Menschen stehen in Myanmar in den Trümmern von beschädigten Gebäuden.

Zwei Wochen nach dem Erdbeben Hilfe für Myanmar nach der Katastrophe stockt weiter

Stand: 11.04.2025 10:56 Uhr

Tausende Tote und Millionen ohne Zugang zu Trinkwasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung: Zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in Myanmar wird das Ausmaß der Katastrophe immer deutlicher.

Die Lage vor Ort ist immer noch katastrophal. Zehntausende Familien sind obdachlos, stehen vor dem Nichts. Straßen, Brücken, Häuser sind zerstört, Wasserleitungen unterbrochen, die Infrastruktur zusammengebrochen. Der Deutsche Oliver Esser lebt seit 30 Jahren in Myanmar und ist für "Weltköche ohne Grenzen" im Erdbebengebiet unterwegs. "Es fehlt absolut am Management. Man kommt nicht vor Ort und es gibt keine Stellen, die einem sagen, wo man hin muss, wo was gebraucht wird, wo zu viel ist", erklärt Esser. Die Menschen bräuchten dringend Zelte, Medikamente, sauberes Wasser und Essen.

Mehr als 3.600 Menschen sind bei dem Erdbeben vor zwei Wochen in Myanmar ums Leben gekommen, so aktuelle Zahlen der Regierung. Mehr als 5.000 wurden verletzt, viele werden noch vermisst. Erschwert wird die Lage durch den Bürgerkrieg im Land. Regierung und Opposition stehen sich auch in dieser Ausnahmesituation weiter verfeindet gegenüber.

Karte mit Myanmar mit Nay Pyi Taw und Mandalay sowie Thailand mit Bangkok.

Im von der Regierung kontrollierten Mandalay gebe es weniger Militär-Checkpoints als vor dem Erdbeben, so Esser. Hier könnten er und die anderen Hilfskräfte sich schnell und einfach bewegen. In Sagaing hingegen, wo die Opposition stark ist, sei viel mehr staatliches Militär als sonst. "Man muss schauen, dass man am besten registriert ist, man muss abends wieder zurück sein." Vor Ort seien unheimlich viele Soldaten. Man müsse aufpassen, dass Fotos von beschädigten Gebäuden oder von Brücken sehr bedacht gemacht würden. Wichtig sei zu schauen, wer im Umfeld ist. Wenn irgendwo im Hintergrund ein Regierungsmitarbeiter sei, oder ein Soldat, dann könne die Kamera schnell weg sein. 

Militärjunta verhindert Berichterstattung

"Wir hatten einen Fall mit einem jungen Koch, der die eingestürzte Brücke gefilmt hat und sich dann mit der Kamera umdrehte - er war sofort verhaftet." Die Situation konnte mit der Militärregierung schnell geklärt werden, der Mann ist wieder frei. Aber das Beispiel zeigt: Journalisten sind in Myanmar seitens der Regierung nicht willkommen. Deswegen fehlen Bilder von der Zerstörung und die Spendenbereitschaft ist geringer als bei Naturkatastrophen in anderen Ländern.

Dabei waren in dem Bürgerkriegsland schon vor dem Erdbeben 20 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, so Tom Andrews, UN-Sonderberichterstatter für Myanmar. Derzeit nutze die Militärregierung die humanitäre Hilfe erneut als Waffe. "Wir haben gesehen, wie Hilfsgüter blockiert wurden. Wir haben erlebt, dass Helfer verhört wurden. Junge Burmesen haben Angst, dass sie zum Militärdienst eingezogen werden, wenn sie versuchen, in dieser schrecklichen Situation vor Ort zu helfen."

Zwar haben das Militär und die bewaffnete Opposition einen vorübergehenden Waffenstillstand verkündet. Doch daran halte sich nur die Opposition, nicht die Militärregierung. Sie hat seit dem Waffenstillstand mehr als ein Dutzend Luftangriffe geflogen - auch auf die am stärksten vom Erdbeben betroffenen Gebiete.

Mitarbeiter von Hilfsorganisationen kommen oft nur schwer ins Land

Marvin Fürderer von der Welthungerhilfe wartet derzeit in der thailändischen Hauptstadt Bangkok auf sein Visum. Der Großteil seines Teams hat es inzwischen ins Land geschafft. Warum sein Visum noch aussteht, dazu bekäme er keine klare Begründung. "Was ich weiß, ist, dass das kein Einzelfall ist, und der Zugang ins Land scheinbar nicht von festen Regeln abhängt, sondern von vielen Einzelfallentscheidungen. Offenbar auch vom Zufall."

Er ist froh, dass sie wie das Deutsche Rote Kreuz und andere Organisationen lokale Teams vor Ort haben. "Viele unserer Mitarbeitenden kommen selbst aus den betroffenen Regionen. Sie kennen also die Wege, sie kennen die Menschen, sie kennen die Strukturen. Und genau das macht es möglich, dass wir auch dann helfen können, wenn offizielle Wege eher schwierig sind."

Die Bereitstellung von Notunterkünften besonders dringend

Hilfe ist dringend nötig. Derzeit liegen die Temperaturen in Myanmar bei mehr als 40 Grad. Dazu kommt immer wieder heftiger Regen, dem Zehntausende obdachlose Menschen schutzlos ausgeliefert sind. Dabei steht die Regenzeit erst noch bevor.

Fürderer warnt daher: "Wenn es uns jetzt nicht gelingt, die Menschen bis Juni in Notunterkünften unterzubringen und dort zu versorgen, dann droht eine weitere Verschärfung der Krise. Dann steigen die Risiken für Krankheiten wie Malaria, aber auch Cholera oder Atemwegserkrankungen."

Hilfsgüter kämen ohne Probleme ins Land, so seine Beobachtung. Nur manchmal hingen sie teils tagelang beim Zoll fest, bevor sie verteilt werden könnten. Das Deutsche Rote Kreuz hat am Mittwoch 42 Tonnen Hilfsgüter in Berlin verladen, die übers belgische Lüttich per Flugzeug nach Yangon in Myanmar gehen sollen. An Bord: Zelte, Werkzeug, Eimer, Decken und Hygienepakete.

Viele Erdbebenretter haben das Land wieder verlassen

Viele internationale Hilfskräfte haben das Land bereits wieder verlassen, da die Suche nach Verschütteten eingestellt wurde. Jetzt geht es darum, den Überlebenden zu helfen und aufzuräumen. Ein Drittel des Landes ist ohne Internet. Das erschwert die Koordination von Hilfe. Die Kommunikation ist seit dem Militärputsch 2021 unter der Kontrolle der Militärjunta.

Sie schaltet das Internet bewusst aus, damit die Menschen nicht erfahren, was in anderen Teilen des Landes passiert oder sich zu Widerstandsgruppen vernetzen können. Obwohl 120 globale Organisationen das Militär aufgerufen haben, diese Blockade aufzuheben, ist das bisher nicht passiert. Hilfskräfte und Unternehmen nutzen teils den privaten Satellitenanbieter Starlink. Doch das können sich die meisten Burmesen nicht leisten.

Bei den Hilfsaktionen wird auch Künstliche Intelligenz genutzt. Chinesische Hilfsteams verwenden das Programm DeepSeek, um mit Bewohnern auf Englisch oder Burmesisch zu kommunizieren. Satelliten- und Drohnenbilder werden von Künstlicher Intelligenz ausgewertet, damit Hilfsorganisationen wissen, welche Gebiete besonders betroffen sind, solange die Telekommunikation nicht funktioniert. Doch Hilfskräfte sagen, persönliche Gespräche und der Eindruck vor Ort sind immer noch die wirksamste Methode, um Hilfe zu leisten und dringende Bedürfnisse zu erkennen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 11. April 2025 um 09:36 Uhr.