschaftsbeziehungen Polen immer mehr Partner - und Konkurrent
Der Außenhandel mit Polen wächst auch 2024 dem allgemeinen Abwärtstrend zum Trotz. Für Unternehmen in Grenznähe ist Polen längst der wichtigste Handelspartner.
Ende Februar wird der Holzwerkstoffhersteller Sonae Arauco erstmals als Aussteller vertreten sein auf Polens wichtiger Möbelmesse "Meble Polska" in Posen. Das weltweit agierende Unternehmen mit portugiesisch-chilenischen Wurzeln hat vier Standorte in Deutschland: einen davon im brandenburgischen Beeskow, rund 30 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt.
In dem Werk stellen 300 Beschäftigte vornehmlich Spanplatten für die Möbelindustrie her, viele davon für den polnischen Markt. Eine Zusammenarbeit, die seit 2006 besteht - mit wachsenden Umsätzen.
Mit Blick auf den geplanten Messeauftritt sagt Deutschland-Geschäftsführer Rainer Zumholte, Polen sei für Sonae Arauco ein zentraler Absatzmarkt, sowohl wegen der Nähe zum Werk in Beeskow als auch wegen der bedeutenden Rolle Polens als einer der größten Möbelproduzenten Europas.
"Wir intensivieren unsere Geschäftsbeziehungen mit polnischen Industriekunden und legen verstärkten Fokus auf den Handel", betont Zumholte.
Gefragter Zielmarkt und stabiler Handelspartner
Für die Brandenburger Wirtschaft ist Polen seit geraumer Zeit das wichtigste Ausfuhrland. So sind die Exporte im ersten Halbjahr 2024 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 4,9 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro gestiegen - das einzige Plus bei den Brandenburger Ausfuhren.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor drei Jahren und der daraufhin verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland hätten auch Brandenburger Unternehmen ihre Wirtschaftsbeziehungen überdenken und diversifizieren müssen, sagt Knuth Thiel, Geschäftsbereichsleiter Wirtschaftspolitik bei der IHK Ostbrandenburg. Da sei Polen als stabiler Handelspartner stärker gefragt gewesen als zuvor. Und das sei nur ein Punkt.
Destatis bestätigt bundesweiten Trend
Das Nachbarland sei interessant wegen der kurzen Wege und weil es sich wirtschaftlich enorm entwickelt habe. Auch zeichne sich die Arbeit dort durch gute Preise und Qualität aus, fasst Thiel zusammen, warum er Unternehmen empfiehlt, sich Handelspartner in Polen zu suchen.
Schon jetzt pflege jedes zweite exportierende Brandenburger Unternehmen Geschäftsbeziehungen zum Nachbarland Polen, heißt es in der aktuellen Außenwirtschaftsumfrage der drei Brandenburger Industrie- und Handelskammern.
Eine Entwicklung, die nicht nur für Brandenburg gilt: So lässt sich aus den vorläufigen Zahlen des Bundesamtes für Statistik ablesen, dass die deutschen Exporte nach Polen 2024 um 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind - auf fast 94 Milliarden Euro. Damit liegt das Land jetzt auf Platz vier der Zielmärkte für Ausfuhren aus Deutschland.
Engere deutsch-polnische Kooperation gefordert
Der Exportboom nach Polen ist auch für Cathrina Claas-Mühlhäuser eine bemerkenswerte Entwicklung. So hat die Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft auch als eine der Kernforderungen an eine künftige Bundesregierung formuliert, dass die Zusammenarbeit mit dem am Abstand wichtigsten östlichen Handelspartner Polen eine neue Qualität erreichen müsse.
"Die jährlichen deutsch-polnischen Regierungskonsultationen sollten durch Wirtschaftsgespräche begleitet und eine gemeinsame Agenda mit grenzüberschreitenden Leuchtturmprojekten erarbeitet werden, etwa in den Bereichen Energie und Digitalisierung", so die Ost-Ausschuss-Vorsitzende.
Zu den Forderungen passt die Nachricht, dass Polens Wirtschaft 2024 geschätzt um knapp drei Prozent gewachsen ist und Regierungschef Donald Tusk gerade Investitionen in Höhe von 155 Milliarden Euro angekündigt hat, die vornehmlich für mehr Sicherheit ausgegeben werden sollen.
Zudem sei geplant, bis 2032 die Verkehrsinfrastruktur - speziell das Schienennetz - zu verbessern: mit 43 Milliarden Euro. Das soll unter anderem dazu dienen, ausländische Investoren anzuziehen.
Weniger Bürokratie, bessere Infrastruktur
Eine Ankündigung, die auch bei Knuth Thiel von der IHK Ostbrandenburg gut ankommt. Die Bürokratie, die auf beiden Seiten wirtschaftliches Engagement erschwere, sei das größte Hemmnis beim Ausbau der Beziehungen, konstatiert Thiel. Das sei auch in der IHK-Außenwirtschaftsumfrage deutlich geworden.
Unmittelbar spürbar sei es im kleinen Grenzverkehr, 50 Kilometer dies- und jenseits des Grenzflusses Oder. So müssen laut Thiel zum Beispiel Taxifahrer Umsatzsteuer sowohl nach polnischen als auch nach deutschen Vorschriften abführen - je nachdem, wo sie unterwegs sind. Hier brauche es dringend Erleichterungen.
Warnung vor dauerhaften Grenzkontrollen
Auch beim Ausbau der grenzüberschreitenden Infrastruktur sieht Thiel großen Handlungsbedarf. So gebe es entlang der 200 Kilometer Flussgrenze zu wenig Grenzübergänge sowie Schienen- und Straßenverbindungen etwa für die täglich rund 14.000 Pendler. Mit vier Millionen Lkw jährlich sei der Grenzübergang Swiecko auf der Autobahn 12 einer der meistbefahrenen in Deutschland. Hier führen die aktuellen Grenzkontrollen täglich zu langen Staus.
Sicherlich sei die Wirtschaft bereit, befristet stationäre Kontrollen zu ertragen, sagt der IHK-Geschäftsbereichsleiter; wenn die Kontrollen jedoch wie angekündigt unbefristet weiter stattfinden sollen, seien die Schäden für die Wirtschaft nicht mehr hinnehmbar. Hier sei die Politik gefordert, den Unternehmen ein Stück weit entgegenzukommen.