
Angriffe auf GPS Wie sicher sind Navigationssysteme?
GPS und das Galileo-Satellitensystem werden täglich mit Störsignalen attackiert. Fachleute warnen vor der Gefahr für Luft- und Schifffahrt sowie Kommunikationsnetze und stellen neue Sicherungssysteme vor.
Im April 2024 befindet sich ein Linienflugzeug auf dem Weg von Helsinki nach Tartu, der zweitgrößten Stadt Estlands. Plötzlich treten Probleme mit dem GPS (Global Positioning System) auf. Die Piloten entscheiden sich, den Flug abzubrechen und umzukehren. Mithilfe zusätzlicher Navigationsgeräte können sie das Flugzeug sicher wieder in Helsinki landen. Der Verdacht der estnischen Behörden damals: gezielte Störungen der GPS-Signale durch Russland.
"Das passiert jeden Tag!"
Solche Vorfälle sind keine Seltenheit. In Osteuropa und dem Nahen Osten werden täglich Dutzende Angriffe auf das GPS registriert, erklärt Navigationsingenieur und Inhaber des Lehrstuhls für Satellitennavigation an der Universität der Bundeswehr in München, Thomas Pany. "Im Zuge der jüngsten militärischen Auseinandersetzungen hat sich gezeigt, dass dieses Stören vom Boden in die Luft ein sehr effektives Mittel ist, um den Luftraum nicht befreundeter Staaten zu stören."
GNSS: Schwach wie eine Glühbirne
Zurzeit treffen sich in München Fachleute auf einer Konferenz, dem "Munich Satellite Navigation Summit", um über die Gefahren durch derartige Störungen zu beraten und Möglichkeiten der Sicherung der Satelliten-Navigation vorzustellen. Der Raumfahrtingenieur Michael Meurer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR verweist darauf, dass die Satelliten 20.000 Kilometer entfernt im Orbit sind.
Die Signale des Globalen Navigationssatellitensystems (GNSS), wie alle Satellitennavigationssysteme zusammen genannt werden, sind daher sehr schwach - energetisch vergleichbar mit dem Signal einer Glühbirne - und daher leicht zu stören. Im Internet kann man für wenige hundert Euro sogenannte Jammer kaufen. Früher, so Meurer, verschleierten organisierte Auto-Diebe damit, wohin sie die gestohlenen Fahrzeuge brachten. Jetzt seien es Staaten wie Russland und die Ukraine, die damit beispielsweise Drohnen abwehren wollen. Dass damit der Luftverkehr gestört werde, sei ein Kollateralschaden.
"Jamming" und "Spoofing"
Beim "Jamming" wird das Satellitensignal durch ein Störsignal überlagert, so dass es nicht mehr empfangen werden kann. "Spoofing" hingegen, so Michael Meurer, "ist die smartere Art". Dabei sendet der Störer Signale, die der Nutzer fälschlich als authentische Signale des Satelliten interpretiert. Dem Nutzer wird vorgegaukelt, an einer anderen Stelle zu sein, als er tatsächlich ist. Drohnen, aber eben auch Flugzeuge werden dadurch in die Irre geführt.
"Wir sind verletzlich"
Die Folgen gefährden nicht nur die Luftfahrt. Der Schiffsverkehr und der gesamte Gütertransport sind von GNSS abhängig. Zudem liefern Satelliten neben Positionsdaten auch präzise Zeitinformationen, betont Michael Meurer vom DLR. "Diese Zeitinformation wird in verschiedenen Netzwerken genutzt, etwa Mobilfunk- und Stromnetzen, die entsprechend synchronisiert werden."
Auch Geldtransfers werden mit Hilfe dieser Zeitinformationen getätigt. Für künftige Anwendungen, wie dem Autonomen Fahren oder Lieferdiensten per Drohne seien Ausfälle der Satelliten-Navigation besonders schlimm. Während die Luftfahrt über zusätzliche Navigationstechniken verfügt, die GNSS ersetzen können, sei das dort nicht der Fall. "Diese Anwendungen benötigen aber eine ganz präzise Navigation." Schließlich ist auch das Militär von der Positionsbestimmung durch die Satelliten abhängig.
Fälschungssichere Signale, bessere Antennen
"Diese Verletzlichkeit ist selbstverschuldet, wir haben zu viel Vertrauen in die Technik gesetzt", so Thomas Pany. Aber jetzt werde umgestellt. Michael Meurer bestätigt das. Mit mehr, besseren und zielgerichteten Antennen könnten Störsignale ausgeblendet werden. Eine zentrale Rolle bei der Absicherung der Signale soll zudem schon bald das europäische Satellitennavigationssystem Galileo spielen.
Schon dieses Jahr soll es einen Dienst bieten, den GPS nicht besitzt, erklärt Robert Greinacher von der EUSpa, der EU-Agentur für das Raumfahrtprogramm. "Der Empfänger bekommt dann ein authentifiziertes Signal vom Satelliten." Er könne sich dann darauf verlassen, dass es integer sei und vom Galileo-Satellitensystem in der gewünschten Genauigkeit und Präzision bereitgestellt werde - und damit eben kein gefälschtes Signal. Spoofing sei somit ausgeschlossen.
Galileo künftig sicherer als GPS
Dieser Dienst steht dann, wie auch schon das jetzige Galileo-Signal, jedem kostenlos zur Verfügung. Zudem soll etwas später sogar ein verschlüsseltes Signal gesendet werden, das dann allerdings nur "hoheitlichen" Diensten zur Verfügung steht, also beispielsweise der Polizei und der Feuerwehr. Die Investitionen in Galileo, so Greinacher, zahle sich nun aus. Europa habe damit ein eigenes, von den USA und anderen Staaten unabhängiges Navigationssystem, das es mit Sicherheitstechniken bestücken kann.
Ein Problem allerdings bleibt, das auf der Münchner Konferenz hinter vorgehaltener Hand angesprochen wurde. Das NATO-Militär, also auch die Bundeswehr, arbeitet ausschließlich mit dem US-amerikanischen GPS, nicht mit Galileo. GPS ist nicht abgesichert und auch nicht in europäischer Hand.