Bei dem betäubten Nashorn Seha wird die Sauerstoffzufuhr überwacht

Nashörner in Afrika Enthornt, aber lebendig - und Vater

Stand: 22.01.2021 11:28 Uhr

Die Wilderei in Südafrika grassiert - gerade in der Corona-Krise. Dem Nashornbullen Seha hackten Wilderer lebendig die Hörner ab. Doch er überlebte und hat jetzt mit einem anderen gequälten Nashorn Nachwuchs.

Eine beinahe geheime Mission führt zu Seha. Denn wo genau der Breitmaulnashorn-Bulle in Südafrika lebt, darf niemand wissen - jedenfalls weit entfernt von der Hauptstadt Pretoria. Immer noch klafft eine offene, längliche Wunde in seinem Gesicht. Die Nasenhöhlen liegen offen, und seine Atmung ist ein lautes Schnaufen.

Tierarzt Johan Marais behandelte den Bullen von Beginn an. Er ist immer noch beeindruckt, dass Seha lebt. "Ich bin einfach so stolz auf ihn, stolz, dass er es geschafft hat", sagt er. "In gewisser Weise denke ich, ist es ein echtes Wunder, dass er noch hier ist."

Das Nashorn Seha

Sehas Wunde kann sich nicht vollständig schließen, weil Wilderer den Knochen um das Horn abschnitten.

Sehas Wunde muss weiterhin gereinigt werden

Ohne Hilfe geht es nicht. Marais hat die Organisation "Saving the Survivors" gegründet, auf Deutsch heißt das so viel wie "Überlebende retten". Eine halbe Million Rand, umgerechnet fast 30.000 Euro, hat Sehas Behandlung schon gekostet. Nach wie vor muss einmal im Monat die Wunde gereinigt werden.

Die Heilung sei abgeschlossen, erzählt der Tierarzt. Mehr sei wegen der fehlenden Knochenstruktur nicht möglich. Das langfristige Ziel ist, eine Membran oder Platte über der Wunde zu implantieren und mit Haut zu überziehen, so dass es keine Infektionen mehr gibt.

Marais ist Nashorn-Spezialist, auch global ist er der führende Veterinär für die Tiere. "Als wir damit angefangen haben, war das richtig schwierig. Das hatte ja vorher noch niemand gemacht. Wir lernen immer noch, wie man etwa diese Gesichtsverletzungen behandelt", erzählt er. "Aber wenn man ein Nashorn mit einer Mega-Wunde am Kopf sieht, dann sagen 99 Prozent der Leute: Das überlebt es niemals. Ich schaue es an und sage: Doch, wir werden es retten."

Johan Marais und Assistentin Dorota Ladosz

Tierarzt Johan Marais und seine Assistentin Dorota Ladosz kümmern sich um die verletzten Tiere.

In der Pandemie grassiert die Wilderei

Seitdem die Wilderei in Afrika im Jahr 2008 um sich griff, sind die Bestände rapide gesunken. In ganz Afrika leben derzeit etwas mehr als 5000 Spitzmaulnashörner und geschätzt 12.000 Breitmaulnashörner wie Seha. Jedes Nashorn, das gerettet wird, sei wertvoll für die genetische Vielfalt, sagt Marais. In Südafrika leben 80 Prozent aller Nashörner. Dem Umweltministerium zufolge zeigt der unermüdliche Kampf gegen die Wilderei zwar Erfolge, es sterben demnach aber noch immer zu viele Tiere.

Auch der Corona-Lockdown hat Folgen: Weniger Touristen in Nationalparks oder privaten Naturreservaten bedeuten weniger Kontrolle, auch die Einnahmen, mit denen Wildhüter bezahlt werden, sind drastisch gesunken. Zudem haben außerhalb der Parks viele Menschen ihre Arbeit verloren. Wilderei verspricht schnelles Geld, denn der Markt in Asien boomt nach wie vor.

Mehr als 50.000 Euro wird für ein Kilogramm des Rhinozeros-Horns gezahlt. Das Pulver, das daraus gemahlen wird, ist auf dem Schwarzmarkt oft teurer als Gold: In Vietnam und China glauben viele Menschen an die Heilkraft des Pulvers, das aus Keratin besteht. Deshalb gibt es vom Java-Nashorn, einer Art, die in Asien selbst vorkommt, nur noch weniger als 70 Tiere. Marais sagt, er möchte helfen, den afrikanischen Arten dieses Schicksal zu ersparen.

"Dieses Baby wird irgendwann auch Babys haben"

Sehas grausame Geschichte immerhin hat ein gutes Ende: Er traf Lucky, ein Nashornweibchen. Auch sie wurde von Wilderern angeschossen, entkam ihnen aber verletzt. Die beiden sind nun Eltern von Daniel - der ist mittlerweile eineinhalb Jahre alt.

"Dieses Baby wird irgendwann auch Babys haben, diese dann auch wieder, also unterm Strich retten wir nicht ein Tier, sondern mehrere", sagt Marais.

Der Aufwand, den "Saving the Survivors" betreibt, ist nicht nur medizinisch enorm: Die Tiere müssen auch beschützt werden. Schließlich wachsen im Gesicht von Daniel seine natürlichen Waffen - die typischen Hörner.

Daniel (1) nach seiner Geburt mit Mutter Lucky

Das kleine Nashorn Daniel nach seiner Geburt mit Mutter Lucky.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Beitrags hieß es, es gebe in Afrika nur noch weniger als 1000 Spitzmaulnashörner. Tatsächlich beträgt ihre Zahl mehr als 5000. Die Zahl 1000 trifft für die Unterart des Südzentralafrikanischen Spitzmaulnashorns zu. Wir haben den Beitrag entsprechend korrigiert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Radio am 22. Januar 2021 um 11:42 Uhr.