Annika Grüneboom bei der Arbeit in einem Labor

Klimafreundlich forschen Deutschlands Forschung auf dem Weg zur Nachhaltigkeit

Stand: 24.03.2025 12:26 Uhr

Forschung soll Lösungen für den Klimaschutz liefern - doch oft hat sie selbst einen großen ökologischen Fußabdruck. In Deutschland arbeiten Institute, Universitäten und Förderorganisationen an klimafreundlichen Lösungen.

Von Nadine Gode, SWR

Mikroskopie am Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften, kurz ISAS. Hier schaut sich Annika Grüneboom Immunzellen an: Was passiert mit Zellen nach einem Herzinfarkt? Mit einem Hochleistungslaser durchleuchtet sie die Probe eines Mäuseherzens.

Ein energieintensiver Vorgang, erklärt die Professorin. "Ein klassischer Arbeitstag bei uns umfasst acht Stunden. Wenn unser Licht-Blatt-Fluoreszenzmikroskop diese acht Stunden in Betrieb ist, erzeugt es ungefähr einen Energieverbrauch von zwölf Kilowattstunden." Das entspreche etwa dem täglichen Verbrauch eines Vier-Personen-Haushalts. Hinzu komme die Datenspeicherung, -bereitstellung und Analyse mit Hochleistungsrechnern, was den Stromverbrauch weiter in die Höhe treibe.

Für ein einzelnes Mäuseherz generiert die Leiterin der Forschungsgruppe Grüneboom um die 500 Bilder. Am Ende einer Versuchsreihe mit mehreren Proben sammeln sie so bis zu drei Terabyte Daten. "Die neuesten Entwicklungen der Mikroskope ermöglichen es uns, immer mehr Daten in kürzerer Zeit zu generieren. Aber diese enormen Datenmengen müssen natürlich auch alle angeschaut und analysiert werden."

Künstliche Intelligenz spart Energie

Damit dieser Vorgang effizienter wird, kooperieren die Arbeitsgruppen am ISAS miteinander. Mit Software und Künstlicher Intelligenz arbeitet ihr Kollege und Leiter der Forschungsgruppe "AMBIOM - Analysis of Microscopic BIOMedical Image", Jianxu Chen, daran, die Bilddaten zu reduzieren. "Das Besondere an unserer Methode ist: Wir nutzen eine in unserem Bereich neue Trainingsstrategie für unsere Künstliche Intelligenz. Denn wir schauen zuerst, welche Details die Forschenden wirklich benötigen. Dann können wir die Daten stark komprimieren, ohne wichtige Informationen zu verlieren."

Um das 512-fache kann Chen einen Datensatz so verkleinern. Und auch für den Energieverbrauch der KI selbst hat er eine Lösung gefunden. Er entwickelte eine Software, die ihren Strombedarf um bis zu 80 Prozent reduziert. "Die Software erkennt überflüssige Berechnungen und entfernt sie. Dadurch wird weniger Rechenleistung benötigt. Die Idee ist also ganz einfach, aber die Einsparung ist enorm."

Klima-Fortschritt an Universitäten

Energie sparen, genauso wie Wasser und andere Ressourcen - daran arbeitet auch die Universität Heidelberg. Dafür nehmen mehr als 20 Labore der Uni an "My Green Lab" teil. Einem US-amerikanischen Zertifizierungsprogramm für Nachhaltigkeit im Forschungsalltag. Irina Merz ist hier Referentin für Nachhaltigkeitsstrategien. Sie begleitet den Prozess. "Von den 14 Themenbereichen von "My Green Lab" waren für uns besonders die interessant oder relevant, die den Bereich Energie betreffen, aber auch Einkauf und Abfallmanagement."

Oft seien es schon die kleinen Dinge: gezielte Mülltrennung. Geräte ausschalten statt in den Stand-by-Modus. Mehr Produkte, die recycelt oder wiederverwendet werden können. Die Idee sei, den Teilnehmenden ein Verständnis für die Herausforderungen bei ökologischen Fragen zu vermitteln.

Verständnis schaffen

Ein essenzieller erster Schritt findet auch Georg Müller-Christ, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltigkeit an Hochschulen. Im Interview mit der ARD-Sendung KlimaZeit erklärt er: "Wir können im Hochschulbetrieb nicht einfach weitermachen wie bisher, wenn wir gleichzeitig nachhaltiger werden wollen. Wir brauchen mehr Menschen, die sich eingestehen, dass sie sich gerade nicht nachhaltig verhalten, zum Beispiel, zu viele Ressourcen verbrauchen oder zu viele ökologische Nebenwirkungen erzeugen." Es komme darauf an, dass wirklich alle einmal intensiv auf das Thema Nachhaltigkeit schauen.

Was das im Laboralltag ändern könnte, beschreibt Irina Merz: "Zum Beispiel, dass die Forschenden einen Ultratiefkühlschrank von minus 80 Grad auf minus 70 Grad hochstellen." Was für die Versuchsproben laut Studienlage keinen Unterschied mache, habe ein enormes Einsparpotenzial beim Stromverbrauch.

Stromfresser vom Netz nehmen

Mit einer Art "Abwrackprämie" für alte Kühlgeräte möchte die Universität Heidelberg noch einen Schritt weitergehen und den Weg für neue energiesparende Geräte freimachen, berichtet Karin Schumacher. Sie ist Prorektorin für Qualitätsentwicklung und Nachhaltigkeit. "Konkret haben wir jetzt in einer ersten Pilotphase 100.000 Euro bereitgestellt, um Ultratiefkühlgeräte zu ersetzen. Sie sind echte Stromfresser und verbrauchen ähnlich viel wie ein Vier-Personen-Haushalt."

Jährlich 14,5 Tonnen CO2 könnte die Universität sparen, wenn sie all ihre Geräte dieser Art vom Netz nimmt. Die Uni wolle hier mit gutem Beispiel vorangehen. "Wir sind Problemlöser und Zukunftswerkstatt. Aber in jeder Werkstatt entsteht auch Abfall. Und jede Werkstatt braucht Energie. Deswegen müssen wir das ganzheitlich denken. Nachhaltigkeit einer Universität muss alle Leistungsbereiche erfassen", so Schumacher.

Eine Frage der Finanzierung

Klar ist: Klimaschutz an Hochschulen und in Laboren benötigt nicht nur Zeit und gute Ideen, sondern auch Geld. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert wissenschaftliche Projekte jährlich mit mehr als drei Milliarden Euro. Bei Anträgen für die Förderung gehört die Reflexion von Nachhaltigkeit inzwischen dazu, weiß Harald Leisch von der DFG. "Für die Antragstellenden hat es einen großen Vorteil: Wenn es umweltschonendere Alternativen gibt, die aber mehr Kosten verursachen, dann können diese erhöhten Kosten gleich mit beantragt werden." Werde der Antrag bewilligt, könnten diese Kosten von der DFG übernommen werden. Ein wichtiger Schritt, um mit klimafreundlichen Technologien neue Standards für nachhaltiges Arbeiten zu setzen.

Gemeinsam für eine klimafreundliche Forschung

Um dabei aber auch langfristig erfolgreich zu sein, müsste man künftig noch intensiver zusammenarbeiten, findet Immunologin Annika Grüneboom. "Zum einen müssen wir Forschende nachhaltiger werden. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen in der KI-Anwendung ist hier ein ganz entscheidender Faktor. Aber wir brauchen zum anderen auch Optimierung seitens der Gerätehersteller, damit die Geräte effizienter werden und natürlich auch die finanziellen Mittel, um diese Forschung insbesondere in diesem Bereich weiter vorantreiben zu können."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR aktuell am 11. Dezember 2024 um 15:11 Uhr.