
Anpassung an die Umgebung Vögel in der Stadt sind bunter
Beton, Asphalt, Schotter: Das Leben in der Stadt beeinflusst, was Vögel fressen, wo sie nisten - aber auch wie sie aussehen. Eine neue Studie hat die Farben der Vögel analysiert - mit überraschendem Ergebnis.
Beim Leben in der Stadt haben Vögel mit bestimmten Farben einen Vorteil - das ist eine gängige Theorie in der Biologie. Aber bisher wusste man noch nicht genau, welche Farben “typisch Stadt” und welche “typisch Natur” sind. Ein internationales Forschungsteam hat dies nun erstmals großflächig untersucht.
Bisher sind Forschende eher davon ausgegangen, dass Vögel in der Stadt weniger farbenfroh sind. "Man hat zum Beispiel gesehen, dass die Tiere auf dem Land leuchtendere Farben haben als die Tiere der gleichen Art, die in der Stadt leben“, erklärt Kaspar Delhey. Der Biologe arbeitet für das Max-Planck-Institut für Biologische Intelligenz im bayrischen Seewiesen und Martinsried.
Dieser Unterschied zwischen Tieren einer Art könnte zum Beispiel an dem reichhaltigeren Futter in der Natur liegen. “Außerdem hat man gesehen, dass Arten, die gut in der Stadt zurechtkommen, oft graues oder schwarzes Gefieder haben“, so der Biologe. Daher sei man davon ausgegangen, dass die Zusammensetzung der Arten in der Stadt insgesamt weniger farbenfroh ist als in der natürlichen Umgebung. "Aber bisher hat das noch niemand im großen Stil untersucht.“
Bisherige Theorie widerlegt
Delhey und ein internationales Forschungsteam haben das jetzt nachgeholt. Sie erstellten in einem ersten Schritt eine Datenbank von über zweitausend Vogelarten weltweit und deren Gefiederfarben. Diese Daten analysierten sie im Hinblick auf den Lebensraum der Vögel auf der ganzen Welt - also, ob sie in Städten, deren Umgebung oder auf dem Land lebten.
Dabei ging es nicht um die Veränderungen einzelner Vogelarten, wenn sie sich an ein Leben in der Stadt anpassen, also wie sich beispielsweise eine Meise auf dem Land von einer Stadtmeise unterscheidet. Sie suchten nach allgemeingültigen Tendenzen: Welche Farben kommen wo häufiger vor? Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie jetzt in der Fachzeitschrift Ecology Letters.
Und auch sie fanden viele schwarze und graue Vögel in den Städten. Aber: “Pro Art haben die Vögel in der Stadt insgesamt mehr Farben als Vögel, die in Städten nicht zu finden sind“, so Delhey. Die Arten, die in der Stadt vorkommen, haben also im Schnitt mehr verschiedene Farben als die Arten, die sich nicht an das Leben in der Stadt anpassen können. Neben Schwarz und Grau kam vor allem die Farbe Blau in der Stadt häufiger vor.
Weniger Feinde - buntere Farben
Dass in der Stadt und auf dem Land unterschiedliche Farben von Vorteil sein können, ist für Bernhard Misof, Direktor des Leibniz Institut zur Analyse des Biodiveristätswandels in Bonn, plausibel: "In der Stadt haben wir viel Beton, wir haben ganz andere Farbmuster, wir haben viel weniger 'Grün'. Gleichzeitig haben wir viel weniger Raubvögel oder Tiere, die kleine Singvögel jagen.“
Das würde es Vögeln erlauben, bunter zu sein. Denn wer bunt ist, fällt mehr auf. Und das kann ein Vorteil sein - denn die bunten Farben fallen auch Artgenossen auf. Das hilft zum Beispiel bei der Partnersuche. Misof war nicht an der Studie beteiligt, er hält die Ergebnisse für solide - und wichtig:
"Es ist herausgekommen, dass Vögel mit braunen Farben in der Stadt fehlen. Und dadurch verschiebt sich das Spektrum der Farbvielfalt der Vogelarten in der Stadt im Vergleich zu den Vogelarten, die außerhalb vorkommen.“
Kein Platz für den Spatz
Braune Vögel haben offenbar ein Problem in der Stadt - das ist das eindeutigste Ergebnis der Studie. Und das könnte daran liegen, dass viele braune Vögel am Boden brüten oder an der Rinde von Bäumen entlanglaufen. An ein Stadtleben können sie sich nicht gut anpassen.
Selbst der Spatz, ein "typischer“ Stadt-Vogel, sei nicht wirklich erfolgreich in Großstädten, so Misof. "Es ist wirklich beeindruckend, wie stark Spatzen reduziert wurden.“ Spatzen seien wahrscheinlich ein klassisches Element von dörflichen und kleineren stadtähnlichen Lebensräumen gewesen. "Hier konnten sie sich gut behaupten. Aber in unseren Großstädten und urbanen Lebensräumen kommen sie gar nicht mehr so häufig vor.“
Daten zeigen Unterschied - aber liefern keine Erklärung
Wenn jetzt die städtischen Lebensräume weiter zunehmen, dann hätten die Vogelarten, die dort gut zurechtkommen einen Vorteil, so Misof vom Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandel. "Und die Vogelarten, die in einer urbanen Umgebung nicht so gut zurechtkommen, die haben ein Problem.“
Wieso genau welche Art gut in der Stadt leben kann und welche Rolle dabei ihre Gefiederfarbe spielt, kann auch die aktuelle Studie von Kaspar Delhey und seinem Forschungsteam nicht zeigen.
“Die Daten, die wir aktuell haben, erlauben uns nicht die Mechanismen hinter den Unterschieden zu erklären.“ Aber dass man sie in dieser Form überhaupt sieht, sei überraschend für das Team gewesen: "Die Verteilung der Farben und die Unterschiede zwischen Stadt und natürlichen Umgebungen sind ganz anders als wir gedacht haben.“