
Deutsche Unis hoffen auf US-Forscher Trumps Wissenschaftspolitik - eine Chance für Deutschland?
Viele US-Wissenschaftler suchen nach einer neuen akademischen Heimat. Auch Deutschland sieht seine Chance. Doch das offensive Werben um kluge Köpfe findet nicht nur Befürworter.
Dass US-Präsident Donald Trump große Teile der Wissenschaften skeptisch sieht, zeigt er immer wieder. Mal droht er Universitäten mit Mittelkürzungen, mal lässt er bestimmte Worte wie "Diversität" oder "Geschlecht" in Forschungsanträgen verbieten oder will ganze Fächer streichen, die nicht in sein Weltbild passen. In vielen Ländern Europas wird deshalb darüber diskutiert, ob und wie man US-Forscherinnen und -Forscher über den Atlantik locken könnte.
So kündigte etwa der niederländische Wissenschaftsminister Eppo Bruins vor einigen Tagen einen Fonds an, um den Wechsel von Top-Wissenschaftlern in die Niederlande zu fördern. "Wir müssen als Wissenschaftsstandort vorangehen und es möglich machen, dass Spitzenforscher hier zu uns in die Niederlande kommen", sagt Bruins. "Zig Millionen" Euro soll das Programm umfassen und so schnell wie möglich starten. Mehr ist noch nicht bekannt.
Unirektor warnt: Keine gute Idee
Joybrato Mukherjee sieht solche Ankündigungen skeptisch. Mukherjee ist Rektor der Universität zu Köln und gleichzeitig Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). "Wer in der jetzigen Lage zu einer konfrontativ angelegten Abwerbung US-amerikanischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufruft, tut der transatlantischen Wissenschaftspartnerschaft möglicherweise keinen Gefallen", warnt er. Einen echten Brain Drain aus den USA zu organisieren, liege nicht im europäischen oder deutschen Interesse.
Derzeit, sagt Mukherjee, gebe es rund 75.000 ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland. Und angesichts der Entwicklungen in den USA könnte das Interesse noch einmal steigen.
"Dafür muss Deutschland aber einiges bieten: eine gelebte Willkommenskultur, eine verlässliche exzellente Ausstattung unserer Hochschulen, vor allen Dingen in Bezug auf Personalstellen, und mehr Flexibilität in unseren Verwaltungsstrukturen, damit uns die Bürokratie nicht bei der Gewinnung von internationalen Spitzenkräften ausbremst."
Nicht aggressiv ködern, sondern mit der Qualität des deutschen und europäischen Wissenschaftssystems werben - das sollte die Devise sein, sagt der Kölner Unirektor. Wichtigstes Ziel müsse es sein, dass die Forscherinnen und Forscher in Europa und den USA miteinander im Gespräch bleiben und der Austausch weitergehe.
Studierende nicht vergessen
Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks (DSW), Matthias Anbuhl, warnt, man dürfe bei der aktuellen Debatte nicht nur auf Spitzenforscherinnen und -forscher schauen. Genauso wichtig sei der akademische Nachwuchs, für den ein Studium in den USA unter der Trump-Regierung unattraktiver geworden sei.
"Auch da kann Deutschland durchaus selbstbewusst auftreten, wir sind das drittbeliebteste Zielland für internationale Studierende", sagt Anbuhl. Das hänge mit den guten Studienangeboten zusammen, vor allem aber auch mit den fehlenden Studiengebühren. "Daran gilt es festzuhalten, um für internationale Studierende attraktiv zu bleiben."
Die aktuelle Diskussion, sagt Anbuhl, biete die Chance, den unterfinanzierten Hochschulbereich in Deutschland grundsätzlich besser aufzustellen - etwa beim Ausbau der Plätze in günstigen Studierendenwohnheimen. "Es ist wichtig, dass, wenn internationale Studierende nach Deutschland kommen, sie hier gute Rahmenbedingungen vorfinden und da gibt es sicherlich einiges zu verbessern, gerade im Bereich der sozialen Infrastruktur."