
Schwache Wirtschaft Großbritannien muss sparen - auch wo es wehtut
Die britische Wirtschaft wächst deutlich weniger als bislang angenommen. Die sozialdemokratische Regierung hat deswegen eine brisante Streichliste erstellt. Es soll auch an Sozialleistungen gehen.
Die Wirtschaftsaussichten für das Vereinigte Königreich sind nicht gut. Die Prognose der staatlichen Behörde OBR für 2025 muss halbiert werden - runter auf 1,0 Prozent, wie Finanzministerin Rachel Reeves heute im Parlament bekanntgeben musste.
Die neue Prognose hat deutliche Auswirkungen auf die Finanzpolitik. Wenn das Wachstum schwächelt, fallen die Steuereinnahmen geringer aus - es droht ein Defizit. Eine Steuererhöhung hat die britische Regierung ausgeschlossen. Mehr Kredite aufzunehmen ist auch schwierig. Die Staatsverschuldung ist in Großbritannien deutlich höher als in Deutschland: Im Vereinigten Königreich beträgt die Staatsschuldenquote nahezu 100 Prozent. Ein Investitionspaket wie das von der deutschen Politik angeschobene wäre in Großbritannien schlicht undenkbar.
Mehr junge Erwachsene sollen arbeiten
Also muss gespart werden - zum Beispiel bei den Sozialausgaben. Die sozialen Sicherungssysteme funktionierten nicht mehr, sagte Reeves im Unterhaus. Jeden Tag würden etwa 1.000 Personen zugelassen für Unterstützungsleistungen bei Langzeiterkrankungen und für Menschen mit Behinderung. Hier will die Labour-Regierung sparen.
Reeves betonte außerdem, dass viel zu viele junge Menschen - etwa eine Million - weder arbeiteten noch in der Ausbildung steckten. Labour möchte junge Erwachsene in Arbeit bringen. Dazu sollen noch weitere Maßnahmen kommen, die in den nächsten Monaten ausbuchstabiert werden.
Murren in der Labour-Partei
Insgesamt ist der Betrag, den die sozialdemokratische Regierung einsparen muss, gar nicht so groß: Es geht um knapp 20 Milliarden Euro. Doch die Streichliste ist politisch brisant. In der Partei murren bereits einige und argumentieren, Labour spare jetzt schlimmer als die Konservativen in 14 Jahren.
Rachel Reeves machte heute auch deutlich, wo investiert werden soll, um das Wachstum anzukurbeln. Die Labour-Regierung hat mehrere Großprojekte versprochen, beispielsweise eine dritte Start- und Landebahn für den Flughafen Heathrow. Außerdem werden etwa 2,4 Milliarden Euro in den Wohnungsbau gesteckt, um erschwinglichen Wohnraum zu schaffen. Solche Maßnahmen dürften jedoch eher mittelfristig wirken. Es fehlen auch Arbeitskräfte, Genehmigungen dauern oft viel zu lang.
Extra-Ausgaben für die Verteidigung
Außerdem kündigte Reeves an, dass die Regierung die Verteidigungsindustrie fördern will. In diesem Bereich soll das Vereinigte Königreich eine Supermacht werden. Die Regierung hat bereits in Aussicht gestellt, dass sie die Verteidigungsausgaben bis 2027 auf 2,5 Prozent des jährlichen Wirtschaftswachstums erhöhen wird, in den Jahren danach auf 3,0 Prozent. Davon sollen auch mittelständische Betriebe profitieren.
Die Finanzministerin kündigte schließlich an, die Ausschreibungsverfahren zu vereinfachen. Zahlreiche britische Konzerne sind eng mit europäischen Unternehmen bei Rüstungsprojekten verflochten, zum Beispiel beim Radpanzer "Boxer".
Experten befürchten, dass sich die Wirtschaftslage im Jahresverlauf noch stärker eintrüben könnte - zum Beispiel, wenn die US-Regierung weitere Zölle einführt. Bislang ist Großbritannien davon ausgenommen. Aber auch ohne Zölle auf britische Waren könnte die US-Politik das Wachstum weltweit bremsen.